liessen wie sie, wie gesagt, karbatschen. Aber zuletzt wollt' uns auch diesen Dienst niemand mehr leisten; denn jedermann fürchtete sich vor ihr, wie vor dem bösen Geist. Mit guten Worten kam man ihr ge- wissermaassen noch am leichtesten bey. Was indessen mir als die allerherbste Prüfung vorkam, war dieses: Daß ich und meine Geschwister in ihrer Gesellschaft mit Baumwollen-Kämmen und Spinnen unsern Feyrabend machen mußten. Sobald aber der Som- mer anrückte, half ich mir damit, daß ich meine Arbeit, so viel's immer die Witterung zuließ, aus- ser dem Haus verrichtete.
XXVIII. Jetzt Taglöhner.
"Danke deinem Schöpfer"! (sagte inzwischen ei- nes Tags mein Vater zu mir) "Er hat dein Fle- "hen erhört, und dir von Neuem das Leben geschenkt. "Ich zwar, ich will dir's nur gestehen, dachte nicht, "wie du, Uli, und hätt' dich und mich nicht un- "glücklich geschätzt, wenn du dahingefahren wärst. "Denn, Ach! Grosse Kinder, grosse Sorgen! Unsre "Haushaltung ist überladen -- Ich hab' kein Ver- "mögen -- Keins von Euch kann noch sicher sein "Brodt gewinnen -- Du bist das Aelteste. Was "willst du nun anfangen? In der Stube hocken, und "mit der Baumwolle handthieren, seh ich wohl, "magst du nicht. Du wirst müssen tagmen*)".
*) An andern Orten der Schweitz tagwen, um den Tag- lohn Bauersknechten-Dienste verrichten.
lieſſen wie ſie, wie geſagt, karbatſchen. Aber zuletzt wollt’ uns auch dieſen Dienſt niemand mehr leiſten; denn jedermann fuͤrchtete ſich vor ihr, wie vor dem boͤſen Geiſt. Mit guten Worten kam man ihr ge- wiſſermaaſſen noch am leichteſten bey. Was indeſſen mir als die allerherbſte Pruͤfung vorkam, war dieſes: Daß ich und meine Geſchwiſter in ihrer Geſellſchaft mit Baumwollen-Kaͤmmen und Spinnen unſern Feyrabend machen mußten. Sobald aber der Som- mer anruͤckte, half ich mir damit, daß ich meine Arbeit, ſo viel’s immer die Witterung zuließ, auſ- ſer dem Haus verrichtete.
XXVIII. Jetzt Tagloͤhner.
„Danke deinem Schoͤpfer„! (ſagte inzwiſchen ei- nes Tags mein Vater zu mir) „Er hat dein Fle- „hen erhoͤrt, und dir von Neuem das Leben geſchenkt. „Ich zwar, ich will dir’s nur geſtehen, dachte nicht, „wie du, Uli, und haͤtt’ dich und mich nicht un- „gluͤcklich geſchaͤtzt, wenn du dahingefahren waͤrſt. „Denn, Ach! Groſſe Kinder, groſſe Sorgen! Unſre „Haushaltung iſt uͤberladen — Ich hab’ kein Ver- „moͤgen — Keins von Euch kann noch ſicher ſein „Brodt gewinnen — Du biſt das Aelteſte. Was „willſt du nun anfangen? In der Stube hocken, und „mit der Baumwolle handthieren, ſeh ich wohl, „magſt du nicht. Du wirſt muͤſſen tagmen*)„.
*) An andern Orten der Schweitz tagwen, um den Tag- lohn Bauersknechten-Dienſte verrichten.
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lieſſen wie ſie, wie geſagt, karbatſchen. Aber zuletzt
wollt’ uns auch dieſen Dienſt niemand mehr leiſten;
denn jedermann fuͤrchtete ſich vor ihr, wie vor dem
boͤſen Geiſt. Mit guten Worten kam man ihr ge-
wiſſermaaſſen noch am leichteſten bey. Was indeſſen
mir als die allerherbſte Pruͤfung vorkam, war dieſes:
Daß ich und meine Geſchwiſter in ihrer Geſellſchaft
mit Baumwollen-Kaͤmmen und Spinnen unſern
Feyrabend machen mußten. Sobald aber der Som-
mer anruͤckte, half ich mir damit, daß ich meine
Arbeit, ſo viel’s immer die Witterung zuließ, auſ-
ſer dem Haus verrichtete.
XXVIII.
Jetzt Tagloͤhner.
„Danke deinem Schoͤpfer„! (ſagte inzwiſchen ei-
nes Tags mein Vater zu mir) „Er hat dein Fle-
„hen erhoͤrt, und dir von Neuem das Leben geſchenkt.
„Ich zwar, ich will dir’s nur geſtehen, dachte nicht,
„wie du, Uli, und haͤtt’ dich und mich nicht un-
„gluͤcklich geſchaͤtzt, wenn du dahingefahren waͤrſt.
„Denn, Ach! Groſſe Kinder, groſſe Sorgen! Unſre
„Haushaltung iſt uͤberladen — Ich hab’ kein Ver-
„moͤgen — Keins von Euch kann noch ſicher ſein
„Brodt gewinnen — Du biſt das Aelteſte. Was
„willſt du nun anfangen? In der Stube hocken, und
„mit der Baumwolle handthieren, ſeh ich wohl,
„magſt du nicht. Du wirſt muͤſſen tagmen *)„.
*) An andern Orten der Schweitz tagwen, um den Tag-
lohn Bauersknechten-Dienſte verrichten.
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/74>, abgerufen am 22.07.2024.
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