Ein herrliches deutsches Buch habe ich hier ge¬ lesen; schicken Sie gleich hin es holen zu lassen. Briefe eines Narren an eine Närrin. Auch in Hamburg bei Campe erschienen, der seine Freude daran hat, die Briefe aller Narren an alle Närrin¬ nen drucken zu lassen. Es ist so schnell abwechselnd erhaben und tief, daß Sie vielleicht müde werden es zu lesen, ich bin es selbst geworden und bin doch ein besserer Kopfhänger als Sie. Aber es ist der An¬ strengung werth. Der Narr ist ein schöner und edler Geist und so unbekümmert um die schöne Form, wel¬ cher oft die besten Schriftsteller ihr Bestes aufopfern, daß diese, wie jede Kokette, weil verschmäht, sich ihm so eifriger zudringt. Der Verfasser schreibt schön ohne es zu wollen. Er ist ein Republikaner wie alle Narren; denn wenn die Republikaner klug wären, dann bliebe ihnen nicht lange mehr etwas zu wünschen übrig und sie gewönnen Zeit sich zu verlieben und Novellen zu schreiben. Nichts kommt ihm lächerlicher vor als das monarchische Wesen, nichts sündlicher gegen Gott und die Natur. Er theilt meinen Abscheu gegen die vergötterten großen Männer der Geschichte und meint, die schöne Zeit werde kommen, wo es wie keine Hofräthe, so auch keine Helden mehr geben
Dienſtag, den 13. November.
Ein herrliches deutſches Buch habe ich hier ge¬ leſen; ſchicken Sie gleich hin es holen zu laſſen. Briefe eines Narren an eine Närrin. Auch in Hamburg bei Campe erſchienen, der ſeine Freude daran hat, die Briefe aller Narren an alle Närrin¬ nen drucken zu laſſen. Es iſt ſo ſchnell abwechſelnd erhaben und tief, daß Sie vielleicht müde werden es zu leſen, ich bin es ſelbſt geworden und bin doch ein beſſerer Kopfhänger als Sie. Aber es iſt der An¬ ſtrengung werth. Der Narr iſt ein ſchöner und edler Geiſt und ſo unbekümmert um die ſchöne Form, wel¬ cher oft die beſten Schriftſteller ihr Beſtes aufopfern, daß dieſe, wie jede Kokette, weil verſchmäht, ſich ihm ſo eifriger zudringt. Der Verfaſſer ſchreibt ſchön ohne es zu wollen. Er iſt ein Republikaner wie alle Narren; denn wenn die Republikaner klug wären, dann bliebe ihnen nicht lange mehr etwas zu wünſchen übrig und ſie gewönnen Zeit ſich zu verlieben und Novellen zu ſchreiben. Nichts kommt ihm lächerlicher vor als das monarchiſche Weſen, nichts ſündlicher gegen Gott und die Natur. Er theilt meinen Abſcheu gegen die vergötterten großen Männer der Geſchichte und meint, die ſchöne Zeit werde kommen, wo es wie keine Hofräthe, ſo auch keine Helden mehr geben
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0024"n="12"/><div><datelinerendition="#right">Dienſtag, den 13. November.</dateline><lb/><p>Ein herrliches deutſches Buch habe ich hier ge¬<lb/>
leſen; ſchicken Sie gleich hin es holen zu laſſen.<lb/><hirendition="#g">Briefe eines Narren an eine Närrin</hi>. Auch<lb/>
in Hamburg bei Campe erſchienen, der ſeine Freude<lb/>
daran hat, die Briefe aller Narren an alle Närrin¬<lb/>
nen drucken zu laſſen. Es iſt ſo ſchnell abwechſelnd<lb/>
erhaben und tief, daß Sie vielleicht müde werden es<lb/>
zu leſen, ich bin es ſelbſt geworden und bin doch ein<lb/>
beſſerer Kopfhänger als Sie. Aber es iſt der An¬<lb/>ſtrengung werth. Der Narr iſt ein ſchöner und edler<lb/>
Geiſt und ſo unbekümmert um die ſchöne Form, wel¬<lb/>
cher oft die beſten Schriftſteller ihr Beſtes aufopfern,<lb/>
daß dieſe, wie jede Kokette, weil verſchmäht, ſich ihm<lb/>ſo eifriger zudringt. Der Verfaſſer ſchreibt ſchön<lb/>
ohne es zu wollen. Er iſt ein Republikaner wie alle<lb/>
Narren; denn wenn die Republikaner klug wären,<lb/>
dann bliebe ihnen nicht lange mehr etwas zu wünſchen<lb/>
übrig und ſie gewönnen Zeit ſich zu verlieben und<lb/>
Novellen zu ſchreiben. Nichts kommt ihm lächerlicher<lb/>
vor als das monarchiſche Weſen, nichts ſündlicher gegen<lb/>
Gott und die Natur. Er theilt meinen Abſcheu gegen<lb/>
die vergötterten großen Männer der Geſchichte und<lb/>
meint, die ſchöne Zeit werde kommen, wo es wie<lb/>
keine Hofräthe, ſo auch keine Helden mehr geben<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[12/0024]
Dienſtag, den 13. November.
Ein herrliches deutſches Buch habe ich hier ge¬
leſen; ſchicken Sie gleich hin es holen zu laſſen.
Briefe eines Narren an eine Närrin. Auch
in Hamburg bei Campe erſchienen, der ſeine Freude
daran hat, die Briefe aller Narren an alle Närrin¬
nen drucken zu laſſen. Es iſt ſo ſchnell abwechſelnd
erhaben und tief, daß Sie vielleicht müde werden es
zu leſen, ich bin es ſelbſt geworden und bin doch ein
beſſerer Kopfhänger als Sie. Aber es iſt der An¬
ſtrengung werth. Der Narr iſt ein ſchöner und edler
Geiſt und ſo unbekümmert um die ſchöne Form, wel¬
cher oft die beſten Schriftſteller ihr Beſtes aufopfern,
daß dieſe, wie jede Kokette, weil verſchmäht, ſich ihm
ſo eifriger zudringt. Der Verfaſſer ſchreibt ſchön
ohne es zu wollen. Er iſt ein Republikaner wie alle
Narren; denn wenn die Republikaner klug wären,
dann bliebe ihnen nicht lange mehr etwas zu wünſchen
übrig und ſie gewönnen Zeit ſich zu verlieben und
Novellen zu ſchreiben. Nichts kommt ihm lächerlicher
vor als das monarchiſche Weſen, nichts ſündlicher gegen
Gott und die Natur. Er theilt meinen Abſcheu gegen
die vergötterten großen Männer der Geſchichte und
meint, die ſchöne Zeit werde kommen, wo es wie
keine Hofräthe, ſo auch keine Helden mehr geben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/24>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.