auch gäher und räucher. Holz und Stroh giebt's ge- nug. Hinterm Haus ist ein Sonnenrain, wo's den Schnee wegbläst, der hingegen an einem Schatten- rain vor dem Haus im Frühjahr oft noch liegen bleibt, wenn's an jenem schon Gras und Schmalzblumen hat. Am frühsten und am späthsten Ort auf dem Gut trift's wohl 4. Wochen an.
XIV. Der Geißbube.
Ja! Ja! sagte jetzt eines Tags mein Vater: Der Bub wächst, wenn er nur nicht so ein Narr wäre, ein verzweifelter Lappe; auch gar kein Hirn. Sobald er an die Arbeit muß, weißt er nicht mehr was er thut. Aber von nun an muß er mir die Geissen hü- ten, so kann ich den Geißbub abschaffen. -- Ach! sagte meine Mutter, so kommst du um Geissen und Bub. Nein! Nein! Er ist noch zu jung. -- Was jung? sagte der Vater: Ich will es drauf wagen, er lernt's nie jünger; die Geissen werden ihn schon lehren; sie sind oft witziger als die Buben. Ich weiß sonst doch nichts mit ihm anzufangen.
Mutter. Ach! was wird mir das für Sorg' und Kummer machen. Sinn' ihm auch nach! Einen so jungen Bub mit einem Fasel Geissen in den wilden einöden Kohlwald schicken, wo ihm weder Steg noch Weg bekannt sind, und's so gräßliche Töbler hat. Und wer weiß, was vor Thier sich dort aufhalten, und was vor schreckliches Wetter einfallen kann?
auch gaͤher und raͤucher. Holz und Stroh giebt’s ge- nug. Hinterm Haus iſt ein Sonnenrain, wo’s den Schnee wegblaͤst, der hingegen an einem Schatten- rain vor dem Haus im Fruͤhjahr oft noch liegen bleibt, wenn’s an jenem ſchon Gras und Schmalzblumen hat. Am fruͤhſten und am ſpaͤthſten Ort auf dem Gut trift’s wohl 4. Wochen an.
XIV. Der Geißbube.
Ja! Ja! ſagte jetzt eines Tags mein Vater: Der Bub waͤchst, wenn er nur nicht ſo ein Narr waͤre, ein verzweifelter Lappe; auch gar kein Hirn. Sobald er an die Arbeit muß, weißt er nicht mehr was er thut. Aber von nun an muß er mir die Geiſſen huͤ- ten, ſo kann ich den Geißbub abſchaffen. — Ach! ſagte meine Mutter, ſo kommſt du um Geiſſen und Bub. Nein! Nein! Er iſt noch zu jung. — Was jung? ſagte der Vater: Ich will es drauf wagen, er lernt’s nie juͤnger; die Geiſſen werden ihn ſchon lehren; ſie ſind oft witziger als die Buben. Ich weiß ſonſt doch nichts mit ihm anzufangen.
Mutter. Ach! was wird mir das fuͤr Sorg’ und Kummer machen. Sinn’ ihm auch nach! Einen ſo jungen Bub mit einem Faſel Geiſſen in den wilden einoͤden Kohlwald ſchicken, wo ihm weder Steg noch Weg bekannt ſind, und’s ſo graͤßliche Toͤbler hat. Und wer weiß, was vor Thier ſich dort aufhalten, und was vor ſchreckliches Wetter einfallen kann?
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auch gaͤher und raͤucher. Holz und Stroh giebt’s ge-
nug. Hinterm Haus iſt ein Sonnenrain, wo’s den
Schnee wegblaͤst, der hingegen an einem Schatten-
rain vor dem Haus im Fruͤhjahr oft noch liegen bleibt,
wenn’s an jenem ſchon Gras und Schmalzblumen hat.
Am fruͤhſten und am ſpaͤthſten Ort auf dem Gut
trift’s wohl 4. Wochen an.
XIV.
Der Geißbube.
Ja! Ja! ſagte jetzt eines Tags mein Vater: Der
Bub waͤchst, wenn er nur nicht ſo ein Narr waͤre,
ein verzweifelter Lappe; auch gar kein Hirn. Sobald
er an die Arbeit muß, weißt er nicht mehr was er
thut. Aber von nun an muß er mir die Geiſſen huͤ-
ten, ſo kann ich den Geißbub abſchaffen. — Ach!
ſagte meine Mutter, ſo kommſt du um Geiſſen und
Bub. Nein! Nein! Er iſt noch zu jung. — Was
jung? ſagte der Vater: Ich will es drauf wagen,
er lernt’s nie juͤnger; die Geiſſen werden ihn ſchon
lehren; ſie ſind oft witziger als die Buben. Ich weiß
ſonſt doch nichts mit ihm anzufangen.
Mutter. Ach! was wird mir das fuͤr Sorg’ und
Kummer machen. Sinn’ ihm auch nach! Einen ſo
jungen Bub mit einem Faſel Geiſſen in den wilden
einoͤden Kohlwald ſchicken, wo ihm weder Steg noch
Weg bekannt ſind, und’s ſo graͤßliche Toͤbler hat.
Und wer weiß, was vor Thier ſich dort aufhalten,
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/39>, abgerufen am 01.03.2025.
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