Kriegen Englands mit Napoleon I. hat sich auch in dieser Hinsicht die Welt sehr verändert. Der englische Welthandel bedarf nun zu seiner Sicherung kaum minder des völkerrechtlichen Schutzes, als der französische, oder nordamerikanische oder deutsche; denn so mächtig die englische Kriegs- marine auch ist, sie wäre doch nicht im Stande, zugleich der feindlichen Kriegsmarine zu begegnen und überall die englischen Kauffahrer zu schützen. Wir dürfen daher wohl die Hoffnung hegen, daß die Vorschläge, welche Bremen im Jahre 1859 zum Schutz des friedlichen Welthandels gemacht hat, schließlich auch die Billigung Englands finden und dann zum allge- meinen Völkerrecht erhoben werden.
Die Neutralität.
Zum Schlusse verdient noch die Ausbildung der Rechte und Pflich- ten der neutralen Staten erwähnt zu werden, welche seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts ebenfalls manche Fortschritte gemacht hat. Indem das Recht der Neutralität wächst, wird zugleich das Recht und die Gefahr des Krieges eingeschränkt. Die neutralen Staten umschließen mit ihrem friedlichem Gebiete das Kriegsgebiet. An ihren Gränzen bricht sich die Brandung der Kriegsfluth.
Es ist überhaupt ein beachtenswerthes und preiswürdiges Bestreben, wie es sich in dem neuesten Russischen, dem Italienischen und dem Däni- schen Kriege gezeigt hat, den Krieg möglichst zu localisiren, d. h. die unvermeidliche Gewalt und die Uebel des Krieges auf ein möglichst enges Kriegsfeld einzugränzen. Die allmählich erstarkte Neutralität hilft den Krieg im Großen localisiren. Dadurch wird die Welt vor einem allge- meinen Weltbrand geschützt und es wird die Macht des Friedens auch dem Kriege gegenüber fortwährend bewährt. Die neutralen Staaten vertreten das friedliche Regelrecht, setzen der Ausnahme des Kriegsrechts Schranken und tragen überdem dazu bei, die Leiden des Kriegs zu mildern, indem sie den Verfolgten und Flüchtlingen eine friedliche Zuflucht eröffnen, und den Krieg eher zu beendigen, indem sie die Friedensunterhandlungen er- leichtern und vermitteln.
Der Anstoß, welchen die Russische Kaiserin KatharinaII. auf den Rath ihres Kanzlers Panin in der sogenannten "bewaffneten Neutralität" von 1780 zum Schutz der neutralen Schiffahrt gegeben, und die Verab- redungen, welche in derselben Richtung im Jahre 1800 von den nordischen Mächten Rußland, Preußen, Schweden und Dänemark getroffen wurden,
Einleitung.
Kriegen Englands mit Napoleon I. hat ſich auch in dieſer Hinſicht die Welt ſehr verändert. Der engliſche Welthandel bedarf nun zu ſeiner Sicherung kaum minder des völkerrechtlichen Schutzes, als der franzöſiſche, oder nordamerikaniſche oder deutſche; denn ſo mächtig die engliſche Kriegs- marine auch iſt, ſie wäre doch nicht im Stande, zugleich der feindlichen Kriegsmarine zu begegnen und überall die engliſchen Kauffahrer zu ſchützen. Wir dürfen daher wohl die Hoffnung hegen, daß die Vorſchläge, welche Bremen im Jahre 1859 zum Schutz des friedlichen Welthandels gemacht hat, ſchließlich auch die Billigung Englands finden und dann zum allge- meinen Völkerrecht erhoben werden.
Die Neutralität.
Zum Schluſſe verdient noch die Ausbildung der Rechte und Pflich- ten der neutralen Staten erwähnt zu werden, welche ſeit dem Ende des vorigen Jahrhunderts ebenfalls manche Fortſchritte gemacht hat. Indem das Recht der Neutralität wächſt, wird zugleich das Recht und die Gefahr des Krieges eingeſchränkt. Die neutralen Staten umſchließen mit ihrem friedlichem Gebiete das Kriegsgebiet. An ihren Gränzen bricht ſich die Brandung der Kriegsfluth.
Es iſt überhaupt ein beachtenswerthes und preiswürdiges Beſtreben, wie es ſich in dem neueſten Ruſſiſchen, dem Italieniſchen und dem Däni- ſchen Kriege gezeigt hat, den Krieg möglichſt zu localiſiren, d. h. die unvermeidliche Gewalt und die Uebel des Krieges auf ein möglichſt enges Kriegsfeld einzugränzen. Die allmählich erſtarkte Neutralität hilft den Krieg im Großen localiſiren. Dadurch wird die Welt vor einem allge- meinen Weltbrand geſchützt und es wird die Macht des Friedens auch dem Kriege gegenüber fortwährend bewährt. Die neutralen Staaten vertreten das friedliche Regelrecht, ſetzen der Ausnahme des Kriegsrechts Schranken und tragen überdem dazu bei, die Leiden des Kriegs zu mildern, indem ſie den Verfolgten und Flüchtlingen eine friedliche Zuflucht eröffnen, und den Krieg eher zu beendigen, indem ſie die Friedensunterhandlungen er- leichtern und vermitteln.
Der Anſtoß, welchen die Ruſſiſche Kaiſerin KatharinaII. auf den Rath ihres Kanzlers Panin in der ſogenannten „bewaffneten Neutralität“ von 1780 zum Schutz der neutralen Schiffahrt gegeben, und die Verab- redungen, welche in derſelben Richtung im Jahre 1800 von den nordiſchen Mächten Rußland, Preußen, Schweden und Dänemark getroffen wurden,
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Einleitung.
Kriegen Englands mit Napoleon I. hat ſich auch in dieſer Hinſicht die
Welt ſehr verändert. Der engliſche Welthandel bedarf nun zu ſeiner
Sicherung kaum minder des völkerrechtlichen Schutzes, als der franzöſiſche,
oder nordamerikaniſche oder deutſche; denn ſo mächtig die engliſche Kriegs-
marine auch iſt, ſie wäre doch nicht im Stande, zugleich der feindlichen
Kriegsmarine zu begegnen und überall die engliſchen Kauffahrer zu ſchützen.
Wir dürfen daher wohl die Hoffnung hegen, daß die Vorſchläge, welche
Bremen im Jahre 1859 zum Schutz des friedlichen Welthandels gemacht
hat, ſchließlich auch die Billigung Englands finden und dann zum allge-
meinen Völkerrecht erhoben werden.
Die Neutralität.
Zum Schluſſe verdient noch die Ausbildung der Rechte und Pflich-
ten der neutralen Staten erwähnt zu werden, welche ſeit dem Ende des
vorigen Jahrhunderts ebenfalls manche Fortſchritte gemacht hat. Indem
das Recht der Neutralität wächſt, wird zugleich das Recht und die Gefahr
des Krieges eingeſchränkt. Die neutralen Staten umſchließen mit ihrem
friedlichem Gebiete das Kriegsgebiet. An ihren Gränzen bricht ſich die
Brandung der Kriegsfluth.
Es iſt überhaupt ein beachtenswerthes und preiswürdiges Beſtreben,
wie es ſich in dem neueſten Ruſſiſchen, dem Italieniſchen und dem Däni-
ſchen Kriege gezeigt hat, den Krieg möglichſt zu localiſiren, d. h. die
unvermeidliche Gewalt und die Uebel des Krieges auf ein möglichſt enges
Kriegsfeld einzugränzen. Die allmählich erſtarkte Neutralität hilft den
Krieg im Großen localiſiren. Dadurch wird die Welt vor einem allge-
meinen Weltbrand geſchützt und es wird die Macht des Friedens auch dem
Kriege gegenüber fortwährend bewährt. Die neutralen Staaten vertreten
das friedliche Regelrecht, ſetzen der Ausnahme des Kriegsrechts Schranken
und tragen überdem dazu bei, die Leiden des Kriegs zu mildern, indem
ſie den Verfolgten und Flüchtlingen eine friedliche Zuflucht eröffnen, und
den Krieg eher zu beendigen, indem ſie die Friedensunterhandlungen er-
leichtern und vermitteln.
Der Anſtoß, welchen die Ruſſiſche Kaiſerin Katharina II. auf den
Rath ihres Kanzlers Panin in der ſogenannten „bewaffneten Neutralität“
von 1780 zum Schutz der neutralen Schiffahrt gegeben, und die Verab-
redungen, welche in derſelben Richtung im Jahre 1800 von den nordiſchen
Mächten Rußland, Preußen, Schweden und Dänemark getroffen wurden,
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/66>, abgerufen am 22.02.2025.
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