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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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zu Mitschuldigen seiner niederträchtigen Gesinnungen
zu machen -- und stünde die Todesstrafe auf ein
Lächeln -- es fänden sich hier Hunderte von Zu¬
schauern die lachen, zischen und pfeifen, und ihr Le¬
ben an ihre Ehre setzen würden. Man jauchzte kei¬
nem schamlosen, tollen Schauspiele zu, wie das was
neulich ein Herr von Poißl in München zur Feier
der Thronbesteigung des Königs Otto dichtete, und
auf der Bühne vorstellen ließ. Vergangenheit
und Zukunft
hieß das Schauspiel, welches alle
das dicke Bocksbier, das seit dem vorigen Sommer
in den baierischen Adern stockte, in die freudigste
Wallung brachte. Hellas, Bavaria, Glaube, Liebe
und Hoffnung treten auf. So oft ein deutscher
Hofdichter etwas politisches singt, umgiebt er sich mit
Glaube, Liebe und Hofnung. Es sind seine Grazien
und seine Parzen zugleich. Mit ihnen versüßt er
die Tyrannei, mit ihnen spinnt er die Freiheit zu
Tode. Uebrigens ist es eine nützliche Bedeckung;
denn ohne Glaube, Liebe und Hoffnung ertrüge man
keinen Tag ein deutscher Unterthan zu seyn. Jetzt
werden die alten olympischen Spiele dargestellt, in
dem Augenblicke wo die Vertheilung der Preise statt
findet. Hundert Dichter athmen schwer, die welche
den Gott in sich fühlen, jauchzen dem Siegeskranze
entgegen. Mich dauern die armen Teufel! Bava¬

zu Mitſchuldigen ſeiner niederträchtigen Geſinnungen
zu machen — und ſtünde die Todesſtrafe auf ein
Lächeln — es fänden ſich hier Hunderte von Zu¬
ſchauern die lachen, ziſchen und pfeifen, und ihr Le¬
ben an ihre Ehre ſetzen würden. Man jauchzte kei¬
nem ſchamloſen, tollen Schauſpiele zu, wie das was
neulich ein Herr von Poißl in München zur Feier
der Thronbeſteigung des Königs Otto dichtete, und
auf der Bühne vorſtellen ließ. Vergangenheit
und Zukunft
hieß das Schauſpiel, welches alle
das dicke Bocksbier, das ſeit dem vorigen Sommer
in den baieriſchen Adern ſtockte, in die freudigſte
Wallung brachte. Hellas, Bavaria, Glaube, Liebe
und Hoffnung treten auf. So oft ein deutſcher
Hofdichter etwas politiſches ſingt, umgiebt er ſich mit
Glaube, Liebe und Hofnung. Es ſind ſeine Grazien
und ſeine Parzen zugleich. Mit ihnen verſüßt er
die Tyrannei, mit ihnen ſpinnt er die Freiheit zu
Tode. Uebrigens iſt es eine nützliche Bedeckung;
denn ohne Glaube, Liebe und Hoffnung ertrüge man
keinen Tag ein deutſcher Unterthan zu ſeyn. Jetzt
werden die alten olympiſchen Spiele dargeſtellt, in
dem Augenblicke wo die Vertheilung der Preiſe ſtatt
findet. Hundert Dichter athmen ſchwer, die welche
den Gott in ſich fühlen, jauchzen dem Siegeskranze
entgegen. Mich dauern die armen Teufel! Bava¬

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[94/0106] zu Mitſchuldigen ſeiner niederträchtigen Geſinnungen zu machen — und ſtünde die Todesſtrafe auf ein Lächeln — es fänden ſich hier Hunderte von Zu¬ ſchauern die lachen, ziſchen und pfeifen, und ihr Le¬ ben an ihre Ehre ſetzen würden. Man jauchzte kei¬ nem ſchamloſen, tollen Schauſpiele zu, wie das was neulich ein Herr von Poißl in München zur Feier der Thronbeſteigung des Königs Otto dichtete, und auf der Bühne vorſtellen ließ. Vergangenheit und Zukunft hieß das Schauſpiel, welches alle das dicke Bocksbier, das ſeit dem vorigen Sommer in den baieriſchen Adern ſtockte, in die freudigſte Wallung brachte. Hellas, Bavaria, Glaube, Liebe und Hoffnung treten auf. So oft ein deutſcher Hofdichter etwas politiſches ſingt, umgiebt er ſich mit Glaube, Liebe und Hofnung. Es ſind ſeine Grazien und ſeine Parzen zugleich. Mit ihnen verſüßt er die Tyrannei, mit ihnen ſpinnt er die Freiheit zu Tode. Uebrigens iſt es eine nützliche Bedeckung; denn ohne Glaube, Liebe und Hoffnung ertrüge man keinen Tag ein deutſcher Unterthan zu ſeyn. Jetzt werden die alten olympiſchen Spiele dargeſtellt, in dem Augenblicke wo die Vertheilung der Preiſe ſtatt findet. Hundert Dichter athmen ſchwer, die welche den Gott in ſich fühlen, jauchzen dem Siegeskranze entgegen. Mich dauern die armen Teufel! Bava¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/106>, abgerufen am 26.04.2024.