Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

ordnung. Zur Linken endlich sah ich Weinberge,
Büsche, Wäldchen, nur hie und da einzelne Men-
schen, Preussen, Panduren, Husaren, und von
diesen mehr Todte und Verwundete als Lebende. Da,
da, auf diese Seite, dacht' ich; sonst ist's pur lau-
tere Unmöglichkeit!

LVI.
Das heißt -- wo nicht mit Ehren gefoch-
ten -- doch glücklich entronnen
.

Ich schlich also zuerst mit langsamem Marsch ein
wenig auf diese linke Seite, die Reben durch. Noch
eilten etliche Preussen bey mir vorbey: "Komm',
"komm', Bruder"! sagten sie: "Viktoria"! Ich
rispostirte kein Wort, that nur ein wenig blessiert,
und gieng immer noch allgemach fort, freylich mit
Furcht und Zittern. Sobald ich mich indessen so
weit entfernt hatte, daß mich niemand mehr sehen
mochte, verdoppelte, verdrey-vier-fünf-sechsfachte
ich meine Schrite, blickte rechts und links wie ein
Jäger, sah noch von Weitem -- zum letzten Mal
in meinem Leben -- morden und todtschlagen; strich
dann in vollem Galopp ein Gehölze vorbey, das voll
todter Husaren, Panduren und Pferde lag; rannte
Eines Rennens gerade dem Fluß nach herunter, und
stand jetzt an einem Tobel. Jenseits desselben ka-
men so eben auch etliche Kaiserliche Soldaten an-
gestochen, die sich gleichfalls aus der Schlacht weg-
gestohlen hatten, und schlugen, als sie mich so da-

ordnung. Zur Linken endlich ſah ich Weinberge,
Buͤſche, Waͤldchen, nur hie und da einzelne Men-
ſchen, Preuſſen, Panduren, Huſaren, und von
dieſen mehr Todte und Verwundete als Lebende. Da,
da, auf dieſe Seite, dacht’ ich; ſonſt iſt’s pur lau-
tere Unmoͤglichkeit!

LVI.
Das heißt — wo nicht mit Ehren gefoch-
ten — doch gluͤcklich entronnen
.

Ich ſchlich alſo zuerſt mit langſamem Marſch ein
wenig auf dieſe linke Seite, die Reben durch. Noch
eilten etliche Preuſſen bey mir vorbey: „Komm’,
„komm’, Bruder“! ſagten ſie: „Viktoria„! Ich
riſpoſtirte kein Wort, that nur ein wenig bleſſiert,
und gieng immer noch allgemach fort, freylich mit
Furcht und Zittern. Sobald ich mich indeſſen ſo
weit entfernt hatte, daß mich niemand mehr ſehen
mochte, verdoppelte, verdrey-vier-fuͤnf-ſechsfachte
ich meine Schrite, blickte rechts und links wie ein
Jaͤger, ſah noch von Weitem — zum letzten Mal
in meinem Leben — morden und todtſchlagen; ſtrich
dann in vollem Galopp ein Gehoͤlze vorbey, das voll
todter Huſaren, Panduren und Pferde lag; rannte
Eines Rennens gerade dem Fluß nach herunter, und
ſtand jetzt an einem Tobel. Jenſeits deſſelben ka-
men ſo eben auch etliche Kaiſerliche Soldaten an-
geſtochen, die ſich gleichfalls aus der Schlacht weg-
geſtohlen hatten, und ſchlugen, als ſie mich ſo da-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="156"/>
ordnung. Zur Linken endlich &#x017F;ah ich Weinberge,<lb/>
Bu&#x0364;&#x017F;che, Wa&#x0364;ldchen, nur hie und da einzelne Men-<lb/>
&#x017F;chen, <hi rendition="#fr">Preu&#x017F;&#x017F;en</hi>, Panduren, Hu&#x017F;aren, und von<lb/>
die&#x017F;en mehr Todte und Verwundete als Lebende. Da,<lb/>
da, auf die&#x017F;e Seite, dacht&#x2019; ich; &#x017F;on&#x017F;t i&#x017F;t&#x2019;s pur lau-<lb/>
tere Unmo&#x0364;glichkeit!</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">LVI.</hi></hi><lb/><hi rendition="#fr">Das heißt &#x2014; wo nicht mit Ehren gefoch-<lb/>
ten &#x2014; doch glu&#x0364;cklich entronnen</hi>.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">I</hi>ch &#x017F;chlich al&#x017F;o zuer&#x017F;t mit lang&#x017F;amem Mar&#x017F;ch ein<lb/>
wenig auf die&#x017F;e linke Seite, die Reben durch. Noch<lb/>
eilten etliche <hi rendition="#fr">Preu&#x017F;&#x017F;en</hi> bey mir vorbey: &#x201E;Komm&#x2019;,<lb/>
&#x201E;komm&#x2019;, Bruder&#x201C;! &#x017F;agten &#x017F;ie: &#x201E;Viktoria&#x201E;! Ich<lb/>
ri&#x017F;po&#x017F;tirte kein Wort, that nur ein wenig ble&#x017F;&#x017F;iert,<lb/>
und gieng immer noch allgemach fort, freylich mit<lb/>
Furcht und Zittern. Sobald ich mich inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;o<lb/>
weit entfernt hatte, daß mich niemand mehr &#x017F;ehen<lb/>
mochte, verdoppelte, verdrey-vier-fu&#x0364;nf-&#x017F;echsfachte<lb/>
ich meine Schrite, blickte rechts und links wie ein<lb/>
Ja&#x0364;ger, &#x017F;ah noch von Weitem &#x2014; zum letzten Mal<lb/>
in meinem Leben &#x2014; morden und todt&#x017F;chlagen; &#x017F;trich<lb/>
dann in vollem Galopp ein Geho&#x0364;lze vorbey, das voll<lb/>
todter Hu&#x017F;aren, Panduren und Pferde lag; rannte<lb/>
Eines Rennens gerade dem Fluß nach herunter, und<lb/>
&#x017F;tand jetzt an einem Tobel. Jen&#x017F;eits de&#x017F;&#x017F;elben ka-<lb/>
men &#x017F;o eben auch etliche <hi rendition="#fr">Kai&#x017F;erliche</hi> Soldaten an-<lb/>
ge&#x017F;tochen, die &#x017F;ich gleichfalls aus der Schlacht weg-<lb/>
ge&#x017F;tohlen hatten, und &#x017F;chlugen, als &#x017F;ie mich &#x017F;o da-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0172] ordnung. Zur Linken endlich ſah ich Weinberge, Buͤſche, Waͤldchen, nur hie und da einzelne Men- ſchen, Preuſſen, Panduren, Huſaren, und von dieſen mehr Todte und Verwundete als Lebende. Da, da, auf dieſe Seite, dacht’ ich; ſonſt iſt’s pur lau- tere Unmoͤglichkeit! LVI. Das heißt — wo nicht mit Ehren gefoch- ten — doch gluͤcklich entronnen. Ich ſchlich alſo zuerſt mit langſamem Marſch ein wenig auf dieſe linke Seite, die Reben durch. Noch eilten etliche Preuſſen bey mir vorbey: „Komm’, „komm’, Bruder“! ſagten ſie: „Viktoria„! Ich riſpoſtirte kein Wort, that nur ein wenig bleſſiert, und gieng immer noch allgemach fort, freylich mit Furcht und Zittern. Sobald ich mich indeſſen ſo weit entfernt hatte, daß mich niemand mehr ſehen mochte, verdoppelte, verdrey-vier-fuͤnf-ſechsfachte ich meine Schrite, blickte rechts und links wie ein Jaͤger, ſah noch von Weitem — zum letzten Mal in meinem Leben — morden und todtſchlagen; ſtrich dann in vollem Galopp ein Gehoͤlze vorbey, das voll todter Huſaren, Panduren und Pferde lag; rannte Eines Rennens gerade dem Fluß nach herunter, und ſtand jetzt an einem Tobel. Jenſeits deſſelben ka- men ſo eben auch etliche Kaiſerliche Soldaten an- geſtochen, die ſich gleichfalls aus der Schlacht weg- geſtohlen hatten, und ſchlugen, als ſie mich ſo da-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/172
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/172>, abgerufen am 30.12.2024.