Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

auf den Weisen.
von dem niedrigen Pöbel entfernet, und sei-
ne Glückseligkeit bey sich selbst findet, läßt er
uns sein eigenes großmüthiges Hertz gleich-
sam offen sehen und bewundern; er giebt da-
durch seiner philosophischen Beschreibung ein
grosses Gewicht der Glaubwürdigkeit: Zumah-
len da in diesem kleinen Gedichte mehr der-
gleichen kühne Entschlüsse und Hertzens-Ge-
danken zu finden sind, als man in mancher weit-
läuftigen Sammlung deutscher Poesien vergeb-
lich suchen wird. Dergleichen sind:

Doch wer ist groß? Der Fürsten nicht vergöttert,
Und edler denkt, als mancher Fürst gedacht.


Der Geist, durch den ein Cato groß geworden,
Fährt in kein Band, und ruht auf keinem Orden.


Wie oft ist der der Welt im Zorn gegeben,
Den Clerisey und Hof und Land erheben?


Von der Schmeicheley und unverdienten
Schande:

Führt im Triumph die Blöden, die nichts wissen,
Und, was sie sind, vom Pöbel lernen müssen.


Von der Weisheit:

Jhr Geist ist starck und geht durch alle Geister.

Was jetzo den edeln und kühnen Ausdruck
betrift, der diesem sonst philosophischen Gedichte
ein poetisches Ansehen mitheilen soll, so finde
ich, daß der Verfasser unterschiedliche Kunst-
griffe gebraucht hat, dieses zu erhalten: Als

z. E.
B 4

auf den Weiſen.
von dem niedrigen Poͤbel entfernet, und ſei-
ne Gluͤckſeligkeit bey ſich ſelbſt findet, laͤßt er
uns ſein eigenes großmuͤthiges Hertz gleich-
ſam offen ſehen und bewundern; er giebt da-
durch ſeiner philoſophiſchen Beſchreibung ein
groſſes Gewicht der Glaubwuͤrdigkeit: Zumah-
len da in dieſem kleinen Gedichte mehr der-
gleichen kuͤhne Entſchluͤſſe und Hertzens-Ge-
danken zu finden ſind, als man in mancher weit-
laͤuftigen Sammlung deutſcher Poeſien vergeb-
lich ſuchen wird. Dergleichen ſind:

Doch wer iſt groß? Der Fuͤrſten nicht vergoͤttert,
Und edler denkt, als mancher Fuͤrſt gedacht.


Der Geiſt, durch den ein Cato groß geworden,
Faͤhrt in kein Band, und ruht auf keinem Orden.


Wie oft iſt der der Welt im Zorn gegeben,
Den Cleriſey und Hof und Land erheben?


Von der Schmeicheley und unverdienten
Schande:

Fuͤhrt im Triumph die Bloͤden, die nichts wiſſen,
Und, was ſie ſind, vom Poͤbel lernen muͤſſen.


Von der Weisheit:

Jhr Geiſt iſt ſtarck und geht durch alle Geiſter.

Was jetzo den edeln und kuͤhnen Ausdruck
betrift, der dieſem ſonſt philoſophiſchen Gedichte
ein poetiſches Anſehen mitheilen ſoll, ſo finde
ich, daß der Verfaſſer unterſchiedliche Kunſt-
griffe gebraucht hat, dieſes zu erhalten: Als

z. E.
B 4
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0023" n="23"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">auf den Wei&#x017F;en.</hi></fw><lb/>
von dem niedrigen Po&#x0364;bel entfernet, und &#x017F;ei-<lb/>
ne Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit bey &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t findet, la&#x0364;ßt er<lb/>
uns &#x017F;ein eigenes großmu&#x0364;thiges Hertz gleich-<lb/>
&#x017F;am offen &#x017F;ehen und bewundern; er giebt da-<lb/>
durch &#x017F;einer philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Be&#x017F;chreibung ein<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;es Gewicht der Glaubwu&#x0364;rdigkeit: Zumah-<lb/>
len da in die&#x017F;em kleinen Gedichte mehr der-<lb/>
gleichen ku&#x0364;hne Ent&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Hertzens-Ge-<lb/>
danken zu finden &#x017F;ind, als man in mancher weit-<lb/>
la&#x0364;uftigen Sammlung deut&#x017F;cher Poe&#x017F;ien vergeb-<lb/>
lich &#x017F;uchen wird. Dergleichen &#x017F;ind:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Doch wer i&#x017F;t groß? Der Fu&#x0364;r&#x017F;ten nicht vergo&#x0364;ttert,</l><lb/>
          <l>Und edler denkt, als mancher Fu&#x0364;r&#x017F;t gedacht.</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Der Gei&#x017F;t, durch den ein Cato groß geworden,</l><lb/>
          <l>Fa&#x0364;hrt in kein Band, und ruht auf keinem Orden.</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Wie oft i&#x017F;t der der Welt im Zorn gegeben,</l><lb/>
          <l>Den Cleri&#x017F;ey und Hof und Land erheben?</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Von der Schmeicheley und unverdienten<lb/>
Schande:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Fu&#x0364;hrt im Triumph die Blo&#x0364;den, die nichts wi&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Und, was &#x017F;ie &#x017F;ind, vom Po&#x0364;bel lernen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Von der Weisheit:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>Jhr Gei&#x017F;t i&#x017F;t &#x017F;tarck und geht durch alle Gei&#x017F;ter.</quote>
        </cit><lb/>
        <p>Was jetzo den edeln und ku&#x0364;hnen Ausdruck<lb/>
betrift, der die&#x017F;em &#x017F;on&#x017F;t philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Gedichte<lb/>
ein poeti&#x017F;ches An&#x017F;ehen mitheilen &#x017F;oll, &#x017F;o finde<lb/>
ich, daß der Verfa&#x017F;&#x017F;er unter&#x017F;chiedliche Kun&#x017F;t-<lb/>
griffe gebraucht hat, die&#x017F;es zu erhalten: Als<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 4</fw><fw place="bottom" type="catch">z. E.</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[23/0023] auf den Weiſen. von dem niedrigen Poͤbel entfernet, und ſei- ne Gluͤckſeligkeit bey ſich ſelbſt findet, laͤßt er uns ſein eigenes großmuͤthiges Hertz gleich- ſam offen ſehen und bewundern; er giebt da- durch ſeiner philoſophiſchen Beſchreibung ein groſſes Gewicht der Glaubwuͤrdigkeit: Zumah- len da in dieſem kleinen Gedichte mehr der- gleichen kuͤhne Entſchluͤſſe und Hertzens-Ge- danken zu finden ſind, als man in mancher weit- laͤuftigen Sammlung deutſcher Poeſien vergeb- lich ſuchen wird. Dergleichen ſind: Doch wer iſt groß? Der Fuͤrſten nicht vergoͤttert, Und edler denkt, als mancher Fuͤrſt gedacht. Der Geiſt, durch den ein Cato groß geworden, Faͤhrt in kein Band, und ruht auf keinem Orden. Wie oft iſt der der Welt im Zorn gegeben, Den Cleriſey und Hof und Land erheben? Von der Schmeicheley und unverdienten Schande: Fuͤhrt im Triumph die Bloͤden, die nichts wiſſen, Und, was ſie ſind, vom Poͤbel lernen muͤſſen. Von der Weisheit: Jhr Geiſt iſt ſtarck und geht durch alle Geiſter. Was jetzo den edeln und kuͤhnen Ausdruck betrift, der dieſem ſonſt philoſophiſchen Gedichte ein poetiſches Anſehen mitheilen ſoll, ſo finde ich, daß der Verfaſſer unterſchiedliche Kunſt- griffe gebraucht hat, dieſes zu erhalten: Als z. E. B 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/23
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/23>, abgerufen am 26.04.2024.