Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

Ihr heutiger Brief hat mir sehr großes Ver¬
gnügen gemacht, und besonders freue ich mich
über Ihre Freude an dem guten Erfolge mei¬
nes Buches. Ich hätte das nicht erwartet. Ich
sehe daraus wieder, wie wenig Kunst das Herz
bedarf, um zu gefallen; daß die Aufrichtigkeit
immer bewegt, und daß man der Wahrhaftig¬
keit selbst den Mangel der Wahrheit verzeiht.
Denn weiß ich es nicht, wie oft ich mich geirrt
haben kann? Weiß ich es nicht, daß tausend
Leser anderer Meinung sind als ich? Aber sie
sehen, sie fühlen, daß ich meine Gesinnung treu
ausgesprochen, und darum sind sie zufrieden mit
mir und glauben mir, wenn sie auch nicht mei¬
nen Reden glauben. Es wäre doch erschrecklich,
wenn ich wirklich nicht mehr wagen dürfte nach


Ihr heutiger Brief hat mir ſehr großes Ver¬
gnuͤgen gemacht, und beſonders freue ich mich
uͤber Ihre Freude an dem guten Erfolge mei¬
nes Buches. Ich haͤtte das nicht erwartet. Ich
ſehe daraus wieder, wie wenig Kunſt das Herz
bedarf, um zu gefallen; daß die Aufrichtigkeit
immer bewegt, und daß man der Wahrhaftig¬
keit ſelbſt den Mangel der Wahrheit verzeiht.
Denn weiß ich es nicht, wie oft ich mich geirrt
haben kann? Weiß ich es nicht, daß tauſend
Leſer anderer Meinung ſind als ich? Aber ſie
ſehen, ſie fuͤhlen, daß ich meine Geſinnung treu
ausgeſprochen, und darum ſind ſie zufrieden mit
mir und glauben mir, wenn ſie auch nicht mei¬
nen Reden glauben. Es waͤre doch erſchrecklich,
wenn ich wirklich nicht mehr wagen duͤrfte nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0163" n="149"/>
        <div>
          <dateline> <hi rendition="#right">Dien&#x017F;tag den 15. November.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Ihr heutiger Brief hat mir &#x017F;ehr großes Ver¬<lb/>
gnu&#x0364;gen gemacht, und be&#x017F;onders freue ich mich<lb/>
u&#x0364;ber Ihre Freude an dem guten Erfolge mei¬<lb/>
nes Buches. Ich ha&#x0364;tte das nicht erwartet. Ich<lb/>
&#x017F;ehe daraus wieder, wie wenig Kun&#x017F;t das Herz<lb/>
bedarf, um zu gefallen; daß die Aufrichtigkeit<lb/>
immer bewegt, und daß man der Wahrhaftig¬<lb/>
keit &#x017F;elb&#x017F;t den Mangel der Wahrheit verzeiht.<lb/>
Denn weiß ich es nicht, wie oft ich mich geirrt<lb/>
haben kann? Weiß ich es nicht, daß tau&#x017F;end<lb/>
Le&#x017F;er anderer Meinung &#x017F;ind als ich? Aber &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ehen, &#x017F;ie fu&#x0364;hlen, daß ich meine Ge&#x017F;innung treu<lb/>
ausge&#x017F;prochen, und darum &#x017F;ind &#x017F;ie zufrieden mit<lb/>
mir und glauben <hi rendition="#g">mir</hi>, wenn &#x017F;ie auch nicht mei¬<lb/>
nen Reden glauben. Es wa&#x0364;re doch er&#x017F;chrecklich,<lb/>
wenn ich wirklich nicht mehr wagen du&#x0364;rfte nach<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0163] Dienſtag den 15. November. Ihr heutiger Brief hat mir ſehr großes Ver¬ gnuͤgen gemacht, und beſonders freue ich mich uͤber Ihre Freude an dem guten Erfolge mei¬ nes Buches. Ich haͤtte das nicht erwartet. Ich ſehe daraus wieder, wie wenig Kunſt das Herz bedarf, um zu gefallen; daß die Aufrichtigkeit immer bewegt, und daß man der Wahrhaftig¬ keit ſelbſt den Mangel der Wahrheit verzeiht. Denn weiß ich es nicht, wie oft ich mich geirrt haben kann? Weiß ich es nicht, daß tauſend Leſer anderer Meinung ſind als ich? Aber ſie ſehen, ſie fuͤhlen, daß ich meine Geſinnung treu ausgeſprochen, und darum ſind ſie zufrieden mit mir und glauben mir, wenn ſie auch nicht mei¬ nen Reden glauben. Es waͤre doch erſchrecklich, wenn ich wirklich nicht mehr wagen duͤrfte nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/163
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/163>, abgerufen am 21.11.2024.