Von den vortrefflichen Umständen für die Poesie unter den Kaisern aus dem schwäbischen Hause.
EJn gelehrter Mann (*), dem die Stafeln, nach welchen die Litteratur gestiegen, wohl bekannt gewesen, hat in Acht genommen, daß die Zeiten da Freyheit und Sclaverey mit einander um die Oberhand gestritten, der Welt gemeiniglich et- was vortreffliches von Werken des Geistes geliefert haben: Jn dergleichen Zeiten geben die Leute sich durchaus zu erkennen; das menschliche Geschlecht ist denn gewissen indianischen Federn gleich, welche sich in mehr als einem Lichte zu ihrem Vortheil zeigen. Die Verwirrungen und Gefährlichkeiten, die in solchen Umständen häuffig sind, setzen alle ihre Leidenschaften in Bewegung, und kehren sie in alle möglichen Gestalten. Wenn diese moralischen Stellungen denn wol in Acht genommen und ge- schikt beschrieben werden, müssen vortreffliche Wer- ke daraus werden.
Eben derselbe hat in diesen Zeiten der Fehden eine Art Freyheit bemercket, die ihnen eigen ist. Sie verursachen einen freyen und hurtigen Geist, der sich in das gantze Land ausbreitet. Jeder- mann sieht sich dann seinen eigenen Herrn, und daß er aus sich selber machen darf, was er kan. Er weis nicht, wie hoch er steigen mag, und die Ge-
setze
(*) Sehet Inquiry into the live and the Writing[s] of Homer.
B 5
Von den vortrefflichen Umſtaͤnden fuͤr die Poeſie unter den Kaiſern aus dem ſchwaͤbiſchen Hauſe.
EJn gelehrter Mann (*), dem die Stafeln, nach welchen die Litteratur geſtiegen, wohl bekannt geweſen, hat in Acht genommen, daß die Zeiten da Freyheit und Sclaverey mit einander um die Oberhand geſtritten, der Welt gemeiniglich et- was vortreffliches von Werken des Geiſtes geliefert haben: Jn dergleichen Zeiten geben die Leute ſich durchaus zu erkennen; das menſchliche Geſchlecht iſt denn gewiſſen indianiſchen Federn gleich, welche ſich in mehr als einem Lichte zu ihrem Vortheil zeigen. Die Verwirrungen und Gefaͤhrlichkeiten, die in ſolchen Umſtaͤnden haͤuffig ſind, ſetzen alle ihre Leidenſchaften in Bewegung, und kehren ſie in alle moͤglichen Geſtalten. Wenn dieſe moraliſchen Stellungen denn wol in Acht genommen und ge- ſchikt beſchrieben werden, muͤſſen vortreffliche Wer- ke daraus werden.
Eben derſelbe hat in dieſen Zeiten der Fehden eine Art Freyheit bemercket, die ihnen eigen iſt. Sie verurſachen einen freyen und hurtigen Geiſt, der ſich in das gantze Land ausbreitet. Jeder- mann ſieht ſich dann ſeinen eigenen Herrn, und daß er aus ſich ſelber machen darf, was er kan. Er weis nicht, wie hoch er ſteigen mag, und die Ge-
ſetze
(*) Sehet Inquiry into the live and the Writing[s] of Homer.
B 5
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Von den vortrefflichen Umſtaͤnden
fuͤr die Poeſie unter den Kaiſern aus
dem ſchwaͤbiſchen Hauſe.
EJn gelehrter Mann (*), dem die Stafeln,
nach welchen die Litteratur geſtiegen, wohl
bekannt geweſen, hat in Acht genommen, daß die
Zeiten da Freyheit und Sclaverey mit einander um
die Oberhand geſtritten, der Welt gemeiniglich et-
was vortreffliches von Werken des Geiſtes geliefert
haben: Jn dergleichen Zeiten geben die Leute ſich
durchaus zu erkennen; das menſchliche Geſchlecht iſt
denn gewiſſen indianiſchen Federn gleich, welche ſich
in mehr als einem Lichte zu ihrem Vortheil zeigen.
Die Verwirrungen und Gefaͤhrlichkeiten, die in
ſolchen Umſtaͤnden haͤuffig ſind, ſetzen alle ihre
Leidenſchaften in Bewegung, und kehren ſie in
alle moͤglichen Geſtalten. Wenn dieſe moraliſchen
Stellungen denn wol in Acht genommen und ge-
ſchikt beſchrieben werden, muͤſſen vortreffliche Wer-
ke daraus werden.
Eben derſelbe hat in dieſen Zeiten der Fehden
eine Art Freyheit bemercket, die ihnen eigen iſt.
Sie verurſachen einen freyen und hurtigen Geiſt,
der ſich in das gantze Land ausbreitet. Jeder-
mann ſieht ſich dann ſeinen eigenen Herrn, und daß
er aus ſich ſelber machen darf, was er kan. Er
weis nicht, wie hoch er ſteigen mag, und die Ge-
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(*) Sehet Inquiry into the live and the Writings
of Homer.
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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/25>, abgerufen am 06.01.2025.
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