Aber so sehr auch dieses Ereigniß uns groß und furchtbar erhaben von der einen Seite, grauenvoll und schrecklich von der andern Seite erscheint, so dürfen wir doch wohl glauben, daß es nur ein sehr schwaches Nachbild derjenigen Ereignisse war, die bei der großen Umbildung unsrer Erde statt gefunden haben müssen; -- Ereignisse, von denen keine Geschichte Kunde giebt, von denen aber die Felsentrümmer zeugen, die wir durch weit aus- gedehnte Gegenden zerstreut finden. Nach Saussure und von Buch liegen die aus einem dem Jura fremden Gestein beste- henden Geschiebe des Jura, die bis zu 30000 Centnern an Ge- wicht vorkommen, alle den großen Alpenthälern gegenüber und scheinen durch Ströme von ungeheurer Kraft so weit fortge- stoßen zu sein. Auf ähnliche Weise, aber mit noch größerer Gewalt, mögen die zahllosen Granitmassen, die in den Ebenen des ganzen nördlichen Deutschlands zerstreut vorkommen, aus Schweden her- beigeführt sein; -- freilich durch Strömungen, deren Gewalt den Durchbruch im Banienthale noch ebenso weit übertroffen haben muß, als dieser selbst die Gewalt der gewöhnlichen Bergströme*).
Doch diese merkwürdigen Erscheinungen liegen zu weit von meinem jetzigen Zwecke ab, um länger bei ihnen zu verweilen.
Widerstand bei der Bewegung fester Körper in flüssigen.
Auf denselben Gründen, die ich bei der Bestimmung des Stoßes flüssiger Körper angeführt habe, beruhet auch die Be- rechnung des Widerstandes, den feste Körper leiden, wenn sie in flüssigen fortbewegt werden. Es ist bekannt, daß eine schwere Kugel im Wasser sehr langsam zu Boden fällt; dieses ist zwar theils Folge ihres im Wasser verminderten Gewichtes, aber theils beruht es auch auf dem Widerstande, den sie dadurch, daß sie die Wassertheilchen aus der Stelle treiben muß, leidet. Die Frage, welche Gestalt man einem Körper geben muß, damit er im Wasser fortgeführt, den kleinsten Widerstand bei bestimmter Breite leide, ist eine von denen, die man zum Besten der Schiff- baukunst zu beantworten gesucht hat, und auf welche allerdings,
*)Gilb. Ann. LXV. 128.
I. R
Aber ſo ſehr auch dieſes Ereigniß uns groß und furchtbar erhaben von der einen Seite, grauenvoll und ſchrecklich von der andern Seite erſcheint, ſo duͤrfen wir doch wohl glauben, daß es nur ein ſehr ſchwaches Nachbild derjenigen Ereigniſſe war, die bei der großen Umbildung unſrer Erde ſtatt gefunden haben muͤſſen; — Ereigniſſe, von denen keine Geſchichte Kunde giebt, von denen aber die Felſentruͤmmer zeugen, die wir durch weit aus- gedehnte Gegenden zerſtreut finden. Nach Sauſſure und von Buch liegen die aus einem dem Jura fremden Geſtein beſte- henden Geſchiebe des Jura, die bis zu 30000 Centnern an Ge- wicht vorkommen, alle den großen Alpenthaͤlern gegenuͤber und ſcheinen durch Stroͤme von ungeheurer Kraft ſo weit fortge- ſtoßen zu ſein. Auf aͤhnliche Weiſe, aber mit noch groͤßerer Gewalt, moͤgen die zahlloſen Granitmaſſen, die in den Ebenen des ganzen noͤrdlichen Deutſchlands zerſtreut vorkommen, aus Schweden her- beigefuͤhrt ſein; — freilich durch Stroͤmungen, deren Gewalt den Durchbruch im Banienthale noch ebenſo weit uͤbertroffen haben muß, als dieſer ſelbſt die Gewalt der gewoͤhnlichen Bergſtroͤme*).
Doch dieſe merkwuͤrdigen Erſcheinungen liegen zu weit von meinem jetzigen Zwecke ab, um laͤnger bei ihnen zu verweilen.
Widerſtand bei der Bewegung feſter Koͤrper in fluͤſſigen.
Auf denſelben Gruͤnden, die ich bei der Beſtimmung des Stoßes fluͤſſiger Koͤrper angefuͤhrt habe, beruhet auch die Be- rechnung des Widerſtandes, den feſte Koͤrper leiden, wenn ſie in fluͤſſigen fortbewegt werden. Es iſt bekannt, daß eine ſchwere Kugel im Waſſer ſehr langſam zu Boden faͤllt; dieſes iſt zwar theils Folge ihres im Waſſer verminderten Gewichtes, aber theils beruht es auch auf dem Widerſtande, den ſie dadurch, daß ſie die Waſſertheilchen aus der Stelle treiben muß, leidet. Die Frage, welche Geſtalt man einem Koͤrper geben muß, damit er im Waſſer fortgefuͤhrt, den kleinſten Widerſtand bei beſtimmter Breite leide, iſt eine von denen, die man zum Beſten der Schiff- baukunſt zu beantworten geſucht hat, und auf welche allerdings,
*)Gilb. Ann. LXV. 128.
I. R
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[193/0215]
Aber ſo ſehr auch dieſes Ereigniß uns groß und furchtbar
erhaben von der einen Seite, grauenvoll und ſchrecklich von der
andern Seite erſcheint, ſo duͤrfen wir doch wohl glauben, daß
es nur ein ſehr ſchwaches Nachbild derjenigen Ereigniſſe war, die
bei der großen Umbildung unſrer Erde ſtatt gefunden haben
muͤſſen; — Ereigniſſe, von denen keine Geſchichte Kunde giebt,
von denen aber die Felſentruͤmmer zeugen, die wir durch weit aus-
gedehnte Gegenden zerſtreut finden. Nach Sauſſure und von
Buch liegen die aus einem dem Jura fremden Geſtein beſte-
henden Geſchiebe des Jura, die bis zu 30000 Centnern an Ge-
wicht vorkommen, alle den großen Alpenthaͤlern gegenuͤber und
ſcheinen durch Stroͤme von ungeheurer Kraft ſo weit fortge-
ſtoßen zu ſein. Auf aͤhnliche Weiſe, aber mit noch groͤßerer Gewalt,
moͤgen die zahlloſen Granitmaſſen, die in den Ebenen des ganzen
noͤrdlichen Deutſchlands zerſtreut vorkommen, aus Schweden her-
beigefuͤhrt ſein; — freilich durch Stroͤmungen, deren Gewalt
den Durchbruch im Banienthale noch ebenſo weit uͤbertroffen haben
muß, als dieſer ſelbſt die Gewalt der gewoͤhnlichen Bergſtroͤme *).
Doch dieſe merkwuͤrdigen Erſcheinungen liegen zu weit von
meinem jetzigen Zwecke ab, um laͤnger bei ihnen zu verweilen.
Widerſtand bei der Bewegung feſter Koͤrper in
fluͤſſigen.
Auf denſelben Gruͤnden, die ich bei der Beſtimmung des
Stoßes fluͤſſiger Koͤrper angefuͤhrt habe, beruhet auch die Be-
rechnung des Widerſtandes, den feſte Koͤrper leiden, wenn ſie
in fluͤſſigen fortbewegt werden. Es iſt bekannt, daß eine ſchwere
Kugel im Waſſer ſehr langſam zu Boden faͤllt; dieſes iſt zwar
theils Folge ihres im Waſſer verminderten Gewichtes, aber theils
beruht es auch auf dem Widerſtande, den ſie dadurch, daß ſie
die Waſſertheilchen aus der Stelle treiben muß, leidet. Die
Frage, welche Geſtalt man einem Koͤrper geben muß, damit er
im Waſſer fortgefuͤhrt, den kleinſten Widerſtand bei beſtimmter
Breite leide, iſt eine von denen, die man zum Beſten der Schiff-
baukunſt zu beantworten geſucht hat, und auf welche allerdings,
*) Gilb. Ann. LXV. 128.
I. R
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/215>, abgerufen am 23.02.2025.
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