Ich denke heute wie ich gestern dachte: es giebt keine Ehre mehr, weder im Volke noch in den Regierungen. Diese Münze der Tugend ist ganz verschwunden und dahin ist es gekommen, daß wer noch einen Theil von ihr besitzt, sie verstecken muß, daß er nicht beraubt und mishandelt werde. Das Verderben ist alt, nur seine Offenbarung ist neu; früher schlich es im Dunkeln, jetzt wandelt es frech am hellen Tage umher. So lange das monarchische Prinzip seine tägliche Sättigung fand, war es zahm und mild; jetzt da ihm oft die Nahrung mangelt, zeigt es seine angeborne wilde Natur, und geht wie ein reißendes Thier auf Beute aus. Die Fürsten sind eine Art höllische Berggeister, die in den Schacht des menschlichen Herzens hinabsteigen, dort das Erz vom Golde reinigen, das Gold mit Füßen treten und die Schlacke zu Tage fördern. Wo sie einen Gang der Tugend finden, wird er verschüttet, wo eine Ader der Leidenschaft, wird sie bearbeitet und
Dienſtag, den 5. März.
Ich denke heute wie ich geſtern dachte: es giebt keine Ehre mehr, weder im Volke noch in den Regierungen. Dieſe Münze der Tugend iſt ganz verſchwunden und dahin iſt es gekommen, daß wer noch einen Theil von ihr beſitzt, ſie verſtecken muß, daß er nicht beraubt und mishandelt werde. Das Verderben iſt alt, nur ſeine Offenbarung iſt neu; früher ſchlich es im Dunkeln, jetzt wandelt es frech am hellen Tage umher. So lange das monarchiſche Prinzip ſeine tägliche Sättigung fand, war es zahm und mild; jetzt da ihm oft die Nahrung mangelt, zeigt es ſeine angeborne wilde Natur, und geht wie ein reißendes Thier auf Beute aus. Die Fürſten ſind eine Art hölliſche Berggeiſter, die in den Schacht des menſchlichen Herzens hinabſteigen, dort das Erz vom Golde reinigen, das Gold mit Füßen treten und die Schlacke zu Tage fördern. Wo ſie einen Gang der Tugend finden, wird er verſchüttet, wo eine Ader der Leidenſchaft, wird ſie bearbeitet und
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Dienſtag, den 5. März.
Ich denke heute wie ich geſtern dachte: es giebt
keine Ehre mehr, weder im Volke noch in den
Regierungen. Dieſe Münze der Tugend iſt ganz
verſchwunden und dahin iſt es gekommen, daß wer
noch einen Theil von ihr beſitzt, ſie verſtecken muß,
daß er nicht beraubt und mishandelt werde. Das
Verderben iſt alt, nur ſeine Offenbarung iſt neu;
früher ſchlich es im Dunkeln, jetzt wandelt es frech
am hellen Tage umher. So lange das monarchiſche
Prinzip ſeine tägliche Sättigung fand, war es zahm
und mild; jetzt da ihm oft die Nahrung mangelt,
zeigt es ſeine angeborne wilde Natur, und geht wie
ein reißendes Thier auf Beute aus. Die Fürſten
ſind eine Art hölliſche Berggeiſter, die in den Schacht
des menſchlichen Herzens hinabſteigen, dort das Erz
vom Golde reinigen, das Gold mit Füßen treten
und die Schlacke zu Tage fördern. Wo ſie einen
Gang der Tugend finden, wird er verſchüttet, wo
eine Ader der Leidenſchaft, wird ſie bearbeitet und
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/206>, abgerufen am 16.07.2024.
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