Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Einleitung. fläche so weit sich ausstrecken, als es mit der rechtlichen Selbständigkeitanderer Staten verträglich ist. Dieser statliche Rechtsschutz in der Fremde ist zuweilen von mächtigen Staten anmaßlich und übermüthig überspannt worden, aber im Großen und Ganzen ist es doch ein großer Fortschritt eines wirksamen Völkerrechts, daß der internationale Verkehr und die Rechtssicherheit der Fremden nicht der Willkür einer launischen Statsgewalt Preis gegeben und Staten, welche diese Rechte verletzen, zur Genugthuung und Entschädigung angehalten werden. Selbst die völlige Abschließung und Isolirtheit eines States Gemeinschaft der Gewässer. Freie Schiffahrt. Würde sich die Luft nicht jeder menschlichen Absperrung im Großen Einleitung. fläche ſo weit ſich ausſtrecken, als es mit der rechtlichen Selbſtändigkeitanderer Staten verträglich iſt. Dieſer ſtatliche Rechtsſchutz in der Fremde iſt zuweilen von mächtigen Staten anmaßlich und übermüthig überſpannt worden, aber im Großen und Ganzen iſt es doch ein großer Fortſchritt eines wirkſamen Völkerrechts, daß der internationale Verkehr und die Rechtsſicherheit der Fremden nicht der Willkür einer launiſchen Statsgewalt Preis gegeben und Staten, welche dieſe Rechte verletzen, zur Genugthuung und Entſchädigung angehalten werden. Selbſt die völlige Abſchließung und Iſolirtheit eines States Gemeinſchaft der Gewäſſer. Freie Schiffahrt. Würde ſich die Luft nicht jeder menſchlichen Abſperrung im Großen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0047" n="25"/><fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> fläche ſo weit ſich ausſtrecken, als es mit der rechtlichen Selbſtändigkeit<lb/> anderer Staten verträglich iſt. Dieſer ſtatliche Rechtsſchutz in der Fremde<lb/> iſt zuweilen von mächtigen Staten anmaßlich und übermüthig überſpannt<lb/> worden, aber im Großen und Ganzen iſt es doch ein großer Fortſchritt<lb/> eines wirkſamen Völkerrechts, daß der internationale Verkehr und die<lb/> Rechtsſicherheit der Fremden nicht der Willkür einer launiſchen Statsgewalt<lb/> Preis gegeben und Staten, welche dieſe Rechte verletzen, zur Genugthuung<lb/> und Entſchädigung angehalten werden.</p><lb/> <p>Selbſt die völlige <hi rendition="#g">Abſchließung</hi> und <hi rendition="#g">Iſolirtheit</hi> eines States<lb/> wider jeden Fremdenverkehr, in früherer Zeit als ein ſelbſtverſtändliches<lb/> Recht eines ſouveränen States betrachtet, erſcheint dem heutigen Rechts-<lb/> bewußtſein als eine Verletzung des natürlichen Menſchenrechts, welches für<lb/> alle Nationen einen geſicherten Rechtsverkehr fordert, damit die Menſchen-<lb/> anlage zu voller und reicher Entfaltung gelangen und ſo die Beſtimmung<lb/> des Menſchengeſchlechts erfüllt werden könne. In den letzten Jahrhunderten<lb/> hatte ſich ſo die oſtaſiatiſche Welt gegen die europäiſch-amerikaniſche völlig<lb/> abgeſchloſſen. Die chineſiſchen und japaniſchen Seehäfen und Handels-<lb/> ſtädte blieben lange Zeit den Schiffen und Kaufleuten der chriſtlichen<lb/> Nationen verſperrt. Aber in unſern Tagen ſind auch dieſe trennenden<lb/> Schranken vor der zwingenden Macht des erſtarkten menſchlichen Völker-<lb/> rechts gefallen und die oſtaſiatiſchen Reiche in die Handels- und Verkehrs-<lb/> gemeinſchaft mit den Europäern und Amerikanern eingetreten. Im Jahre<lb/> 1842 hat England das chineſiſche Weltreich zuerſt genöthigt, in dem Frie-<lb/> den von Nanking ſeine Häfen wieder zu öffnen, und im Jahre 1858<lb/> haben die Vereinigten Staaten von Nordamerika zuerſt wieder Japan dem<lb/> Weltverkehr erſchloſſen. Seither berühren ſich und wirken auf einander<lb/> die chriſtlich-moderne und die oſtaſiatiſche alte Civiliſation, und das Völker-<lb/> recht hat wiederum einen gewaltigen Fortſchritt zum allgemeinen Weltrecht<lb/> gemacht.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Gemeinſchaft der Gewäſſer.</hi> </head><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Freie Schiffahrt</hi>.</head><lb/> <p>Würde ſich die Luft nicht jeder menſchlichen Abſperrung im Großen<lb/> entziehen, ſo hätte ſicherlich die ſouveräne Selbſtſucht der Einzelſtaten auch<lb/> die Luft über ihrem Lande als ihr ausſchließliches Eigenthum anzuſprechen<lb/> hier oder dort den Verſuch gemacht. Aber die Staten haben keine Gewalt<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [25/0047]
Einleitung.
fläche ſo weit ſich ausſtrecken, als es mit der rechtlichen Selbſtändigkeit
anderer Staten verträglich iſt. Dieſer ſtatliche Rechtsſchutz in der Fremde
iſt zuweilen von mächtigen Staten anmaßlich und übermüthig überſpannt
worden, aber im Großen und Ganzen iſt es doch ein großer Fortſchritt
eines wirkſamen Völkerrechts, daß der internationale Verkehr und die
Rechtsſicherheit der Fremden nicht der Willkür einer launiſchen Statsgewalt
Preis gegeben und Staten, welche dieſe Rechte verletzen, zur Genugthuung
und Entſchädigung angehalten werden.
Selbſt die völlige Abſchließung und Iſolirtheit eines States
wider jeden Fremdenverkehr, in früherer Zeit als ein ſelbſtverſtändliches
Recht eines ſouveränen States betrachtet, erſcheint dem heutigen Rechts-
bewußtſein als eine Verletzung des natürlichen Menſchenrechts, welches für
alle Nationen einen geſicherten Rechtsverkehr fordert, damit die Menſchen-
anlage zu voller und reicher Entfaltung gelangen und ſo die Beſtimmung
des Menſchengeſchlechts erfüllt werden könne. In den letzten Jahrhunderten
hatte ſich ſo die oſtaſiatiſche Welt gegen die europäiſch-amerikaniſche völlig
abgeſchloſſen. Die chineſiſchen und japaniſchen Seehäfen und Handels-
ſtädte blieben lange Zeit den Schiffen und Kaufleuten der chriſtlichen
Nationen verſperrt. Aber in unſern Tagen ſind auch dieſe trennenden
Schranken vor der zwingenden Macht des erſtarkten menſchlichen Völker-
rechts gefallen und die oſtaſiatiſchen Reiche in die Handels- und Verkehrs-
gemeinſchaft mit den Europäern und Amerikanern eingetreten. Im Jahre
1842 hat England das chineſiſche Weltreich zuerſt genöthigt, in dem Frie-
den von Nanking ſeine Häfen wieder zu öffnen, und im Jahre 1858
haben die Vereinigten Staaten von Nordamerika zuerſt wieder Japan dem
Weltverkehr erſchloſſen. Seither berühren ſich und wirken auf einander
die chriſtlich-moderne und die oſtaſiatiſche alte Civiliſation, und das Völker-
recht hat wiederum einen gewaltigen Fortſchritt zum allgemeinen Weltrecht
gemacht.
Gemeinſchaft der Gewäſſer.
Freie Schiffahrt.
Würde ſich die Luft nicht jeder menſchlichen Abſperrung im Großen
entziehen, ſo hätte ſicherlich die ſouveräne Selbſtſucht der Einzelſtaten auch
die Luft über ihrem Lande als ihr ausſchließliches Eigenthum anzuſprechen
hier oder dort den Verſuch gemacht. Aber die Staten haben keine Gewalt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |