Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

beypfiffen. Oft stieg ich einem Wälschtraubenknöpfli,
Frauenschühlin, oder andern Blümchen über Klippen
nach, daß es eine halsbrechende Arbeit war. Wie-
der zündete ich grosse, halbverdorrte Tannen von un-
ten an, die bisweilen acht bis zehen Tag an einan-
der fortbrannten, bis sie fielen. Alle Morgen und
Abend sah ich dann nach, wie's mit ihnen stuhnd.
Einst hätte mich eine maustodt schlagen können:
Denn indem ich meine Geissen forttrieb, daß sie nicht
getroffen würden, krachte sie hart an mir iu Stü-
cken zusammen. -- So viele Gefahren drohten mir
während meinem Hirtenstand mehrmal, Leibs und
Lebens verlurstig zu werden, ohne daß ich's viel ach-
tete, oder doch alles bald wieder vergaß, und leyder
damals nie daran dachte, daß du allein es warst,
mein unendlich guter himmlischer Vater und Erhal-
ter! der in den Winkeln einöder Wüste die Raben
nährt, und auch Sorge für mein junges Leben trug.

XIX.
Kameradschaft
.

Mein Vater hatte bisweilen aus der Gaißmilch
Käse gemacht, bisweilen Kälber gesäugt, und seine
Wiesen mit dem Mist geäufnet. Dieß reitzte unsre
Nachbarn, daß ihrer Vier auch Gaissen anschaften,
und beym Kloster um Erlaubniß baten, ebenfalls im
Kohlwald hüten zu dürfen. Da gab's nun Kame-
radschaft. Unser drey oder vier Gaißbuben kamen
alle Tag zusammen. Ich will nicht sagen, ob ich

beypfiffen. Oft ſtieg ich einem Waͤlſchtraubenknoͤpfli,
Frauenſchuͤhlin, oder andern Bluͤmchen uͤber Klippen
nach, daß es eine halsbrechende Arbeit war. Wie-
der zuͤndete ich groſſe, halbverdorrte Tannen von un-
ten an, die bisweilen acht bis zehen Tag an einan-
der fortbrannten, bis ſie fielen. Alle Morgen und
Abend ſah ich dann nach, wie’s mit ihnen ſtuhnd.
Einſt haͤtte mich eine maustodt ſchlagen koͤnnen:
Denn indem ich meine Geiſſen forttrieb, daß ſie nicht
getroffen wuͤrden, krachte ſie hart an mir iu Stuͤ-
cken zuſammen. — So viele Gefahren drohten mir
waͤhrend meinem Hirtenſtand mehrmal, Leibs und
Lebens verlurſtig zu werden, ohne daß ich’s viel ach-
tete, oder doch alles bald wieder vergaß, und leyder
damals nie daran dachte, daß du allein es warſt,
mein unendlich guter himmliſcher Vater und Erhal-
ter! der in den Winkeln einoͤder Wuͤſte die Raben
naͤhrt, und auch Sorge fuͤr mein junges Leben trug.

XIX.
Kameradſchaft
.

Mein Vater hatte bisweilen aus der Gaißmilch
Kaͤſe gemacht, bisweilen Kaͤlber geſaͤugt, und ſeine
Wieſen mit dem Miſt geaͤufnet. Dieß reitzte unſre
Nachbarn, daß ihrer Vier auch Gaiſſen anſchaften,
und beym Kloſter um Erlaubniß baten, ebenfalls im
Kohlwald huͤten zu duͤrfen. Da gab’s nun Kame-
radſchaft. Unſer drey oder vier Gaißbuben kamen
alle Tag zuſammen. Ich will nicht ſagen, ob ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051" n="35"/>
beypfiffen. Oft &#x017F;tieg ich einem Wa&#x0364;l&#x017F;chtraubenkno&#x0364;pfli,<lb/>
Frauen&#x017F;chu&#x0364;hlin, oder andern Blu&#x0364;mchen u&#x0364;ber Klippen<lb/>
nach, daß es eine halsbrechende Arbeit war. Wie-<lb/>
der zu&#x0364;ndete ich gro&#x017F;&#x017F;e, halbverdorrte Tannen von un-<lb/>
ten an, die bisweilen acht bis zehen Tag an einan-<lb/>
der fortbrannten, bis &#x017F;ie fielen. Alle Morgen und<lb/>
Abend &#x017F;ah ich dann nach, wie&#x2019;s mit ihnen &#x017F;tuhnd.<lb/>
Ein&#x017F;t ha&#x0364;tte mich eine maustodt &#x017F;chlagen ko&#x0364;nnen:<lb/>
Denn indem ich meine Gei&#x017F;&#x017F;en forttrieb, daß &#x017F;ie nicht<lb/>
getroffen wu&#x0364;rden, krachte &#x017F;ie hart an mir iu Stu&#x0364;-<lb/>
cken zu&#x017F;ammen. &#x2014; So viele Gefahren drohten mir<lb/>
wa&#x0364;hrend meinem Hirten&#x017F;tand mehrmal, Leibs und<lb/>
Lebens verlur&#x017F;tig zu werden, ohne daß ich&#x2019;s viel ach-<lb/>
tete, oder doch alles bald wieder vergaß, und leyder<lb/>
damals nie daran dachte, daß du allein es war&#x017F;t,<lb/>
mein unendlich guter himmli&#x017F;cher Vater und Erhal-<lb/>
ter! der in den Winkeln eino&#x0364;der Wu&#x0364;&#x017F;te die Raben<lb/>
na&#x0364;hrt, und auch Sorge fu&#x0364;r mein <choice><sic>iunges</sic><corr>junges</corr></choice> Leben trug.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">XIX.</hi><lb/><hi rendition="#fr">Kamerad&#x017F;chaft</hi></hi>.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">M</hi>ein Vater hatte bisweilen aus der Gaißmilch<lb/>
Ka&#x0364;&#x017F;e gemacht, bisweilen Ka&#x0364;lber ge&#x017F;a&#x0364;ugt, und &#x017F;eine<lb/>
Wie&#x017F;en mit dem Mi&#x017F;t gea&#x0364;ufnet. Dieß reitzte un&#x017F;re<lb/>
Nachbarn, daß ihrer Vier auch Gai&#x017F;&#x017F;en an&#x017F;chaften,<lb/>
und beym Klo&#x017F;ter um Erlaubniß baten, ebenfalls im<lb/><hi rendition="#fr">Kohlwald</hi> hu&#x0364;ten zu du&#x0364;rfen. Da gab&#x2019;s nun Kame-<lb/>
rad&#x017F;chaft. Un&#x017F;er drey oder vier Gaißbuben kamen<lb/>
alle Tag zu&#x017F;ammen. Ich will nicht &#x017F;agen, ob ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0051] beypfiffen. Oft ſtieg ich einem Waͤlſchtraubenknoͤpfli, Frauenſchuͤhlin, oder andern Bluͤmchen uͤber Klippen nach, daß es eine halsbrechende Arbeit war. Wie- der zuͤndete ich groſſe, halbverdorrte Tannen von un- ten an, die bisweilen acht bis zehen Tag an einan- der fortbrannten, bis ſie fielen. Alle Morgen und Abend ſah ich dann nach, wie’s mit ihnen ſtuhnd. Einſt haͤtte mich eine maustodt ſchlagen koͤnnen: Denn indem ich meine Geiſſen forttrieb, daß ſie nicht getroffen wuͤrden, krachte ſie hart an mir iu Stuͤ- cken zuſammen. — So viele Gefahren drohten mir waͤhrend meinem Hirtenſtand mehrmal, Leibs und Lebens verlurſtig zu werden, ohne daß ich’s viel ach- tete, oder doch alles bald wieder vergaß, und leyder damals nie daran dachte, daß du allein es warſt, mein unendlich guter himmliſcher Vater und Erhal- ter! der in den Winkeln einoͤder Wuͤſte die Raben naͤhrt, und auch Sorge fuͤr mein junges Leben trug. XIX. Kameradſchaft. Mein Vater hatte bisweilen aus der Gaißmilch Kaͤſe gemacht, bisweilen Kaͤlber geſaͤugt, und ſeine Wieſen mit dem Miſt geaͤufnet. Dieß reitzte unſre Nachbarn, daß ihrer Vier auch Gaiſſen anſchaften, und beym Kloſter um Erlaubniß baten, ebenfalls im Kohlwald huͤten zu duͤrfen. Da gab’s nun Kame- radſchaft. Unſer drey oder vier Gaißbuben kamen alle Tag zuſammen. Ich will nicht ſagen, ob ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/51
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/51>, abgerufen am 30.12.2024.