Auf den Boulevards und was noch wunder¬ licher ist, auf dem Platze vor der Börse, findet man jetzt sehr häufig Bibeln zum Verkaufe aus¬ gestellt. Die heilige Waare liegt auf der Erde unter andern profanen Büchern oder sonstigem schlechten Trödel. Sie sind sehr wohlfeil und gehen gut ab. Sie stammen von der hiesigen Bibelgesellschaft, die sie unentgeldlich austheilt, worauf sie denn, wie billig, von den Geschenk¬ nehmern verkauft werden. Gestern sah ich einen wohlgebildeten Mann, von etwa funfzig Jahren, der sich eben auf der Straße eine ungerupfte wilde Ente gekauft, die er mit Mühe in die linke Rocktasche zwängte, gleich darauf auch eine Bibel kaufen, die er unter dem rechten Arme forttrug. Es gefiel mir ungemein, daß er sich weniger [s]chämte di[e] Bibel als die Ente öffent¬
Freitag den 14. October.
Auf den Boulevards und was noch wunder¬ licher iſt, auf dem Platze vor der Boͤrſe, findet man jetzt ſehr haͤufig Bibeln zum Verkaufe aus¬ geſtellt. Die heilige Waare liegt auf der Erde unter andern profanen Buͤchern oder ſonſtigem ſchlechten Troͤdel. Sie ſind ſehr wohlfeil und gehen gut ab. Sie ſtammen von der hieſigen Bibelgeſellſchaft, die ſie unentgeldlich austheilt, worauf ſie denn, wie billig, von den Geſchenk¬ nehmern verkauft werden. Geſtern ſah ich einen wohlgebildeten Mann, von etwa funfzig Jahren, der ſich eben auf der Straße eine ungerupfte wilde Ente gekauft, die er mit Muͤhe in die linke Rocktaſche zwaͤngte, gleich darauf auch eine Bibel kaufen, die er unter dem rechten Arme forttrug. Es gefiel mir ungemein, daß er ſich weniger [ſ]chaͤmte di[e] Bibel als die Ente oͤffent¬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0082"n="68"/><div><dateline><hirendition="#right">Freitag den 14. October.</hi></dateline><lb/><p>Auf den Boulevards und was noch wunder¬<lb/>
licher iſt, auf dem Platze vor der Boͤrſe, findet<lb/>
man jetzt ſehr haͤufig Bibeln zum Verkaufe aus¬<lb/>
geſtellt. Die heilige Waare liegt auf der Erde<lb/>
unter andern profanen Buͤchern oder ſonſtigem<lb/>ſchlechten Troͤdel. Sie ſind ſehr wohlfeil und<lb/>
gehen gut ab. Sie ſtammen von der hieſigen<lb/>
Bibelgeſellſchaft, die ſie unentgeldlich austheilt,<lb/>
worauf ſie denn, wie billig, von den Geſchenk¬<lb/>
nehmern verkauft werden. Geſtern ſah ich einen<lb/>
wohlgebildeten Mann, von etwa funfzig Jahren,<lb/>
der ſich eben auf der Straße eine ungerupfte<lb/>
wilde Ente gekauft, die er mit Muͤhe in die<lb/>
linke Rocktaſche zwaͤngte, gleich darauf auch eine<lb/>
Bibel kaufen, die er unter dem rechten Arme<lb/>
forttrug. Es gefiel mir ungemein, daß er ſich<lb/>
weniger <supplied>ſ</supplied>chaͤmte di<supplied>e</supplied> Bibel als die Ente oͤffent¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[68/0082]
Freitag den 14. October.
Auf den Boulevards und was noch wunder¬
licher iſt, auf dem Platze vor der Boͤrſe, findet
man jetzt ſehr haͤufig Bibeln zum Verkaufe aus¬
geſtellt. Die heilige Waare liegt auf der Erde
unter andern profanen Buͤchern oder ſonſtigem
ſchlechten Troͤdel. Sie ſind ſehr wohlfeil und
gehen gut ab. Sie ſtammen von der hieſigen
Bibelgeſellſchaft, die ſie unentgeldlich austheilt,
worauf ſie denn, wie billig, von den Geſchenk¬
nehmern verkauft werden. Geſtern ſah ich einen
wohlgebildeten Mann, von etwa funfzig Jahren,
der ſich eben auf der Straße eine ungerupfte
wilde Ente gekauft, die er mit Muͤhe in die
linke Rocktaſche zwaͤngte, gleich darauf auch eine
Bibel kaufen, die er unter dem rechten Arme
forttrug. Es gefiel mir ungemein, daß er ſich
weniger ſchaͤmte die Bibel als die Ente oͤffent¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/82>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.