Gestern bin ich in mein neues Logis gezogen. Ich wohne -- o der Schande! -- wie eine Opern¬ tänzerin, die einen reichen Liebhaber hat. Alle Mö¬ bel von Mahagoni, Marmor und Bronze; prächtige Pendule; fünf großen Vasen, voll der schönsten Blu¬ men; stolze allerhöchste Flambeaus, die sich der bür¬ gerlichen Talglichter schämen, die ich ihnen aufgesteckt; Stühle und Sopha, mit braunem gelbgeblümten Sammt überzogen; die zärtlichsten Bergeres, in die man eine halbe Minute einsinkt, ehe man den Grund erreicht; scharlachrothe Fußdecken und die Wände mit Spiegeln bedeckt. Es ist alles so voll von Möbeln, daß ich kaum Platz zu wohnen habe. Unter den vielen Kostbarkeiten wage ich mich nicht zu bewegen, wage ich nicht, was sonst meine Lust ist, gedankenlos oder gedankenvoll im Zimmer auf- und abzugehen;
Vierzehnter Brief.
Paris, Mittwoch, den 17. November 1830.
Geſtern bin ich in mein neues Logis gezogen. Ich wohne — o der Schande! — wie eine Opern¬ tänzerin, die einen reichen Liebhaber hat. Alle Mö¬ bel von Mahagoni, Marmor und Bronze; prächtige Pendule; fünf großen Vaſen, voll der ſchönſten Blu¬ men; ſtolze allerhöchſte Flambeaus, die ſich der bür¬ gerlichen Talglichter ſchämen, die ich ihnen aufgeſteckt; Stühle und Sopha, mit braunem gelbgeblümten Sammt überzogen; die zärtlichſten Bergeres, in die man eine halbe Minute einſinkt, ehe man den Grund erreicht; ſcharlachrothe Fußdecken und die Wände mit Spiegeln bedeckt. Es iſt alles ſo voll von Möbeln, daß ich kaum Platz zu wohnen habe. Unter den vielen Koſtbarkeiten wage ich mich nicht zu bewegen, wage ich nicht, was ſonſt meine Luſt iſt, gedankenlos oder gedankenvoll im Zimmer auf- und abzugehen;
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Vierzehnter Brief.
Paris, Mittwoch, den 17. November 1830.
Geſtern bin ich in mein neues Logis gezogen.
Ich wohne — o der Schande! — wie eine Opern¬
tänzerin, die einen reichen Liebhaber hat. Alle Mö¬
bel von Mahagoni, Marmor und Bronze; prächtige
Pendule; fünf großen Vaſen, voll der ſchönſten Blu¬
men; ſtolze allerhöchſte Flambeaus, die ſich der bür¬
gerlichen Talglichter ſchämen, die ich ihnen aufgeſteckt;
Stühle und Sopha, mit braunem gelbgeblümten
Sammt überzogen; die zärtlichſten Bergeres, in die
man eine halbe Minute einſinkt, ehe man den Grund
erreicht; ſcharlachrothe Fußdecken und die Wände mit
Spiegeln bedeckt. Es iſt alles ſo voll von Möbeln,
daß ich kaum Platz zu wohnen habe. Unter den
vielen Koſtbarkeiten wage ich mich nicht zu bewegen,
wage ich nicht, was ſonſt meine Luſt iſt, gedankenlos
oder gedankenvoll im Zimmer auf- und abzugehen;
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. [98]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/112>, abgerufen am 21.02.2025.
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