Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

als Verleger der deutschen Aeneis
rungen machen liesset, worinnen der lächerliche
Witz und die possierliche Verkehrung in ihr rech-
tes Licht gesetzet, und dem Leser auf die Spur
des Lustigen geholffen würde; man müßte die
wohlfliessende Plattheit, die feinen Zweydeutig-
keiten, die geschickte Erniedrigung des Prächtigen,
die unerwartete Vermischung des Schimpfes mit
dem Ernste, die angenehme Vermeidung aller har-
ten und Nachdencken erfodernden Gedancken sorg-
fältig anmercken, und das alles des Hrn. Schw.
Kunst und Vorsatze zuschreiben. Man müste um-
ständlich anzeigen, wie er verschiedene und gantz
abgesonderte Begriffe in einem Guß zusammen-
geschmeltzet; mit einander verbunden, was unmög-
lich zugleich bestehen kan; den Nebenumstand in die
Haupthandlung verkehret; Wunderwercke ver-
richtet; alltägliche Wahrheiten mit unwidersprech-
lichen Gründen unterstützet hat; und was derglei-
chen mehr ist. Dieses ist desto nöthiger, weil man
ihm mit gutem Grunde vorwerffen könnte, seine
Schwäncke seyn zu schal und seine Ausschweifungen
haben das Saltz nicht, das in dem französischen
Scarron den Possen einen Geschmack giebt; der-
gestalt daß man ihn mit denen Pritschmeistern ver-
gleichen könnte, welche sich gerne närrisch stellen
wollten, aber weder Weise noch Gebehrde dazu
verstehen, und wenn man sie gleich schünde, es
nicht höher bringen können, als daß sie die Ohren
schütteln. Wird die Sache nach meiner Jdee
geschickt ausgeführet, so wird eure Aeneis nicht
nur den jungen Magistern und Studenten anstän-
dig seyn, welche die geheimnißvollen und mit Be-

grif-
[Crit. Samml. VIII. St.] D [1]

als Verleger der deutſchen Aeneis
rungen machen lieſſet, worinnen der laͤcherliche
Witz und die poſſierliche Verkehrung in ihr rech-
tes Licht geſetzet, und dem Leſer auf die Spur
des Luſtigen geholffen wuͤrde; man muͤßte die
wohlflieſſende Plattheit, die feinen Zweydeutig-
keiten, die geſchickte Erniedrigung des Praͤchtigen,
die unerwartete Vermiſchung des Schimpfes mit
dem Ernſte, die angenehme Vermeidung aller har-
ten und Nachdencken erfodernden Gedancken ſorg-
faͤltig anmercken, und das alles des Hrn. Schw.
Kunſt und Vorſatze zuſchreiben. Man muͤſte um-
ſtaͤndlich anzeigen, wie er verſchiedene und gantz
abgeſonderte Begriffe in einem Guß zuſammen-
geſchmeltzet; mit einander verbunden, was unmoͤg-
lich zugleich beſtehen kan; den Nebenumſtand in die
Haupthandlung verkehret; Wunderwercke ver-
richtet; alltaͤgliche Wahrheiten mit unwiderſprech-
lichen Gruͤnden unterſtuͤtzet hat; und was derglei-
chen mehr iſt. Dieſes iſt deſto noͤthiger, weil man
ihm mit gutem Grunde vorwerffen koͤnnte, ſeine
Schwaͤncke ſeyn zu ſchal und ſeine Ausſchweifungen
haben das Saltz nicht, das in dem franzoͤſiſchen
Scarron den Poſſen einen Geſchmack giebt; der-
geſtalt daß man ihn mit denen Pritſchmeiſtern ver-
gleichen koͤnnte, welche ſich gerne naͤrriſch ſtellen
wollten, aber weder Weiſe noch Gebehrde dazu
verſtehen, und wenn man ſie gleich ſchuͤnde, es
nicht hoͤher bringen koͤnnen, als daß ſie die Ohren
ſchuͤtteln. Wird die Sache nach meiner Jdee
geſchickt ausgefuͤhret, ſo wird eure Aeneis nicht
nur den jungen Magiſtern und Studenten anſtaͤn-
dig ſeyn, welche die geheimnißvollen und mit Be-

grif-
[Crit. Sam̃l. VIII. St.] D [1]
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="49"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">als Verleger der deut&#x017F;chen Aeneis</hi></fw><lb/>
rungen machen lie&#x017F;&#x017F;et, worinnen der la&#x0364;cherliche<lb/>
Witz und die po&#x017F;&#x017F;ierliche Verkehrung in ihr rech-<lb/>
tes Licht ge&#x017F;etzet, und dem Le&#x017F;er auf die Spur<lb/>
des Lu&#x017F;tigen geholffen wu&#x0364;rde; man mu&#x0364;ßte die<lb/>
wohlflie&#x017F;&#x017F;ende Plattheit, die feinen Zweydeutig-<lb/>
keiten, die ge&#x017F;chickte Erniedrigung des Pra&#x0364;chtigen,<lb/>
die unerwartete Vermi&#x017F;chung des Schimpfes mit<lb/>
dem Ern&#x017F;te, die angenehme Vermeidung aller har-<lb/>
ten und Nachdencken erfodernden Gedancken &#x017F;org-<lb/>
fa&#x0364;ltig anmercken, und das alles des Hrn. Schw.<lb/>
Kun&#x017F;t und Vor&#x017F;atze zu&#x017F;chreiben. Man mu&#x0364;&#x017F;te um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndlich anzeigen, wie er ver&#x017F;chiedene und gantz<lb/>
abge&#x017F;onderte Begriffe in einem Guß zu&#x017F;ammen-<lb/>
ge&#x017F;chmeltzet; mit einander verbunden, was unmo&#x0364;g-<lb/>
lich zugleich be&#x017F;tehen kan; den Nebenum&#x017F;tand in die<lb/>
Haupthandlung verkehret; Wunderwercke ver-<lb/>
richtet; allta&#x0364;gliche Wahrheiten mit unwider&#x017F;prech-<lb/>
lichen Gru&#x0364;nden unter&#x017F;tu&#x0364;tzet hat; und was derglei-<lb/>
chen mehr i&#x017F;t. Die&#x017F;es i&#x017F;t de&#x017F;to no&#x0364;thiger, weil man<lb/>
ihm mit gutem Grunde vorwerffen ko&#x0364;nnte, &#x017F;eine<lb/>
Schwa&#x0364;ncke &#x017F;eyn zu &#x017F;chal und &#x017F;eine Aus&#x017F;chweifungen<lb/>
haben das Saltz nicht, das in dem franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Scarron den Po&#x017F;&#x017F;en einen Ge&#x017F;chmack giebt; der-<lb/>
ge&#x017F;talt daß man ihn mit denen Prit&#x017F;chmei&#x017F;tern ver-<lb/>
gleichen ko&#x0364;nnte, welche &#x017F;ich gerne na&#x0364;rri&#x017F;ch &#x017F;tellen<lb/>
wollten, aber weder Wei&#x017F;e noch Gebehrde dazu<lb/>
ver&#x017F;tehen, und wenn man &#x017F;ie gleich &#x017F;chu&#x0364;nde, es<lb/>
nicht ho&#x0364;her bringen ko&#x0364;nnen, als daß &#x017F;ie die Ohren<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tteln. Wird die Sache nach meiner Jdee<lb/>
ge&#x017F;chickt ausgefu&#x0364;hret, &#x017F;o wird eure Aeneis nicht<lb/>
nur den jungen Magi&#x017F;tern und Studenten an&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dig &#x017F;eyn, welche die geheimnißvollen und mit Be-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">[Crit. Sam&#x0303;l. <hi rendition="#aq">VIII.</hi> St.] D <supplied>1</supplied></fw><fw place="bottom" type="catch">grif-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[49/0049] als Verleger der deutſchen Aeneis rungen machen lieſſet, worinnen der laͤcherliche Witz und die poſſierliche Verkehrung in ihr rech- tes Licht geſetzet, und dem Leſer auf die Spur des Luſtigen geholffen wuͤrde; man muͤßte die wohlflieſſende Plattheit, die feinen Zweydeutig- keiten, die geſchickte Erniedrigung des Praͤchtigen, die unerwartete Vermiſchung des Schimpfes mit dem Ernſte, die angenehme Vermeidung aller har- ten und Nachdencken erfodernden Gedancken ſorg- faͤltig anmercken, und das alles des Hrn. Schw. Kunſt und Vorſatze zuſchreiben. Man muͤſte um- ſtaͤndlich anzeigen, wie er verſchiedene und gantz abgeſonderte Begriffe in einem Guß zuſammen- geſchmeltzet; mit einander verbunden, was unmoͤg- lich zugleich beſtehen kan; den Nebenumſtand in die Haupthandlung verkehret; Wunderwercke ver- richtet; alltaͤgliche Wahrheiten mit unwiderſprech- lichen Gruͤnden unterſtuͤtzet hat; und was derglei- chen mehr iſt. Dieſes iſt deſto noͤthiger, weil man ihm mit gutem Grunde vorwerffen koͤnnte, ſeine Schwaͤncke ſeyn zu ſchal und ſeine Ausſchweifungen haben das Saltz nicht, das in dem franzoͤſiſchen Scarron den Poſſen einen Geſchmack giebt; der- geſtalt daß man ihn mit denen Pritſchmeiſtern ver- gleichen koͤnnte, welche ſich gerne naͤrriſch ſtellen wollten, aber weder Weiſe noch Gebehrde dazu verſtehen, und wenn man ſie gleich ſchuͤnde, es nicht hoͤher bringen koͤnnen, als daß ſie die Ohren ſchuͤtteln. Wird die Sache nach meiner Jdee geſchickt ausgefuͤhret, ſo wird eure Aeneis nicht nur den jungen Magiſtern und Studenten anſtaͤn- dig ſeyn, welche die geheimnißvollen und mit Be- grif- [Crit. Sam̃l. VIII. St.] D 1

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/49
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/49>, abgerufen am 26.04.2024.