[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.des vierzehnten Jahrhunderts. XVI. Der Frosch und der Ochs. EJn Frosch war einst mit seinem Jungen Aus seinem Sumpf ans Land gesprungen; Wo er ein grosses Rindvieh fand; Das hielt er sich vor eine Schand. Er sprach: O Himmel, hab ich dir Darum zu dancken, daß du mir Solch einen kleinen Leib gegeben? Wie gantz verschmähet ist mein Leben Vor vielen, welche grösser sind, Wie gegenwärtig dieses Rind! Er wollte gern dem Ochsen gleichen, Er bläht sich sehr, ihn zu erreichen. Sein Sohn sieht das, und spricht: o nein! Es hilft nicht: Laß dein blähen seyn. Du magst dem nicht wohl widerstreben, Was die Natur dir hat gegeben. Der Alte folgte nicht dem Knaben, Die Hoffart wollt er für sich haben. Zum andern mahl nun, bläht er sich, Und sprach zn seinem Sohn: Mögt ich Dem grossen Ochsen gleicher werden, Geschähe mir auf dieser Erden Nichts liebers, Sohn, auf meinen Eid. Der Sohn sprach: Vater, mir ist leid, Daß du dich marterst ohne Noth Jch fürchte sehr, du blähst dich todt, Folg mir und sey mit Willen klein, Und laß dein üppig Blähen seyn. Der Alte sprach: Es wär ein Spott, Jch thu es nicht; mir helffe Gott; Jch muß groß werden, wie das Rind, Deß hast du Ehre, werthes Kind. Er blähte sich, indem ers sprach, So heftig auf, daß er zerbrach. XVII. Der E 5
des vierzehnten Jahrhunderts. XVI. Der Froſch und der Ochs. EJn Froſch war einſt mit ſeinem Jungen Aus ſeinem Sumpf ans Land geſprungen; Wo er ein groſſes Rindvieh fand; Das hielt er ſich vor eine Schand. Er ſprach: O Himmel, hab ich dir Darum zu dancken, daß du mir Solch einen kleinen Leib gegeben? Wie gantz verſchmaͤhet iſt mein Leben Vor vielen, welche groͤſſer ſind, Wie gegenwaͤrtig dieſes Rind! Er wollte gern dem Ochſen gleichen, Er blaͤht ſich ſehr, ihn zu erreichen. Sein Sohn ſieht das, und ſpricht: o nein! Es hilft nicht: Laß dein blaͤhen ſeyn. Du magſt dem nicht wohl widerſtreben, Was die Natur dir hat gegeben. Der Alte folgte nicht dem Knaben, Die Hoffart wollt er fuͤr ſich haben. Zum andern mahl nun, blaͤht er ſich, Und ſprach zn ſeinem Sohn: Moͤgt ich Dem groſſen Ochſen gleicher werden, Geſchaͤhe mir auf dieſer Erden Nichts liebers, Sohn, auf meinen Eid. Der Sohn ſprach: Vater, mir iſt leid, Daß du dich marterſt ohne Noth Jch fuͤrchte ſehr, du blaͤhſt dich todt, Folg mir und ſey mit Willen klein, Und laß dein uͤppig Blaͤhen ſeyn. Der Alte ſprach: Es waͤr ein Spott, Jch thu es nicht; mir helffe Gott; Jch muß groß werden, wie das Rind, Deß haſt du Ehre, werthes Kind. Er blaͤhte ſich, indem ers ſprach, So heftig auf, daß er zerbrach. XVII. Der E 5
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des vierzehnten Jahrhunderts.
XVI.
Der Froſch und der Ochs.
EJn Froſch war einſt mit ſeinem Jungen
Aus ſeinem Sumpf ans Land geſprungen;
Wo er ein groſſes Rindvieh fand;
Das hielt er ſich vor eine Schand.
Er ſprach: O Himmel, hab ich dir
Darum zu dancken, daß du mir
Solch einen kleinen Leib gegeben?
Wie gantz verſchmaͤhet iſt mein Leben
Vor vielen, welche groͤſſer ſind,
Wie gegenwaͤrtig dieſes Rind!
Er wollte gern dem Ochſen gleichen,
Er blaͤht ſich ſehr, ihn zu erreichen.
Sein Sohn ſieht das, und ſpricht: o nein!
Es hilft nicht: Laß dein blaͤhen ſeyn.
Du magſt dem nicht wohl widerſtreben,
Was die Natur dir hat gegeben.
Der Alte folgte nicht dem Knaben,
Die Hoffart wollt er fuͤr ſich haben.
Zum andern mahl nun, blaͤht er ſich,
Und ſprach zn ſeinem Sohn: Moͤgt ich
Dem groſſen Ochſen gleicher werden,
Geſchaͤhe mir auf dieſer Erden
Nichts liebers, Sohn, auf meinen Eid.
Der Sohn ſprach: Vater, mir iſt leid,
Daß du dich marterſt ohne Noth
Jch fuͤrchte ſehr, du blaͤhſt dich todt,
Folg mir und ſey mit Willen klein,
Und laß dein uͤppig Blaͤhen ſeyn.
Der Alte ſprach: Es waͤr ein Spott,
Jch thu es nicht; mir helffe Gott;
Jch muß groß werden, wie das Rind,
Deß haſt du Ehre, werthes Kind.
Er blaͤhte ſich, indem ers ſprach,
So heftig auf, daß er zerbrach.
XVII. Der
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