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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

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Mauvillons Brief
die deutschen gemischt würden. Was entstuhnd
daher? Man mußte für die ausgemerzten Wör-
ter neue erfinden, (m) man vermehrte die
Schwierigkeiten und Undeutlichkeiten, weil die-
se neugeprägten Wörter aus vielen andern zu-
sammengesezt sind, die so zusammengesezt nur
eine flüchtige und allgemeine Bedeutung formie-
ren. Zum Exempel, die Deutschen brauchten
vor diesem unser Wort Lakey, einen Hausge-
nossen zu bezeichnen, der seinem Herrn folget,
wenn er ausgehet: izt sagen sie Nachtreter. Jst

etwas
(m) Heräus in seinen Gedancken von Errichtung ei-
ner deutschen Sprach-Gesellschaft
sagt von der Einfüh-
rung guter Wörter: "Dabey ist die billige Behutsamkeit
"zu gebrauchen, daß man 1.) alle fremde Worte, wenn
"sie mit gleichem Nachdruck nicht können gegeben wer-
"den, insonderheit die Kunstworte nicht eigensinnig ver-
"banne, wie sich einige der Fruchtbringenden Gesellschaft
"zum Nachtheil des ersten guten Absehens mit Auswechs-
"lung des Worts Uebersetzer für einen Circkel, Tagleuch-
"ter
für ein Fenster etc. lächerlich gemacht. Sondern die-
"selben vielmehr nach dem Beyspiel aller andern Völcker,
"mit Verleihung des Bürgerrechts in die deutsche Spra-
"che aufnehme, und mit deutschen Buchstaben gleichsam
"in einer gleichen Tracht mit andern ununterbrochenen Zei-
"len aufführe."
Siehe das II. Stück der Critischen
Dichtkunst
Bl. 278. Jn demselben Tone lautet, was der
Herr von Leibnitz in seinen Gedancken von Verbesserung
der deutschen Sprache
§. 15. 16. und 17. aufgezeichnet
hat, wo es heißt: "Jn Ansehung derjenigen Wörter, die
uns mangeln, hätte man fürnehmlich auf deren Ersetzung,
oder wenn sie schon verhanden, aber vergessen und unbe-
kannt, auf deren Wiederbringung zu gedencken, und wo
sich dergleichen nichts ergeben will, einigen guten Wörtern
der

Mauvillons Brief
die deutſchen gemiſcht wuͤrden. Was entſtuhnd
daher? Man mußte fuͤr die ausgemerzten Woͤr-
ter neue erfinden, (m) man vermehrte die
Schwierigkeiten und Undeutlichkeiten, weil die-
ſe neugepraͤgten Woͤrter aus vielen andern zu-
ſammengeſezt ſind, die ſo zuſammengeſezt nur
eine fluͤchtige und allgemeine Bedeutung formie-
ren. Zum Exempel, die Deutſchen brauchten
vor dieſem unſer Wort Lakey, einen Hausge-
noſſen zu bezeichnen, der ſeinem Herrn folget,
wenn er ausgehet: izt ſagen ſie Nachtreter. Jſt

etwas
(m) Heraͤus in ſeinen Gedancken von Errichtung ei-
ner deutſchen Sprach-Geſellſchaft
ſagt von der Einfuͤh-
rung guter Woͤrter: „Dabey iſt die billige Behutſamkeit
„zu gebrauchen, daß man 1.) alle fremde Worte, wenn
„ſie mit gleichem Nachdruck nicht koͤnnen gegeben wer-
„den, inſonderheit die Kunſtworte nicht eigenſinnig ver-
„banne, wie ſich einige der Fruchtbringenden Geſellſchaft
„zum Nachtheil des erſten guten Abſehens mit Auswechs-
„lung des Worts Ueberſetzer fuͤr einen Circkel, Tagleuch-
„ter
fuͤr ein Fenſter ꝛc. laͤcherlich gemacht. Sondern die-
„ſelben vielmehr nach dem Beyſpiel aller andern Voͤlcker,
„mit Verleihung des Buͤrgerrechts in die deutſche Spra-
„che aufnehme, und mit deutſchen Buchſtaben gleichſam
„in einer gleichen Tracht mit andern ununterbrochenen Zei-
„len auffuͤhre.„
Siehe das II. Stuͤck der Critiſchen
Dichtkunſt
Bl. 278. Jn demſelben Tone lautet, was der
Herr von Leibnitz in ſeinen Gedancken von Verbeſſerung
der deutſchen Sprache
§. 15. 16. und 17. aufgezeichnet
hat, wo es heißt: „Jn Anſehung derjenigen Woͤrter, die
uns mangeln, haͤtte man fuͤrnehmlich auf deren Erſetzung,
oder wenn ſie ſchon verhanden, aber vergeſſen und unbe-
kannt, auf deren Wiederbringung zu gedencken, und wo
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[18/0018] Mauvillons Brief die deutſchen gemiſcht wuͤrden. Was entſtuhnd daher? Man mußte fuͤr die ausgemerzten Woͤr- ter neue erfinden, (m) man vermehrte die Schwierigkeiten und Undeutlichkeiten, weil die- ſe neugepraͤgten Woͤrter aus vielen andern zu- ſammengeſezt ſind, die ſo zuſammengeſezt nur eine fluͤchtige und allgemeine Bedeutung formie- ren. Zum Exempel, die Deutſchen brauchten vor dieſem unſer Wort Lakey, einen Hausge- noſſen zu bezeichnen, der ſeinem Herrn folget, wenn er ausgehet: izt ſagen ſie Nachtreter. Jſt etwas (m) Heraͤus in ſeinen Gedancken von Errichtung ei- ner deutſchen Sprach-Geſellſchaft ſagt von der Einfuͤh- rung guter Woͤrter: „Dabey iſt die billige Behutſamkeit „zu gebrauchen, daß man 1.) alle fremde Worte, wenn „ſie mit gleichem Nachdruck nicht koͤnnen gegeben wer- „den, inſonderheit die Kunſtworte nicht eigenſinnig ver- „banne, wie ſich einige der Fruchtbringenden Geſellſchaft „zum Nachtheil des erſten guten Abſehens mit Auswechs- „lung des Worts Ueberſetzer fuͤr einen Circkel, Tagleuch- „ter fuͤr ein Fenſter ꝛc. laͤcherlich gemacht. Sondern die- „ſelben vielmehr nach dem Beyſpiel aller andern Voͤlcker, „mit Verleihung des Buͤrgerrechts in die deutſche Spra- „che aufnehme, und mit deutſchen Buchſtaben gleichſam „in einer gleichen Tracht mit andern ununterbrochenen Zei- „len auffuͤhre.„ Siehe das II. Stuͤck der Critiſchen Dichtkunſt Bl. 278. Jn demſelben Tone lautet, was der Herr von Leibnitz in ſeinen Gedancken von Verbeſſerung der deutſchen Sprache §. 15. 16. und 17. aufgezeichnet hat, wo es heißt: „Jn Anſehung derjenigen Woͤrter, die uns mangeln, haͤtte man fuͤrnehmlich auf deren Erſetzung, oder wenn ſie ſchon verhanden, aber vergeſſen und unbe- kannt, auf deren Wiederbringung zu gedencken, und wo ſich dergleichen nichts ergeben will, einigen guten Woͤrtern der

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/18>, abgerufen am 26.04.2024.