Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

[Abbildung]

Schwarz-gelbe Wetterwolken häuften sich an. Rasend
wie ein apokalyptischer Reiter ritt der Sturm voran. Mit
elementarer Wucht brach er in das dröhnende Geäst des Ur¬
waldes, den noch keine Kultur berührt. Morsche Stämme,
welk wie Zunder, die nur das Rankenwerk von Schlingpflanzen
noch stützt, regen sich gespenstisch, wanken. Jetzt stürzt die
Windsbraut in das offene Feld, alles beugend, in Wellen vor
sich her legend. Das gelbe Gras bäumt sich, trockene Disteln
krachen, am Sumpfsee klirrt und rasselt das braune Schilf
und Binsenvolk. Nun ein Schwefelschein und ein Donnerschlag
und weithin anhaltendes rotes Leuchten. Die große Eiche, die
anlehnenden morschen Baumruinen brennen, der Urwald
schwehlt und dampft. Und der Wind wirft das Feuer in die
versengte Steppe. Weithin am Horizont eine ungeheure blut¬
rote Garbe. Großes Getier flieht trappelnd vorbei, aufge¬
scheuchte Vögel sausen als schwarze Schatten der feurigen
Helle voran. Jetzt aber zerbricht mit einem Ruck der dräuende
Wolkenschlauch. Unendlicher Regen. Die Flamme erstickt im
weißen Qualm. Und die gelbe Wolken-Aegis zerreißt. Blauer
Himmel. Der letzte Qualm treibt mit den Nachtwolken ab,
die Brandstätte wird zugänglich. Da kommen Tiere aller Art


[Abbildung]

Schwarz-gelbe Wetterwolken häuften ſich an. Raſend
wie ein apokalyptiſcher Reiter ritt der Sturm voran. Mit
elementarer Wucht brach er in das dröhnende Geäſt des Ur¬
waldes, den noch keine Kultur berührt. Morſche Stämme,
welk wie Zunder, die nur das Rankenwerk von Schlingpflanzen
noch ſtützt, regen ſich geſpenſtiſch, wanken. Jetzt ſtürzt die
Windsbraut in das offene Feld, alles beugend, in Wellen vor
ſich her legend. Das gelbe Gras bäumt ſich, trockene Diſteln
krachen, am Sumpfſee klirrt und raſſelt das braune Schilf
und Binſenvolk. Nun ein Schwefelſchein und ein Donnerſchlag
und weithin anhaltendes rotes Leuchten. Die große Eiche, die
anlehnenden morſchen Baumruinen brennen, der Urwald
ſchwehlt und dampft. Und der Wind wirft das Feuer in die
verſengte Steppe. Weithin am Horizont eine ungeheure blut¬
rote Garbe. Großes Getier flieht trappelnd vorbei, aufge¬
ſcheuchte Vögel ſauſen als ſchwarze Schatten der feurigen
Helle voran. Jetzt aber zerbricht mit einem Ruck der dräuende
Wolkenſchlauch. Unendlicher Regen. Die Flamme erſtickt im
weißen Qualm. Und die gelbe Wolken-Aegis zerreißt. Blauer
Himmel. Der letzte Qualm treibt mit den Nachtwolken ab,
die Brandſtätte wird zugänglich. Da kommen Tiere aller Art

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0031" n="15"/>
        <figure/>
        <p><hi rendition="#in">S</hi>chwarz-gelbe Wetterwolken häuften &#x017F;ich an. Ra&#x017F;end<lb/>
wie ein apokalypti&#x017F;cher Reiter ritt der Sturm voran. Mit<lb/>
elementarer Wucht brach er in das dröhnende Geä&#x017F;t des Ur¬<lb/>
waldes, den noch keine Kultur berührt. Mor&#x017F;che Stämme,<lb/>
welk wie Zunder, die nur das Rankenwerk von Schlingpflanzen<lb/>
noch &#x017F;tützt, regen &#x017F;ich ge&#x017F;pen&#x017F;ti&#x017F;ch, wanken. Jetzt &#x017F;türzt die<lb/>
Windsbraut in das offene Feld, alles beugend, in Wellen vor<lb/>
&#x017F;ich her legend. Das gelbe Gras bäumt &#x017F;ich, trockene Di&#x017F;teln<lb/>
krachen, am Sumpf&#x017F;ee klirrt und ra&#x017F;&#x017F;elt das braune Schilf<lb/>
und Bin&#x017F;envolk. Nun ein Schwefel&#x017F;chein und ein Donner&#x017F;chlag<lb/>
und weithin anhaltendes rotes Leuchten. Die große Eiche, die<lb/>
anlehnenden mor&#x017F;chen Baumruinen brennen, der Urwald<lb/>
&#x017F;chwehlt und dampft. Und der Wind wirft das Feuer in die<lb/>
ver&#x017F;engte Steppe. Weithin am Horizont eine ungeheure blut¬<lb/>
rote Garbe. Großes Getier flieht trappelnd vorbei, aufge¬<lb/>
&#x017F;cheuchte Vögel &#x017F;au&#x017F;en als &#x017F;chwarze Schatten der feurigen<lb/>
Helle voran. Jetzt aber zerbricht mit einem Ruck der dräuende<lb/>
Wolken&#x017F;chlauch. Unendlicher Regen. Die Flamme er&#x017F;tickt im<lb/>
weißen Qualm. Und die gelbe Wolken-Aegis zerreißt. Blauer<lb/>
Himmel. Der letzte Qualm treibt mit den Nachtwolken ab,<lb/>
die Brand&#x017F;tätte wird zugänglich. Da kommen Tiere aller Art<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0031] [Abbildung] Schwarz-gelbe Wetterwolken häuften ſich an. Raſend wie ein apokalyptiſcher Reiter ritt der Sturm voran. Mit elementarer Wucht brach er in das dröhnende Geäſt des Ur¬ waldes, den noch keine Kultur berührt. Morſche Stämme, welk wie Zunder, die nur das Rankenwerk von Schlingpflanzen noch ſtützt, regen ſich geſpenſtiſch, wanken. Jetzt ſtürzt die Windsbraut in das offene Feld, alles beugend, in Wellen vor ſich her legend. Das gelbe Gras bäumt ſich, trockene Diſteln krachen, am Sumpfſee klirrt und raſſelt das braune Schilf und Binſenvolk. Nun ein Schwefelſchein und ein Donnerſchlag und weithin anhaltendes rotes Leuchten. Die große Eiche, die anlehnenden morſchen Baumruinen brennen, der Urwald ſchwehlt und dampft. Und der Wind wirft das Feuer in die verſengte Steppe. Weithin am Horizont eine ungeheure blut¬ rote Garbe. Großes Getier flieht trappelnd vorbei, aufge¬ ſcheuchte Vögel ſauſen als ſchwarze Schatten der feurigen Helle voran. Jetzt aber zerbricht mit einem Ruck der dräuende Wolkenſchlauch. Unendlicher Regen. Die Flamme erſtickt im weißen Qualm. Und die gelbe Wolken-Aegis zerreißt. Blauer Himmel. Der letzte Qualm treibt mit den Nachtwolken ab, die Brandſtätte wird zugänglich. Da kommen Tiere aller Art

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/31
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/31>, abgerufen am 26.04.2024.