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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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Robespierre ein Gericht, das so feige und unmensch¬
lich gewesen, einen Aristokraten zu verurtheilen, daß
er vor dem Oelbilde der Freiheit knieend Abbitte thue.
Unter der Despotie der Könige wie unter der der
Republikaner erkannte man etwas im Menschen an,
das, weil von Gott gesandt, heilig und unverletzlich
ist, und nie zur Verantwortung gezogen werden
darf. Aber dieses Göttliche, Heilige und Unverletz¬
liche im Menschen: seine Ehre, seinen Glauben, seine
Tugend, das wird in Deutschland am meist, zuerst
bestraft, am Boshaftesten gezüchtigt. Ein Dr. Schulz
in München, wurde wegen seines politischen Glau¬
bens auf unbestimmten Zeit zum Zuchthause
verurtheilt, und zu der schlimmern Züchtigung, vor
dem Bilde des Königs knieend Abbitte zu thun.
Sie werfen die Freiheit in den Koth, daß sie aus¬
sehe wie die Knechtschaft, damit man keinen Mann
von Ehre ferner von einem Hofmanne unterscheiden
könne und gemeinschaftlicher Schmuz, Volk und Land
und Regierung bedecke.

Würde in Paris die Todesstrafe darauf gesetzt,
wenn einer es wagte im Theater einen Laut des
Misfallens zu äußern, und es versuchte einmal ein
schamlos schmeichelnder und bettelnder Hofdichter, die
Leidenschaften, Thorheiten und Verbrechen seiner Für¬
sten, durch Poesie, Musik, Tanz und Malerei auf
der Bühne zu verherrlichen und so ein ganzes Volk

Robespierre ein Gericht, das ſo feige und unmenſch¬
lich geweſen, einen Ariſtokraten zu verurtheilen, daß
er vor dem Oelbilde der Freiheit knieend Abbitte thue.
Unter der Despotie der Könige wie unter der der
Republikaner erkannte man etwas im Menſchen an,
das, weil von Gott geſandt, heilig und unverletzlich
iſt, und nie zur Verantwortung gezogen werden
darf. Aber dieſes Göttliche, Heilige und Unverletz¬
liche im Menſchen: ſeine Ehre, ſeinen Glauben, ſeine
Tugend, das wird in Deutſchland am meiſt, zuerſt
beſtraft, am Boshafteſten gezüchtigt. Ein Dr. Schulz
in München, wurde wegen ſeines politiſchen Glau¬
bens auf unbeſtimmten Zeit zum Zuchthauſe
verurtheilt, und zu der ſchlimmern Züchtigung, vor
dem Bilde des Königs knieend Abbitte zu thun.
Sie werfen die Freiheit in den Koth, daß ſie aus¬
ſehe wie die Knechtſchaft, damit man keinen Mann
von Ehre ferner von einem Hofmanne unterſcheiden
könne und gemeinſchaftlicher Schmuz, Volk und Land
und Regierung bedecke.

Würde in Paris die Todesſtrafe darauf geſetzt,
wenn einer es wagte im Theater einen Laut des
Misfallens zu äußern, und es verſuchte einmal ein
ſchamlos ſchmeichelnder und bettelnder Hofdichter, die
Leidenſchaften, Thorheiten und Verbrechen ſeiner Für¬
ſten, durch Poeſie, Muſik, Tanz und Malerei auf
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[93/0105] Robespierre ein Gericht, das ſo feige und unmenſch¬ lich geweſen, einen Ariſtokraten zu verurtheilen, daß er vor dem Oelbilde der Freiheit knieend Abbitte thue. Unter der Despotie der Könige wie unter der der Republikaner erkannte man etwas im Menſchen an, das, weil von Gott geſandt, heilig und unverletzlich iſt, und nie zur Verantwortung gezogen werden darf. Aber dieſes Göttliche, Heilige und Unverletz¬ liche im Menſchen: ſeine Ehre, ſeinen Glauben, ſeine Tugend, das wird in Deutſchland am meiſt, zuerſt beſtraft, am Boshafteſten gezüchtigt. Ein Dr. Schulz in München, wurde wegen ſeines politiſchen Glau¬ bens auf unbeſtimmten Zeit zum Zuchthauſe verurtheilt, und zu der ſchlimmern Züchtigung, vor dem Bilde des Königs knieend Abbitte zu thun. Sie werfen die Freiheit in den Koth, daß ſie aus¬ ſehe wie die Knechtſchaft, damit man keinen Mann von Ehre ferner von einem Hofmanne unterſcheiden könne und gemeinſchaftlicher Schmuz, Volk und Land und Regierung bedecke. Würde in Paris die Todesſtrafe darauf geſetzt, wenn einer es wagte im Theater einen Laut des Misfallens zu äußern, und es verſuchte einmal ein ſchamlos ſchmeichelnder und bettelnder Hofdichter, die Leidenſchaften, Thorheiten und Verbrechen ſeiner Für¬ ſten, durch Poeſie, Muſik, Tanz und Malerei auf der Bühne zu verherrlichen und ſo ein ganzes Volk

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/105>, abgerufen am 26.04.2024.