..... Die öffentliche Meinung ist zu ihrer frühern Ansicht von dem Vater des Wunderkindes von Blaye zurückgekehrt. Die drei Könige welche die gebenedeite Prinzessin begrüßten, kamen wirklich aus dem Morgenlande, und der heilige Geist war ihr Landsmann. Als der schändliche Deutz die Herzogin verrieth, rief sie, sich selbst noch schlimmer verrathend aus: Le miserable! Je lui ai donne plus que ma vie! Seine Wohlthäterin, seine Freundin, die Mutter seines Kindes, ein unglückliches, wehrloses Weib zu verrathen! Aber nur den kleinsten Theil meines Grolls wende ich einem solchen Niederträchtigen zu. Den größten Theil spare ich für die Niederträchtigkeit der Regierungen auf, die Verbrechen, welche tausendfachen irdischen Tod, und selbst den Fluch des allbarmherzigen Gottes verdienen, wie die schönste Tugend belohnen. Das ist aber das Verderben jeder fürstlichen Herr¬ schaft: sie kann sich nicht erhalten ohne Verrätherei; sie kann nicht ruhig leben, wenn nicht wechselseitiges
Vl. 12
Samſtag den 2. März.
..... Die öffentliche Meinung iſt zu ihrer frühern Anſicht von dem Vater des Wunderkindes von Blaye zurückgekehrt. Die drei Könige welche die gebenedeite Prinzeſſin begrüßten, kamen wirklich aus dem Morgenlande, und der heilige Geiſt war ihr Landsmann. Als der ſchändliche Deutz die Herzogin verrieth, rief ſie, ſich ſelbſt noch ſchlimmer verrathend aus: Le misérable! Je lui ai donné plus que ma vie! Seine Wohlthäterin, ſeine Freundin, die Mutter ſeines Kindes, ein unglückliches, wehrloſes Weib zu verrathen! Aber nur den kleinſten Theil meines Grolls wende ich einem ſolchen Niederträchtigen zu. Den größten Theil ſpare ich für die Niederträchtigkeit der Regierungen auf, die Verbrechen, welche tauſendfachen irdiſchen Tod, und ſelbſt den Fluch des allbarmherzigen Gottes verdienen, wie die ſchönſte Tugend belohnen. Das iſt aber das Verderben jeder fürſtlichen Herr¬ ſchaft: ſie kann ſich nicht erhalten ohne Verrätherei; ſie kann nicht ruhig leben, wenn nicht wechſelſeitiges
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Samſtag den 2. März.
..... Die öffentliche Meinung iſt zu ihrer
frühern Anſicht von dem Vater des Wunderkindes
von Blaye zurückgekehrt. Die drei Könige welche
die gebenedeite Prinzeſſin begrüßten, kamen wirklich
aus dem Morgenlande, und der heilige Geiſt war
ihr Landsmann. Als der ſchändliche Deutz die
Herzogin verrieth, rief ſie, ſich ſelbſt noch ſchlimmer
verrathend aus: Le misérable! Je lui ai donné
plus que ma vie! Seine Wohlthäterin, ſeine
Freundin, die Mutter ſeines Kindes, ein unglückliches,
wehrloſes Weib zu verrathen! Aber nur den
kleinſten Theil meines Grolls wende ich einem
ſolchen Niederträchtigen zu. Den größten Theil
ſpare ich für die Niederträchtigkeit der Regierungen
auf, die Verbrechen, welche tauſendfachen irdiſchen
Tod, und ſelbſt den Fluch des allbarmherzigen
Gottes verdienen, wie die ſchönſte Tugend belohnen.
Das iſt aber das Verderben jeder fürſtlichen Herr¬
ſchaft: ſie kann ſich nicht erhalten ohne Verrätherei;
ſie kann nicht ruhig leben, wenn nicht wechſelſeitiges
Vl. 12
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/189>, abgerufen am 21.02.2025.
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