1. Die Eröffnung der Friedensunterhandlung kann durch eine der beiden Kriegsparteien selber geschehen, oder durch eine neutrale Macht, welche ent- weder ihre guten Dienste oder ihre Vermittlung anbietet. Vgl. oben § 483 f. Auch im letzten Fall kann der Friedesabschluß unmittelbar von den Kriegsparteien vollzogen werden, damit der Vermittler nicht einen Vorwand zu späterer Einmischung erhalte.
2. Ein Fürst, welcher durch den Krieg aus dem Lande verdrängt worden ist und keine thatsächliche Gewalt mehr im Lande hat, ist nicht mehr berechtigt, das Land zu repräsentiren, sondern kann nur über seine dynastischen Rechte oder seine Ansprüche auf Wiedereinsetzung in die Gewalt, an dem Friedensschluß sich betheiligen (§ 118). Es mag unter Umständen für den Sieger erwünscht und nützlich sein, sich mit ihm friedlich zu verständigen, um spätern Verwicklungen vorzubeugen, aber der Friede kann auch ohne diesen Verzicht vollständig hergestellt sein. Aehnlich verhält es sich mit den Ansprüchen einer aus dem Lande vertriebenen republi- kanischen Regierung.
3. In den meisten Monarchien wird das Recht, Frieden zu schließen, als ein Recht der Krone betrachtet, so jedoch, daß diejenigen Bestimmungen des Friedens, welche dem Lande Lasten auferlegen oder das bestehende Verfassungs- oder Gesetzes- recht ändern, der Zustimmung der Kammern bedürfen, damit sie im Lande anerkannt und ausführbar werden. In vielen Fällen wird sich diese Zustimmung aber als bloße Ratihabition des bereits Vollzogenen darstellen, indem die Noth und das Be- dürfniß, von den Gefahren und Leiden des Kriegs befreit zu werden, vorher schon zum Vollzug der im Frieden gemachten Zugeständnisse treibt. Nach dem Bundesrecht der Vereinigten Staten bedarf der Friedensvertrag, um gültig zu werden, der Ge- nehmigung des Präsidenten und der Zustimmung des Senats (nicht beider Häuser des Congresses), nach dem der schweizerischen Eidgenossenschaft eines Beschlusses der Bundesversammlung.
706.
Wird in dem Friedensschluß ein Theil des Statsgebietes abgetreten, so gilt die Abtretung nach Völkerrecht als rechtsgültig, wenn gleich die Verfassung des abtretenden Landes die Abtretung untersagt, insofern der Stat seinen Widerstand nicht fortsetzt, sondern thatsächlich den Frieden vollzieht und die feindliche Besitznahme gewähren läßt.
In vielen Statsverfassungen wird das ganze Statsgebiet als einheitlich und unveräußerlich erklärt und so jede Abtretung eines Stücks desselben unter- sagt. Würde diese Beschränkung der Regierung und der Kammern als absolute Regel auch bei den Friedensschlüssen festgehalten, so wäre in manchen Fällen überhaupt kein Friede möglich, weil der Sieger auf die Abtretung nicht verzichtet und der Be- siegte sie nicht gewähren könnte. Es müßte also der Krieg bis zur Vernichtung des Stats selber durchgeführt werden. Dadurch aber würde nicht bloß jene Verfassungs-
Das Kriegsrecht.
1. Die Eröffnung der Friedensunterhandlung kann durch eine der beiden Kriegsparteien ſelber geſchehen, oder durch eine neutrale Macht, welche ent- weder ihre guten Dienſte oder ihre Vermittlung anbietet. Vgl. oben § 483 f. Auch im letzten Fall kann der Friedesabſchluß unmittelbar von den Kriegsparteien vollzogen werden, damit der Vermittler nicht einen Vorwand zu ſpäterer Einmiſchung erhalte.
2. Ein Fürſt, welcher durch den Krieg aus dem Lande verdrängt worden iſt und keine thatſächliche Gewalt mehr im Lande hat, iſt nicht mehr berechtigt, das Land zu repräſentiren, ſondern kann nur über ſeine dynaſtiſchen Rechte oder ſeine Anſprüche auf Wiedereinſetzung in die Gewalt, an dem Friedensſchluß ſich betheiligen (§ 118). Es mag unter Umſtänden für den Sieger erwünſcht und nützlich ſein, ſich mit ihm friedlich zu verſtändigen, um ſpätern Verwicklungen vorzubeugen, aber der Friede kann auch ohne dieſen Verzicht vollſtändig hergeſtellt ſein. Aehnlich verhält es ſich mit den Anſprüchen einer aus dem Lande vertriebenen republi- kaniſchen Regierung.
3. In den meiſten Monarchien wird das Recht, Frieden zu ſchließen, als ein Recht der Krone betrachtet, ſo jedoch, daß diejenigen Beſtimmungen des Friedens, welche dem Lande Laſten auferlegen oder das beſtehende Verfaſſungs- oder Geſetzes- recht ändern, der Zuſtimmung der Kammern bedürfen, damit ſie im Lande anerkannt und ausführbar werden. In vielen Fällen wird ſich dieſe Zuſtimmung aber als bloße Ratihabition des bereits Vollzogenen darſtellen, indem die Noth und das Be- dürfniß, von den Gefahren und Leiden des Kriegs befreit zu werden, vorher ſchon zum Vollzug der im Frieden gemachten Zugeſtändniſſe treibt. Nach dem Bundesrecht der Vereinigten Staten bedarf der Friedensvertrag, um gültig zu werden, der Ge- nehmigung des Präſidenten und der Zuſtimmung des Senats (nicht beider Häuſer des Congreſſes), nach dem der ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft eines Beſchluſſes der Bundesverſammlung.
706.
Wird in dem Friedensſchluß ein Theil des Statsgebietes abgetreten, ſo gilt die Abtretung nach Völkerrecht als rechtsgültig, wenn gleich die Verfaſſung des abtretenden Landes die Abtretung unterſagt, inſofern der Stat ſeinen Widerſtand nicht fortſetzt, ſondern thatſächlich den Frieden vollzieht und die feindliche Beſitznahme gewähren läßt.
In vielen Statsverfaſſungen wird das ganze Statsgebiet als einheitlich und unveräußerlich erklärt und ſo jede Abtretung eines Stücks desſelben unter- ſagt. Würde dieſe Beſchränkung der Regierung und der Kammern als abſolute Regel auch bei den Friedensſchlüſſen feſtgehalten, ſo wäre in manchen Fällen überhaupt kein Friede möglich, weil der Sieger auf die Abtretung nicht verzichtet und der Be- ſiegte ſie nicht gewähren könnte. Es müßte alſo der Krieg bis zur Vernichtung des Stats ſelber durchgeführt werden. Dadurch aber würde nicht bloß jene Verfaſſungs-
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Das Kriegsrecht.
1. Die Eröffnung der Friedensunterhandlung kann durch eine der
beiden Kriegsparteien ſelber geſchehen, oder durch eine neutrale Macht, welche ent-
weder ihre guten Dienſte oder ihre Vermittlung anbietet. Vgl. oben § 483 f. Auch
im letzten Fall kann der Friedesabſchluß unmittelbar von den Kriegsparteien
vollzogen werden, damit der Vermittler nicht einen Vorwand zu ſpäterer Einmiſchung
erhalte.
2. Ein Fürſt, welcher durch den Krieg aus dem Lande verdrängt worden iſt
und keine thatſächliche Gewalt mehr im Lande hat, iſt nicht mehr berechtigt,
das Land zu repräſentiren, ſondern kann nur über ſeine dynaſtiſchen Rechte
oder ſeine Anſprüche auf Wiedereinſetzung in die Gewalt, an dem Friedensſchluß
ſich betheiligen (§ 118). Es mag unter Umſtänden für den Sieger erwünſcht
und nützlich ſein, ſich mit ihm friedlich zu verſtändigen, um ſpätern Verwicklungen
vorzubeugen, aber der Friede kann auch ohne dieſen Verzicht vollſtändig hergeſtellt ſein.
Aehnlich verhält es ſich mit den Anſprüchen einer aus dem Lande vertriebenen republi-
kaniſchen Regierung.
3. In den meiſten Monarchien wird das Recht, Frieden zu ſchließen, als ein
Recht der Krone betrachtet, ſo jedoch, daß diejenigen Beſtimmungen des Friedens,
welche dem Lande Laſten auferlegen oder das beſtehende Verfaſſungs- oder Geſetzes-
recht ändern, der Zuſtimmung der Kammern bedürfen, damit ſie im Lande anerkannt
und ausführbar werden. In vielen Fällen wird ſich dieſe Zuſtimmung aber als
bloße Ratihabition des bereits Vollzogenen darſtellen, indem die Noth und das Be-
dürfniß, von den Gefahren und Leiden des Kriegs befreit zu werden, vorher ſchon
zum Vollzug der im Frieden gemachten Zugeſtändniſſe treibt. Nach dem Bundesrecht
der Vereinigten Staten bedarf der Friedensvertrag, um gültig zu werden, der Ge-
nehmigung des Präſidenten und der Zuſtimmung des Senats (nicht beider Häuſer
des Congreſſes), nach dem der ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft eines Beſchluſſes der
Bundesverſammlung.
706.
Wird in dem Friedensſchluß ein Theil des Statsgebietes abgetreten,
ſo gilt die Abtretung nach Völkerrecht als rechtsgültig, wenn gleich die
Verfaſſung des abtretenden Landes die Abtretung unterſagt, inſofern der
Stat ſeinen Widerſtand nicht fortſetzt, ſondern thatſächlich den Frieden
vollzieht und die feindliche Beſitznahme gewähren läßt.
In vielen Statsverfaſſungen wird das ganze Statsgebiet als einheitlich
und unveräußerlich erklärt und ſo jede Abtretung eines Stücks desſelben unter-
ſagt. Würde dieſe Beſchränkung der Regierung und der Kammern als abſolute
Regel auch bei den Friedensſchlüſſen feſtgehalten, ſo wäre in manchen Fällen überhaupt
kein Friede möglich, weil der Sieger auf die Abtretung nicht verzichtet und der Be-
ſiegte ſie nicht gewähren könnte. Es müßte alſo der Krieg bis zur Vernichtung des
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/405>, abgerufen am 22.12.2024.
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