Das that mir Anfangs weh; doch macht' ich's bald mit. So geschwind konnten sie mich hinge- gen nicht überreden, schaamlos zu baden wie sie. Einer besonders war ein rechter Unflath; aber sonst weder streit- noch zanksüchtig, und darum nur desto verführerscher. Ein andrer war auf alles verpicht, womit er einen Batzen verdienen konnte; der liebte darum die Vögel mehr als die andern, die nämlich welche man ißt; suchte allerley Waldkräuter, Harz, Zunderschwamm, u. d. g. Von dem lernt' ich man- che Pflanze kennen; aber auch, was der Geitz ist. Noch einer war etwas besser als die schlimmern; er machte mit, aber furchtsam. Jedem gieng sein Hang sein Lebenlang nach. Jacoble ist noch ein guter Mann; der andre blieb immer ein geiler Schwä- tzer, und ward zuletzt ein miserabler hinkender Tropf; der dritte hatte mit List und Ränken etwas erwor- ben, aber nie kein Glück dabey. Vom Vierten weiß ich nicht wo er hinkommen ist.
XX. Neue sonderbare Gemüthslage, und End des Hirtenstands.
Daheim durft' ich nichts merken lassen von dem, was ich bey diesen Cameraden sah' und hörte; ge- noß aber nicht mehr meine vorige Fröhlichkeit und Gemüthsruhe. Die Kerls hatten Leidenschaften in mir rege gemacht, die ich noch selbst nicht kannte -- und doch merkte, daß es nicht richtig stuhnd. Im
Das that mir Anfangs weh; doch macht’ ich’s bald mit. So geſchwind konnten ſie mich hinge- gen nicht uͤberreden, ſchaamlos zu baden wie ſie. Einer beſonders war ein rechter Unflath; aber ſonſt weder ſtreit- noch zankſuͤchtig, und darum nur deſto verfuͤhrerſcher. Ein andrer war auf alles verpicht, womit er einen Batzen verdienen konnte; der liebte darum die Voͤgel mehr als die andern, die naͤmlich welche man ißt; ſuchte allerley Waldkraͤuter, Harz, Zunderſchwamm, u. d. g. Von dem lernt’ ich man- che Pflanze kennen; aber auch, was der Geitz iſt. Noch einer war etwas beſſer als die ſchlimmern; er machte mit, aber furchtſam. Jedem gieng ſein Hang ſein Lebenlang nach. Jacoble iſt noch ein guter Mann; der andre blieb immer ein geiler Schwaͤ- tzer, und ward zuletzt ein miſerabler hinkender Tropf; der dritte hatte mit Liſt und Raͤnken etwas erwor- ben, aber nie kein Gluͤck dabey. Vom Vierten weiß ich nicht wo er hinkommen iſt.
XX. Neue ſonderbare Gemuͤthslage, und End des Hirtenſtands.
Daheim durft’ ich nichts merken laſſen von dem, was ich bey dieſen Cameraden ſah’ und hoͤrte; ge- noß aber nicht mehr meine vorige Froͤhlichkeit und Gemuͤthsruhe. Die Kerls hatten Leidenſchaften in mir rege gemacht, die ich noch ſelbſt nicht kannte — und doch merkte, daß es nicht richtig ſtuhnd. Im
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbn="37"facs="#f0053"/>
Das that mir Anfangs weh; doch macht’ ich’s<lb/>
bald mit. So geſchwind konnten ſie mich hinge-<lb/>
gen nicht uͤberreden, ſchaamlos zu baden wie ſie.<lb/>
Einer beſonders war ein rechter Unflath; aber ſonſt<lb/>
weder ſtreit- noch zankſuͤchtig, und darum nur deſto<lb/>
verfuͤhrerſcher. Ein andrer war auf alles verpicht,<lb/>
womit er einen Batzen verdienen konnte; der liebte<lb/>
darum die Voͤgel mehr als die andern, die naͤmlich<lb/>
welche man ißt; ſuchte allerley Waldkraͤuter, Harz,<lb/>
Zunderſchwamm, u. d. g. Von dem lernt’ ich man-<lb/>
che Pflanze kennen; aber auch, was der Geitz iſt.<lb/>
Noch einer war etwas beſſer als die ſchlimmern;<lb/>
er machte mit, aber furchtſam. Jedem gieng ſein<lb/>
Hang ſein Lebenlang nach. <hirendition="#fr">Jacoble</hi> iſt noch ein<lb/>
guter Mann; der andre blieb immer ein geiler Schwaͤ-<lb/>
tzer, und ward zuletzt ein miſerabler hinkender Tropf;<lb/>
der dritte hatte mit Liſt und Raͤnken etwas erwor-<lb/>
ben, aber nie kein Gluͤck dabey. Vom Vierten weiß<lb/>
ich nicht wo er hinkommen iſt.</p></div><lb/><divn="1"><head><hirendition="#aq"><hirendition="#g">XX</hi>.</hi><lb/><hirendition="#fr">Neue ſonderbare Gemuͤthslage, und<lb/>
End des Hirtenſtands</hi>.</head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>aheim durft’ ich nichts merken laſſen von dem,<lb/>
was ich bey dieſen Cameraden ſah’ und hoͤrte; ge-<lb/>
noß aber nicht mehr meine vorige Froͤhlichkeit und<lb/>
Gemuͤthsruhe. Die Kerls hatten Leidenſchaften in<lb/>
mir rege gemacht, die ich noch ſelbſt nicht kannte —<lb/>
und doch merkte, daß es nicht richtig ſtuhnd. Im<lb/></p></div></body></text></TEI>
[37/0053]
Das that mir Anfangs weh; doch macht’ ich’s
bald mit. So geſchwind konnten ſie mich hinge-
gen nicht uͤberreden, ſchaamlos zu baden wie ſie.
Einer beſonders war ein rechter Unflath; aber ſonſt
weder ſtreit- noch zankſuͤchtig, und darum nur deſto
verfuͤhrerſcher. Ein andrer war auf alles verpicht,
womit er einen Batzen verdienen konnte; der liebte
darum die Voͤgel mehr als die andern, die naͤmlich
welche man ißt; ſuchte allerley Waldkraͤuter, Harz,
Zunderſchwamm, u. d. g. Von dem lernt’ ich man-
che Pflanze kennen; aber auch, was der Geitz iſt.
Noch einer war etwas beſſer als die ſchlimmern;
er machte mit, aber furchtſam. Jedem gieng ſein
Hang ſein Lebenlang nach. Jacoble iſt noch ein
guter Mann; der andre blieb immer ein geiler Schwaͤ-
tzer, und ward zuletzt ein miſerabler hinkender Tropf;
der dritte hatte mit Liſt und Raͤnken etwas erwor-
ben, aber nie kein Gluͤck dabey. Vom Vierten weiß
ich nicht wo er hinkommen iſt.
XX.
Neue ſonderbare Gemuͤthslage, und
End des Hirtenſtands.
Daheim durft’ ich nichts merken laſſen von dem,
was ich bey dieſen Cameraden ſah’ und hoͤrte; ge-
noß aber nicht mehr meine vorige Froͤhlichkeit und
Gemuͤthsruhe. Die Kerls hatten Leidenſchaften in
mir rege gemacht, die ich noch ſelbſt nicht kannte —
und doch merkte, daß es nicht richtig ſtuhnd. Im
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/53>, abgerufen am 01.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.