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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.

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Von dem Zustande der Poesie
Jch schwieg und gieng davon, dacht unterwegs bey mir,
Wie nun, Herr Bräutigam, wer sagt die Sachen dir?

Wir erkennen in diesem Gedichte den Geist des
geschickten Mannes, auf welchen Opitz sich in fol-
genden Zeilen beruffen hat:

Lobt er und Erato mein neues Saitenspiel,
Der gantze Helicon mag bleiben wie er will.

Die meisten Gedichte in dieser Sammlung sind
von Zinckgräfen selbst, dem Mann, von welchem
Opitz gesagt:

Und da das Vaterland Verfolgung leiden muß,
Bringst du es wiederum durch Schreiben auf den Fuß.

Das beste darunter wird wohl die Vermah-
nung zur Dapferkeit seyn, die er nach Art der
Elegien des Tyrtäus gestellt hat:

KEin Tod ist löblicher, kein Tod wird mehr geehret,
Als der, durch den das Heil des Vaterlands sich nehret,
Den einer willkomm heißt, dem er entgegen lacht,
Jhn in die Arme nimmt, und doch zugleich veracht.
Ein solcher stehet steiff mit unverwendten Füssen,
Er weichet niemand nicht, sein Feinde weichen müssen,
Ein solcher Mann der ist der Stadt gemeines Gut,
Der Widersächer Grauß, des Lands wehrhaffte Hut:
Er kan der Schlachten Fluth bezwingen nach seim Willen,
Mit seiner Gegenwart des Feindes Trotzen stillen,
Sein unverzagtes Hertz ist seinem Vaterland
Ein unerstiegne Burg, des Volckes rechte Hand.
Mit seines Leibes Maur sperrt er den wilden Feinden
Gleich vornen an der Spitz den Zugang zu den Freunden;
Verschertzt die Freyheit nicht um einen Hut voll Fleisch,
Um eine Hand voll Blut, um einen Mund voll Geist;
Begehrt des Lebens nicht auf niedrige Gedinge,
Hält unbarmhertziger Leut Gnade für geringe,
Sucht
Von dem Zuſtande der Poeſie
Jch ſchwieg und gieng davon, dacht unterwegs bey mir,
Wie nun, Herr Braͤutigam, wer ſagt die Sachen dir?

Wir erkennen in dieſem Gedichte den Geiſt des
geſchickten Mannes, auf welchen Opitz ſich in fol-
genden Zeilen beruffen hat:

Lobt er und Erato mein neues Saitenſpiel,
Der gantze Helicon mag bleiben wie er will.

Die meiſten Gedichte in dieſer Sammlung ſind
von Zinckgraͤfen ſelbſt, dem Mann, von welchem
Opitz geſagt:

Und da das Vaterland Verfolgung leiden muß,
Bringſt du es wiederum durch Schreiben auf den Fuß.

Das beſte darunter wird wohl die Vermah-
nung zur Dapferkeit ſeyn, die er nach Art der
Elegien des Tyrtaͤus geſtellt hat:

KEin Tod iſt loͤblicher, kein Tod wird mehr geehret,
Als der, durch den das Heil des Vaterlands ſich nehret,
Den einer willkomm heißt, dem er entgegen lacht,
Jhn in die Arme nimmt, und doch zugleich veracht.
Ein ſolcher ſtehet ſteiff mit unverwendten Fuͤſſen,
Er weichet niemand nicht, ſein Feinde weichen muͤſſen,
Ein ſolcher Mann der iſt der Stadt gemeines Gut,
Der Widerſaͤcher Grauß, des Lands wehrhaffte Hut:
Er kan der Schlachten Fluth bezwingen nach ſeim Willen,
Mit ſeiner Gegenwart des Feindes Trotzen ſtillen,
Sein unverzagtes Hertz iſt ſeinem Vaterland
Ein unerſtiegne Burg, des Volckes rechte Hand.
Mit ſeines Leibes Maur ſperrt er den wilden Feinden
Gleich vornen an der Spitz den Zugang zu den Freunden;
Verſchertzt die Freyheit nicht um einen Hut voll Fleiſch,
Um eine Hand voll Blut, um einen Mund voll Geiſt;
Begehrt des Lebens nicht auf niedrige Gedinge,
Haͤlt unbarmhertziger Leut Gnade fuͤr geringe,
Sucht
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[36/0036] Von dem Zuſtande der Poeſie Jch ſchwieg und gieng davon, dacht unterwegs bey mir, Wie nun, Herr Braͤutigam, wer ſagt die Sachen dir? Wir erkennen in dieſem Gedichte den Geiſt des geſchickten Mannes, auf welchen Opitz ſich in fol- genden Zeilen beruffen hat: Lobt er und Erato mein neues Saitenſpiel, Der gantze Helicon mag bleiben wie er will. Die meiſten Gedichte in dieſer Sammlung ſind von Zinckgraͤfen ſelbſt, dem Mann, von welchem Opitz geſagt: Und da das Vaterland Verfolgung leiden muß, Bringſt du es wiederum durch Schreiben auf den Fuß. Das beſte darunter wird wohl die Vermah- nung zur Dapferkeit ſeyn, die er nach Art der Elegien des Tyrtaͤus geſtellt hat: KEin Tod iſt loͤblicher, kein Tod wird mehr geehret, Als der, durch den das Heil des Vaterlands ſich nehret, Den einer willkomm heißt, dem er entgegen lacht, Jhn in die Arme nimmt, und doch zugleich veracht. Ein ſolcher ſtehet ſteiff mit unverwendten Fuͤſſen, Er weichet niemand nicht, ſein Feinde weichen muͤſſen, Ein ſolcher Mann der iſt der Stadt gemeines Gut, Der Widerſaͤcher Grauß, des Lands wehrhaffte Hut: Er kan der Schlachten Fluth bezwingen nach ſeim Willen, Mit ſeiner Gegenwart des Feindes Trotzen ſtillen, Sein unverzagtes Hertz iſt ſeinem Vaterland Ein unerſtiegne Burg, des Volckes rechte Hand. Mit ſeines Leibes Maur ſperrt er den wilden Feinden Gleich vornen an der Spitz den Zugang zu den Freunden; Verſchertzt die Freyheit nicht um einen Hut voll Fleiſch, Um eine Hand voll Blut, um einen Mund voll Geiſt; Begehrt des Lebens nicht auf niedrige Gedinge, Haͤlt unbarmhertziger Leut Gnade fuͤr geringe, Sucht

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/36>, abgerufen am 26.04.2024.