ten Grund dafür. Endlich fieng ich einfältiger Töl- pel an, mich wieder zu beruhigen; und machte aufs neue die Rechnung hinterm Wirth, was ich aus dem Bletz mit der Zeit vor Nutzen ziehen wollte -- als eines Tags mir die Kühe in mein Aeckerlein brachen, den jungen Saamen abfrassen, auch mein Holz eben damals keine Käufer fand, und mir fast alles liegen blieb. Solche gehäufte Unglücksstreiche nahmen mir nun mit Eins den Muth; ich überließ den ganzen Plunder wieder dem Vater, und bekam von ihm zur Entschädigung ein flanellenes Brusttuch.
XXII. O der unseligen Wißbegierde.
Ich bin in meinen Kinderjahren nur wenige Wochen in die Schule gegangen; bey Haus hingegen man- gelte es mir gar nicht an Lust, mich in mancherley unterweisen zu lassen. Das Auswendiglernen gab mir wenig Müh: Besonders übt' ich mich fleißig in der Bibel; konnte viele darinn enthaltene Geschich- ten aus dem Stegreif erzählen, und gab sonst über- haupt auf alles Achtung, was mein Wissen vermeh- ren konnte. Mein Vater las' auch gern etwas Hi- storisches oder Mystisches. Gerad um diese Zeit gieng ein Buch aus, der flüchtige Pater genannt. Er und unser Nachbar Haus vertrieben sich manche liebe Stunde damit, und glaubten an den darinn prophe- zeyten Fall des Antichrists, und die dem End der Welt vorgehnden nahen Strafgerichte, wie an's Evan-
ten Grund dafuͤr. Endlich fieng ich einfaͤltiger Toͤl- pel an, mich wieder zu beruhigen; und machte aufs neue die Rechnung hinterm Wirth, was ich aus dem Bletz mit der Zeit vor Nutzen ziehen wollte — als eines Tags mir die Kuͤhe in mein Aeckerlein brachen, den jungen Saamen abfraſſen, auch mein Holz eben damals keine Kaͤufer fand, und mir faſt alles liegen blieb. Solche gehaͤufte Ungluͤcksſtreiche nahmen mir nun mit Eins den Muth; ich uͤberließ den ganzen Plunder wieder dem Vater, und bekam von ihm zur Entſchaͤdigung ein flanellenes Bruſttuch.
XXII. O der unſeligen Wißbegierde.
Ich bin in meinen Kinderjahren nur wenige Wochen in die Schule gegangen; bey Haus hingegen man- gelte es mir gar nicht an Luſt, mich in mancherley unterweiſen zu laſſen. Das Auswendiglernen gab mir wenig Muͤh: Beſonders uͤbt’ ich mich fleißig in der Bibel; konnte viele darinn enthaltene Geſchich- ten aus dem Stegreif erzaͤhlen, und gab ſonſt uͤber- haupt auf alles Achtung, was mein Wiſſen vermeh- ren konnte. Mein Vater las’ auch gern etwas Hi- ſtoriſches oder Myſtiſches. Gerad um dieſe Zeit gieng ein Buch aus, der fluͤchtige Pater genannt. Er und unſer Nachbar Haus vertrieben ſich manche liebe Stunde damit, und glaubten an den darinn prophe- zeyten Fall des Antichriſts, und die dem End der Welt vorgehnden nahen Strafgerichte, wie an’s Evan-
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ten Grund dafuͤr. Endlich fieng ich einfaͤltiger Toͤl-
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neue die Rechnung hinterm Wirth, was ich aus dem
Bletz mit der Zeit vor Nutzen ziehen wollte — als
eines Tags mir die Kuͤhe in mein Aeckerlein brachen,
den jungen Saamen abfraſſen, auch mein Holz eben
damals keine Kaͤufer fand, und mir faſt alles liegen
blieb. Solche gehaͤufte Ungluͤcksſtreiche nahmen mir
nun mit Eins den Muth; ich uͤberließ den ganzen
Plunder wieder dem Vater, und bekam von ihm zur
Entſchaͤdigung ein flanellenes Bruſttuch.
XXII.
O der unſeligen Wißbegierde.
Ich bin in meinen Kinderjahren nur wenige Wochen
in die Schule gegangen; bey Haus hingegen man-
gelte es mir gar nicht an Luſt, mich in mancherley
unterweiſen zu laſſen. Das Auswendiglernen gab
mir wenig Muͤh: Beſonders uͤbt’ ich mich fleißig
in der Bibel; konnte viele darinn enthaltene Geſchich-
ten aus dem Stegreif erzaͤhlen, und gab ſonſt uͤber-
haupt auf alles Achtung, was mein Wiſſen vermeh-
ren konnte. Mein Vater las’ auch gern etwas Hi-
ſtoriſches oder Myſtiſches. Gerad um dieſe Zeit gieng
ein Buch aus, der fluͤchtige Pater genannt. Er
und unſer Nachbar Haus vertrieben ſich manche liebe
Stunde damit, und glaubten an den darinn prophe-
zeyten Fall des Antichriſts, und die dem End der
Welt vorgehnden nahen Strafgerichte, wie an’s Evan-
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/59>, abgerufen am 01.03.2025.
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