Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

mocht' ich's kaum erwarten, bis wieder so ein Brief-
lin von meinem W. kam. Er war mir darin noch
viel lieber als in seinem persönlichen Umgang. So
dauerte es lange, bis einst ein unverschämter Nach-
bar allerley wüste Sachen über ihn aussprengte:
Denn, obschon ich's nicht glaubte, verringerte sich
nun (es ist doch wunderbar!) meine Zuneigung ge-
gen ihn von dem Augenblick an. Ein Paar Jahre
nachher (es war vielleicht ein Glück für uns beyde)
fiel er in eine Krankheit, und starb. -- Ein andrer
unsrer Nachbarn, H. hatte auch Kinder von meinem
Alter: Aber mit denen konnt' ich nichts; sie waren
mir zu witznasigt, arge Förschler und Frägler. --
Um diese Zeit gab mir Nachbar Joggli heimlich
um 3. Kr. eine Tabackspfeife zu kaufen, und lehrte
mich schmauchen. Lange mußt' ich's im Geheim
thun, bis einst ein Zahnweh mir den Vorwand ver-
schaffte, es von dieser Zeit an öffentlich zu treiben.
Und, o der Thorheit! darauf bildete ich mir nicht
wenig ein.

XXV.
Damalige häusliche Umstände.

Unterdessen war unsre Familie bis auf acht Kinder
angewachsen. Mein Vater stack je länger je tiefer
in Schulden, so daß er oft nicht wußte wo aus noch
an. Mir sagte er nichts; aber mit der Mutter hielt
er oft heimlich Rath. Davon hört' ich eines Tags
ein Paar Worte, und merkte nun die Sache so halb

mocht’ ich’s kaum erwarten, bis wieder ſo ein Brief-
lin von meinem W. kam. Er war mir darin noch
viel lieber als in ſeinem perſoͤnlichen Umgang. So
dauerte es lange, bis einſt ein unverſchaͤmter Nach-
bar allerley wuͤſte Sachen uͤber ihn ausſprengte:
Denn, obſchon ich’s nicht glaubte, verringerte ſich
nun (es iſt doch wunderbar!) meine Zuneigung ge-
gen ihn von dem Augenblick an. Ein Paar Jahre
nachher (es war vielleicht ein Gluͤck fuͤr uns beyde)
fiel er in eine Krankheit, und ſtarb. — Ein andrer
unſrer Nachbarn, H. hatte auch Kinder von meinem
Alter: Aber mit denen konnt’ ich nichts; ſie waren
mir zu witznaſigt, arge Foͤrſchler und Fraͤgler. —
Um dieſe Zeit gab mir Nachbar Joggli heimlich
um 3. Kr. eine Tabackspfeife zu kaufen, und lehrte
mich ſchmauchen. Lange mußt’ ich’s im Geheim
thun, bis einſt ein Zahnweh mir den Vorwand ver-
ſchaffte, es von dieſer Zeit an oͤffentlich zu treiben.
Und, o der Thorheit! darauf bildete ich mir nicht
wenig ein.

XXV.
Damalige haͤusliche Umſtaͤnde.

Unterdeſſen war unſre Familie bis auf acht Kinder
angewachſen. Mein Vater ſtack je laͤnger je tiefer
in Schulden, ſo daß er oft nicht wußte wo aus noch
an. Mir ſagte er nichts; aber mit der Mutter hielt
er oft heimlich Rath. Davon hoͤrt’ ich eines Tags
ein Paar Worte, und merkte nun die Sache ſo halb

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0066" n="50"/>
mocht&#x2019; ich&#x2019;s kaum erwarten, bis wieder &#x017F;o ein Brief-<lb/>
lin von meinem <hi rendition="#fr">W.</hi> kam. Er war mir darin noch<lb/>
viel lieber als in &#x017F;einem per&#x017F;o&#x0364;nlichen Umgang. So<lb/>
dauerte es lange, bis ein&#x017F;t ein unver&#x017F;cha&#x0364;mter Nach-<lb/>
bar allerley wu&#x0364;&#x017F;te Sachen u&#x0364;ber ihn aus&#x017F;prengte:<lb/>
Denn, ob&#x017F;chon ich&#x2019;s nicht glaubte, verringerte &#x017F;ich<lb/>
nun (es i&#x017F;t doch wunderbar!) meine Zuneigung ge-<lb/>
gen ihn von dem Augenblick an. Ein Paar Jahre<lb/>
nachher (es war vielleicht ein Glu&#x0364;ck fu&#x0364;r uns beyde)<lb/>
fiel er in eine Krankheit, und &#x017F;tarb. &#x2014; Ein andrer<lb/>
un&#x017F;rer Nachbarn, <hi rendition="#fr">H.</hi> hatte auch Kinder von meinem<lb/>
Alter: Aber mit denen konnt&#x2019; ich nichts; &#x017F;ie waren<lb/>
mir zu witzna&#x017F;igt, arge Fo&#x0364;r&#x017F;chler und Fra&#x0364;gler. &#x2014;<lb/>
Um die&#x017F;e Zeit gab mir Nachbar <hi rendition="#fr">Joggli</hi> heimlich<lb/>
um 3. Kr. eine Tabackspfeife zu kaufen, und lehrte<lb/>
mich &#x017F;chmauchen. Lange mußt&#x2019; ich&#x2019;s im Geheim<lb/>
thun, bis ein&#x017F;t ein Zahnweh mir den Vorwand ver-<lb/>
&#x017F;chaffte, es von die&#x017F;er Zeit an o&#x0364;ffentlich zu treiben.<lb/>
Und, o der Thorheit! darauf bildete ich mir nicht<lb/>
wenig ein.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">XXV</hi>.</hi><lb/><hi rendition="#fr">Damalige ha&#x0364;usliche Um&#x017F;ta&#x0364;nde</hi>.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">U</hi>nterde&#x017F;&#x017F;en war un&#x017F;re Familie bis auf acht Kinder<lb/>
angewach&#x017F;en. Mein Vater &#x017F;tack je la&#x0364;nger je tiefer<lb/>
in Schulden, &#x017F;o daß er oft nicht wußte wo aus noch<lb/>
an. Mir &#x017F;agte er nichts; aber mit der Mutter hielt<lb/>
er oft heimlich Rath. Davon ho&#x0364;rt&#x2019; ich eines Tags<lb/>
ein Paar Worte, und merkte nun die Sache &#x017F;o halb<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0066] mocht’ ich’s kaum erwarten, bis wieder ſo ein Brief- lin von meinem W. kam. Er war mir darin noch viel lieber als in ſeinem perſoͤnlichen Umgang. So dauerte es lange, bis einſt ein unverſchaͤmter Nach- bar allerley wuͤſte Sachen uͤber ihn ausſprengte: Denn, obſchon ich’s nicht glaubte, verringerte ſich nun (es iſt doch wunderbar!) meine Zuneigung ge- gen ihn von dem Augenblick an. Ein Paar Jahre nachher (es war vielleicht ein Gluͤck fuͤr uns beyde) fiel er in eine Krankheit, und ſtarb. — Ein andrer unſrer Nachbarn, H. hatte auch Kinder von meinem Alter: Aber mit denen konnt’ ich nichts; ſie waren mir zu witznaſigt, arge Foͤrſchler und Fraͤgler. — Um dieſe Zeit gab mir Nachbar Joggli heimlich um 3. Kr. eine Tabackspfeife zu kaufen, und lehrte mich ſchmauchen. Lange mußt’ ich’s im Geheim thun, bis einſt ein Zahnweh mir den Vorwand ver- ſchaffte, es von dieſer Zeit an oͤffentlich zu treiben. Und, o der Thorheit! darauf bildete ich mir nicht wenig ein. XXV. Damalige haͤusliche Umſtaͤnde. Unterdeſſen war unſre Familie bis auf acht Kinder angewachſen. Mein Vater ſtack je laͤnger je tiefer in Schulden, ſo daß er oft nicht wußte wo aus noch an. Mir ſagte er nichts; aber mit der Mutter hielt er oft heimlich Rath. Davon hoͤrt’ ich eines Tags ein Paar Worte, und merkte nun die Sache ſo halb

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/66
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/66>, abgerufen am 13.11.2024.