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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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nen schon einmal auf den Kopf fallen. Das hat sich
Don Pedro gemerkt und er war so ehrlich den con¬
stitutionellen Portugiesen nicht einmal etwas zu ver¬
sprechen, außer, daß er sie wahrscheinlich nicht werde
hängen lassen, wenn er wieder zur Regierung käme.
Diesen aber genügt die Galgenfreiheit nicht, und sie
leisten ihm darum in seinem Kampfe keinen Beistand.
Louis Philipp wird ihm auch gesagt haben, er solle
die heilige Allianz nicht ärgern, und sich darum nicht
anstellen als wäre ihm an dem Glücke seines Volkes
gelegen, sondern aufrichtig gestehen, es liege ihm blos
an seiner Herrschaft, und dann würde sie nichts ge¬
gen ihn haben. So ist er auf seine Lohnsoldaten be¬
schränkt, und wie will er mit diesen gegen ein von
Glaubenswuth fanatisirtes Volk, gegen seinen von
den mächtigsten Fürsten der Welt gut berathenen,
gut unterstüzten Nebenbuhler kämpfen?

Die Komödie die jetzt in Spanien gespielt wird
ist auch merkwürdig. Ich nenne es Komödie, weil
ich mich heute nicht ärgern will, denn es ist Mitt¬
woch, ich erwarte Ihren Brief und nichts soll meine
Freude stören. Aber an jeden der fünf andern Tage
der Woche hätte ich der Sache einen andern Namen
gegeben. Es empört mich viel stärker wenn Fürsten
ihre Unterthanen wie Kinder behandeln, und sie mit
Mährchen amusiren und sie mit groben Lügen täu¬
schen, als wenn sie sie wie Männer und Sklaven züch¬

nen ſchon einmal auf den Kopf fallen. Das hat ſich
Don Pedro gemerkt und er war ſo ehrlich den con¬
ſtitutionellen Portugieſen nicht einmal etwas zu ver¬
ſprechen, außer, daß er ſie wahrſcheinlich nicht werde
hängen laſſen, wenn er wieder zur Regierung käme.
Dieſen aber genügt die Galgenfreiheit nicht, und ſie
leiſten ihm darum in ſeinem Kampfe keinen Beiſtand.
Louis Philipp wird ihm auch geſagt haben, er ſolle
die heilige Allianz nicht ärgern, und ſich darum nicht
anſtellen als wäre ihm an dem Glücke ſeines Volkes
gelegen, ſondern aufrichtig geſtehen, es liege ihm blos
an ſeiner Herrſchaft, und dann würde ſie nichts ge¬
gen ihn haben. So iſt er auf ſeine Lohnſoldaten be¬
ſchränkt, und wie will er mit dieſen gegen ein von
Glaubenswuth fanatiſirtes Volk, gegen ſeinen von
den mächtigſten Fürſten der Welt gut berathenen,
gut unterſtüzten Nebenbuhler kämpfen?

Die Komödie die jetzt in Spanien geſpielt wird
iſt auch merkwürdig. Ich nenne es Komödie, weil
ich mich heute nicht ärgern will, denn es iſt Mitt¬
woch, ich erwarte Ihren Brief und nichts ſoll meine
Freude ſtören. Aber an jeden der fünf andern Tage
der Woche hätte ich der Sache einen andern Namen
gegeben. Es empört mich viel ſtärker wenn Fürſten
ihre Unterthanen wie Kinder behandeln, und ſie mit
Mährchen amuſiren und ſie mit groben Lügen täu¬
ſchen, als wenn ſie ſie wie Männer und Sklaven züch¬

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[127/0139] nen ſchon einmal auf den Kopf fallen. Das hat ſich Don Pedro gemerkt und er war ſo ehrlich den con¬ ſtitutionellen Portugieſen nicht einmal etwas zu ver¬ ſprechen, außer, daß er ſie wahrſcheinlich nicht werde hängen laſſen, wenn er wieder zur Regierung käme. Dieſen aber genügt die Galgenfreiheit nicht, und ſie leiſten ihm darum in ſeinem Kampfe keinen Beiſtand. Louis Philipp wird ihm auch geſagt haben, er ſolle die heilige Allianz nicht ärgern, und ſich darum nicht anſtellen als wäre ihm an dem Glücke ſeines Volkes gelegen, ſondern aufrichtig geſtehen, es liege ihm blos an ſeiner Herrſchaft, und dann würde ſie nichts ge¬ gen ihn haben. So iſt er auf ſeine Lohnſoldaten be¬ ſchränkt, und wie will er mit dieſen gegen ein von Glaubenswuth fanatiſirtes Volk, gegen ſeinen von den mächtigſten Fürſten der Welt gut berathenen, gut unterſtüzten Nebenbuhler kämpfen? Die Komödie die jetzt in Spanien geſpielt wird iſt auch merkwürdig. Ich nenne es Komödie, weil ich mich heute nicht ärgern will, denn es iſt Mitt¬ woch, ich erwarte Ihren Brief und nichts ſoll meine Freude ſtören. Aber an jeden der fünf andern Tage der Woche hätte ich der Sache einen andern Namen gegeben. Es empört mich viel ſtärker wenn Fürſten ihre Unterthanen wie Kinder behandeln, und ſie mit Mährchen amuſiren und ſie mit groben Lügen täu¬ ſchen, als wenn ſie ſie wie Männer und Sklaven züch¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/139>, abgerufen am 26.04.2024.