Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.Dienstag, den 5. März. Ich denke heute wie ich gestern dachte: es giebt Dienſtag, den 5. März. Ich denke heute wie ich geſtern dachte: es giebt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0206" n="194"/> <div> <dateline rendition="#right">Dienſtag, den 5. März.</dateline><lb/> <p>Ich denke heute wie ich geſtern dachte: es giebt<lb/> keine Ehre mehr, weder im Volke noch in den<lb/> Regierungen. Dieſe Münze der Tugend iſt ganz<lb/> verſchwunden und dahin iſt es gekommen, daß wer<lb/> noch einen Theil von ihr beſitzt, ſie verſtecken muß,<lb/> daß er nicht beraubt und mishandelt werde. Das<lb/> Verderben iſt alt, nur ſeine Offenbarung iſt neu;<lb/> früher ſchlich es im Dunkeln, jetzt wandelt es frech<lb/> am hellen Tage umher. So lange das monarchiſche<lb/> Prinzip ſeine tägliche Sättigung fand, war es zahm<lb/> und mild; jetzt da ihm oft die Nahrung mangelt,<lb/> zeigt es ſeine angeborne wilde Natur, und geht wie<lb/> ein reißendes Thier auf Beute aus. Die Fürſten<lb/> ſind eine Art hölliſche Berggeiſter, die in den Schacht<lb/> des menſchlichen Herzens hinabſteigen, dort das Erz<lb/> vom Golde <hi rendition="#g">reinigen</hi>, das Gold mit Füßen treten<lb/> und die Schlacke zu Tage fördern. Wo ſie einen<lb/> Gang der Tugend finden, wird er verſchüttet, wo<lb/> eine Ader der Leidenſchaft, wird ſie bearbeitet und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [194/0206]
Dienſtag, den 5. März.
Ich denke heute wie ich geſtern dachte: es giebt
keine Ehre mehr, weder im Volke noch in den
Regierungen. Dieſe Münze der Tugend iſt ganz
verſchwunden und dahin iſt es gekommen, daß wer
noch einen Theil von ihr beſitzt, ſie verſtecken muß,
daß er nicht beraubt und mishandelt werde. Das
Verderben iſt alt, nur ſeine Offenbarung iſt neu;
früher ſchlich es im Dunkeln, jetzt wandelt es frech
am hellen Tage umher. So lange das monarchiſche
Prinzip ſeine tägliche Sättigung fand, war es zahm
und mild; jetzt da ihm oft die Nahrung mangelt,
zeigt es ſeine angeborne wilde Natur, und geht wie
ein reißendes Thier auf Beute aus. Die Fürſten
ſind eine Art hölliſche Berggeiſter, die in den Schacht
des menſchlichen Herzens hinabſteigen, dort das Erz
vom Golde reinigen, das Gold mit Füßen treten
und die Schlacke zu Tage fördern. Wo ſie einen
Gang der Tugend finden, wird er verſchüttet, wo
eine Ader der Leidenſchaft, wird ſie bearbeitet und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |