Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.Samstag, den 8. Januar. Heute ist es sehr kalt, ganz Winter. Wie Samſtag, den 8. Januar. Heute iſt es ſehr kalt, ganz Winter. Wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0189" n="175"/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">Samſtag, den 8. Januar.</hi> </dateline><lb/> <p>Heute iſt es ſehr kalt, ganz Winter. Wie<lb/> geht es Euch? Aber was liegt daran! Gegen<lb/> Froſt hat man Kamine und warme Kleider; wenn<lb/> nur das Herz nicht friert. Die deutſchen Froſt¬<lb/> künſtler (ſo überſetze ich ſehr ſauber das <choice><sic>franſöſiſche</sic><corr>franzöſiſche</corr></choice><lb/><hi rendition="#g">Glacier</hi>) mögen nur diesmal ihren Eiskeller recht<lb/> reichlich verſehen, hoch hinauf bis an das Gewölbe;<lb/> denn es wird ein heißer Sommer werden. Und<lb/> wer weiß, ob es im nächſten Jahre wieder friert.<lb/> Ich denke, die Bären ſollen es in unſerm Lande<lb/> nicht lange mehr aushalten können. — Haben Sie<lb/> Victor Hugo's Gedichte ſchon geleſen? Ich em¬<lb/> pfehle Ihnen auch ſeine Romane: <hi rendition="#aq">Le dernier<lb/> tour d'un condamné; Bug-Jargal; Han d'ls¬<lb/> lande</hi>. Alles herrlich, voll Sommergluth; aber man<lb/> ſehnt ſich manchmal nach Schatten und Kühle und<lb/> die fehlen. Kaum gehet die Geſchichte auf, ſo ſtehet<lb/> ſie ſchon im vollen Mittagsglanze da, gehet im vol¬<lb/> len Mittagsglanze unter; die Augen thun Einem weh<lb/> und man verſchmachtet vor Hitze. Hugo iſt erſt<lb/> einige und zwanzig Jahre alt, aber das Alter kann<lb/> ihn nicht ändern; denn die romantiſche Poeſie, (wie<lb/> man das hier nennt) iſt erſt in ihrer Jugend, und<lb/> das ganze Geſchlecht wird darüber hingehen, bis ſie<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [175/0189]
Samſtag, den 8. Januar.
Heute iſt es ſehr kalt, ganz Winter. Wie
geht es Euch? Aber was liegt daran! Gegen
Froſt hat man Kamine und warme Kleider; wenn
nur das Herz nicht friert. Die deutſchen Froſt¬
künſtler (ſo überſetze ich ſehr ſauber das franzöſiſche
Glacier) mögen nur diesmal ihren Eiskeller recht
reichlich verſehen, hoch hinauf bis an das Gewölbe;
denn es wird ein heißer Sommer werden. Und
wer weiß, ob es im nächſten Jahre wieder friert.
Ich denke, die Bären ſollen es in unſerm Lande
nicht lange mehr aushalten können. — Haben Sie
Victor Hugo's Gedichte ſchon geleſen? Ich em¬
pfehle Ihnen auch ſeine Romane: Le dernier
tour d'un condamné; Bug-Jargal; Han d'ls¬
lande. Alles herrlich, voll Sommergluth; aber man
ſehnt ſich manchmal nach Schatten und Kühle und
die fehlen. Kaum gehet die Geſchichte auf, ſo ſtehet
ſie ſchon im vollen Mittagsglanze da, gehet im vol¬
len Mittagsglanze unter; die Augen thun Einem weh
und man verſchmachtet vor Hitze. Hugo iſt erſt
einige und zwanzig Jahre alt, aber das Alter kann
ihn nicht ändern; denn die romantiſche Poeſie, (wie
man das hier nennt) iſt erſt in ihrer Jugend, und
das ganze Geſchlecht wird darüber hingehen, bis ſie
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