Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Kriegsrecht.
wie im Interesse des Rechts und der Civilisation am Herzen liegt, ist möglichst zu
erstreben.

4. Zur Ausführung dieser Beschlüsse wird ein Comite niedergesetzt, welches
namentlich die Mittheilung derselben an Einen Hohen Senat, an die Handelskammer,
an die hier residirenden Consuln anderer Staten und in ausgedehntem Maße an
solche Kreise und Personen Deutschlands und des Auslandes, die an der Wohl-
fahrt des Seeverkehrs eng betheiligt sind, mit der Aufforderung übernehmen wird,
in gleichem Sinne thätig sein zu wollen".

In dem deutschen Kriege von 1866 verzichteten Preußen und Oesterreich auf
Prisen von Handelsschiffen. Aber zu einer völkerrechtlichen Abschaffung der Seebeute
ist es bis jetzt leider noch nicht gekommen, wenn gleich die Hoffnung wächst, daß
dieselbe nicht mehr lange aufgehalten werden könne.

666.

Dieses sogenannte Seebeuterecht erstreckt sich nicht auf feindliches
Privatgut im Lande, sondern ist beschränkt auf die feindlichen Schiffe und
das feindliche Gut in den Schiffen.

Gerade dieser Gegensatz der Behandlung zeigt, wie inconsequent das ganze
Verfahren ist. Die dem Angehörigen des feindlichen States zugehörige Kauf-
mannswaare
ist Gegenstand der Seebeute, so lange sie auf dem feindlichen Schiffe
sich befindet, aber noch nicht, bevor sie auf das Schiff geladen ist, und nicht
mehr
, wenn sie aus dem Schiff ausgeladen ist. Die Docks und Magazine der
Seestädte sichern die Waare vor der Beute, nur das Schiff nicht. Weßhalb nicht,
das ist durch die gewöhnlich angeführten Vorwände nicht zu erklären. Das Schiff
ist ja nur ein wandernder Theil des Landes; und insofern es die Waaren auf-
nimmt und birgt, gleichsam ein schwimmendes Magazin. Es ist daher unlogisch,
das Privateigenthum an der Waare zu schonen, wenn es auf festem Lande,
und es als gute Beute zu behandeln, wenn es in einem Schiffe maga-
zinirt ist
. Eher lassen sich Gründe dafür anführen, daß die Schiffe weggenom-
men werden, weil diese ihrer Natur nach auch der Kriegsführung dienen
können, sei es zum Transport der Truppen, sei es geradezu zum Seekrieg selber.
Die genommenen Schiffe sind übrigens von dem Nehmer einem Prisengerichte zur
Beurtheilung zu übermitteln. Vgl. unten Buch IX. Cap. 6.

667.

Die Fischerboote der Angehörigen des feindlichen States dürfen nicht
als Prise weggenommen werden.

In dieser Ausnahme, welche die Kriegssitte macht, und insbesondere von den
französischen Gerichtshöfen in weitestem Umfang geschützt wurde (vgl. Heffter

Das Kriegsrecht.
wie im Intereſſe des Rechts und der Civiliſation am Herzen liegt, iſt möglichſt zu
erſtreben.

4. Zur Ausführung dieſer Beſchlüſſe wird ein Comité niedergeſetzt, welches
namentlich die Mittheilung derſelben an Einen Hohen Senat, an die Handelskammer,
an die hier reſidirenden Conſuln anderer Staten und in ausgedehntem Maße an
ſolche Kreiſe und Perſonen Deutſchlands und des Auslandes, die an der Wohl-
fahrt des Seeverkehrs eng betheiligt ſind, mit der Aufforderung übernehmen wird,
in gleichem Sinne thätig ſein zu wollen“.

In dem deutſchen Kriege von 1866 verzichteten Preußen und Oeſterreich auf
Priſen von Handelsſchiffen. Aber zu einer völkerrechtlichen Abſchaffung der Seebeute
iſt es bis jetzt leider noch nicht gekommen, wenn gleich die Hoffnung wächſt, daß
dieſelbe nicht mehr lange aufgehalten werden könne.

666.

Dieſes ſogenannte Seebeuterecht erſtreckt ſich nicht auf feindliches
Privatgut im Lande, ſondern iſt beſchränkt auf die feindlichen Schiffe und
das feindliche Gut in den Schiffen.

Gerade dieſer Gegenſatz der Behandlung zeigt, wie inconſequent das ganze
Verfahren iſt. Die dem Angehörigen des feindlichen States zugehörige Kauf-
mannswaare
iſt Gegenſtand der Seebeute, ſo lange ſie auf dem feindlichen Schiffe
ſich befindet, aber noch nicht, bevor ſie auf das Schiff geladen iſt, und nicht
mehr
, wenn ſie aus dem Schiff ausgeladen iſt. Die Docks und Magazine der
Seeſtädte ſichern die Waare vor der Beute, nur das Schiff nicht. Weßhalb nicht,
das iſt durch die gewöhnlich angeführten Vorwände nicht zu erklären. Das Schiff
iſt ja nur ein wandernder Theil des Landes; und inſofern es die Waaren auf-
nimmt und birgt, gleichſam ein ſchwimmendes Magazin. Es iſt daher unlogiſch,
das Privateigenthum an der Waare zu ſchonen, wenn es auf feſtem Lande,
und es als gute Beute zu behandeln, wenn es in einem Schiffe maga-
zinirt iſt
. Eher laſſen ſich Gründe dafür anführen, daß die Schiffe weggenom-
men werden, weil dieſe ihrer Natur nach auch der Kriegsführung dienen
können, ſei es zum Transport der Truppen, ſei es geradezu zum Seekrieg ſelber.
Die genommenen Schiffe ſind übrigens von dem Nehmer einem Priſengerichte zur
Beurtheilung zu übermitteln. Vgl. unten Buch IX. Cap. 6.

667.

Die Fiſcherboote der Angehörigen des feindlichen States dürfen nicht
als Priſe weggenommen werden.

In dieſer Ausnahme, welche die Kriegsſitte macht, und insbeſondere von den
franzöſiſchen Gerichtshöfen in weiteſtem Umfang geſchützt wurde (vgl. Heffter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0385" n="363"/><fw place="top" type="header">Das Kriegsrecht.</fw><lb/>
wie im Intere&#x017F;&#x017F;e des Rechts und der Civili&#x017F;ation am Herzen liegt, i&#x017F;t möglich&#x017F;t zu<lb/>
er&#x017F;treben.</p><lb/>
                <p>4. Zur Ausführung die&#x017F;er Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e wird ein Comit<hi rendition="#aq">é</hi> niederge&#x017F;etzt, welches<lb/>
namentlich die Mittheilung der&#x017F;elben an Einen Hohen Senat, an die Handelskammer,<lb/>
an die hier re&#x017F;idirenden Con&#x017F;uln anderer Staten und in ausgedehntem Maße an<lb/>
&#x017F;olche Krei&#x017F;e und Per&#x017F;onen Deut&#x017F;chlands und des Auslandes, die an der Wohl-<lb/>
fahrt des Seeverkehrs eng betheiligt &#x017F;ind, mit der Aufforderung übernehmen wird,<lb/>
in gleichem Sinne thätig &#x017F;ein zu wollen&#x201C;.</p><lb/>
                <p>In dem deut&#x017F;chen Kriege von 1866 verzichteten Preußen und Oe&#x017F;terreich auf<lb/>
Pri&#x017F;en von Handels&#x017F;chiffen. Aber zu einer völkerrechtlichen Ab&#x017F;chaffung der Seebeute<lb/>
i&#x017F;t es bis jetzt leider noch nicht gekommen, wenn gleich die Hoffnung wäch&#x017F;t, daß<lb/>
die&#x017F;elbe nicht mehr lange aufgehalten werden könne.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>666.</head><lb/>
                <p>Die&#x017F;es &#x017F;ogenannte Seebeuterecht er&#x017F;treckt &#x017F;ich nicht auf feindliches<lb/>
Privatgut im Lande, &#x017F;ondern i&#x017F;t be&#x017F;chränkt auf die feindlichen Schiffe und<lb/>
das feindliche Gut in den Schiffen.</p><lb/>
                <p>Gerade die&#x017F;er Gegen&#x017F;atz der Behandlung zeigt, wie incon&#x017F;equent das ganze<lb/>
Verfahren i&#x017F;t. Die dem Angehörigen des feindlichen States zugehörige <hi rendition="#g">Kauf-<lb/>
mannswaare</hi> i&#x017F;t Gegen&#x017F;tand der Seebeute, &#x017F;o lange &#x017F;ie auf dem feindlichen Schiffe<lb/>
&#x017F;ich befindet, aber <hi rendition="#g">noch nicht</hi>, bevor &#x017F;ie auf das Schiff geladen i&#x017F;t, und <hi rendition="#g">nicht<lb/>
mehr</hi>, wenn &#x017F;ie aus dem Schiff ausgeladen i&#x017F;t. Die Docks und Magazine der<lb/>
See&#x017F;tädte &#x017F;ichern die Waare vor der Beute, nur das Schiff nicht. Weßhalb nicht,<lb/>
das i&#x017F;t durch die gewöhnlich angeführten Vorwände nicht zu erklären. Das Schiff<lb/>
i&#x017F;t ja nur ein wandernder Theil des Landes; und in&#x017F;ofern es die Waaren auf-<lb/>
nimmt und birgt, gleich&#x017F;am ein <hi rendition="#g">&#x017F;chwimmendes Magazin</hi>. Es i&#x017F;t daher unlogi&#x017F;ch,<lb/>
das Privateigenthum an der Waare zu <hi rendition="#g">&#x017F;chonen</hi>, wenn es <hi rendition="#g">auf fe&#x017F;tem Lande</hi>,<lb/>
und es als <hi rendition="#g">gute Beute zu behandeln</hi>, wenn es <hi rendition="#g">in einem Schiffe maga-<lb/>
zinirt i&#x017F;t</hi>. Eher la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich Gründe dafür anführen, daß die <hi rendition="#g">Schiffe</hi> weggenom-<lb/>
men werden, weil die&#x017F;e ihrer Natur nach auch <hi rendition="#g">der Kriegsführung dienen</hi><lb/>
können, &#x017F;ei es zum Transport der Truppen, &#x017F;ei es geradezu zum Seekrieg &#x017F;elber.<lb/>
Die genommenen Schiffe &#x017F;ind übrigens von dem Nehmer einem Pri&#x017F;engerichte zur<lb/>
Beurtheilung zu übermitteln. Vgl. unten Buch <hi rendition="#aq">IX.</hi> Cap. 6.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>667.</head><lb/>
                <p>Die Fi&#x017F;cherboote der Angehörigen des feindlichen States dürfen nicht<lb/>
als Pri&#x017F;e weggenommen werden.</p><lb/>
                <p>In die&#x017F;er Ausnahme, welche die Kriegs&#x017F;itte macht, und insbe&#x017F;ondere von den<lb/>
franzö&#x017F;i&#x017F;chen Gerichtshöfen in weite&#x017F;tem Umfang ge&#x017F;chützt wurde (vgl. <hi rendition="#g">Heffter</hi><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[363/0385] Das Kriegsrecht. wie im Intereſſe des Rechts und der Civiliſation am Herzen liegt, iſt möglichſt zu erſtreben. 4. Zur Ausführung dieſer Beſchlüſſe wird ein Comité niedergeſetzt, welches namentlich die Mittheilung derſelben an Einen Hohen Senat, an die Handelskammer, an die hier reſidirenden Conſuln anderer Staten und in ausgedehntem Maße an ſolche Kreiſe und Perſonen Deutſchlands und des Auslandes, die an der Wohl- fahrt des Seeverkehrs eng betheiligt ſind, mit der Aufforderung übernehmen wird, in gleichem Sinne thätig ſein zu wollen“. In dem deutſchen Kriege von 1866 verzichteten Preußen und Oeſterreich auf Priſen von Handelsſchiffen. Aber zu einer völkerrechtlichen Abſchaffung der Seebeute iſt es bis jetzt leider noch nicht gekommen, wenn gleich die Hoffnung wächſt, daß dieſelbe nicht mehr lange aufgehalten werden könne. 666. Dieſes ſogenannte Seebeuterecht erſtreckt ſich nicht auf feindliches Privatgut im Lande, ſondern iſt beſchränkt auf die feindlichen Schiffe und das feindliche Gut in den Schiffen. Gerade dieſer Gegenſatz der Behandlung zeigt, wie inconſequent das ganze Verfahren iſt. Die dem Angehörigen des feindlichen States zugehörige Kauf- mannswaare iſt Gegenſtand der Seebeute, ſo lange ſie auf dem feindlichen Schiffe ſich befindet, aber noch nicht, bevor ſie auf das Schiff geladen iſt, und nicht mehr, wenn ſie aus dem Schiff ausgeladen iſt. Die Docks und Magazine der Seeſtädte ſichern die Waare vor der Beute, nur das Schiff nicht. Weßhalb nicht, das iſt durch die gewöhnlich angeführten Vorwände nicht zu erklären. Das Schiff iſt ja nur ein wandernder Theil des Landes; und inſofern es die Waaren auf- nimmt und birgt, gleichſam ein ſchwimmendes Magazin. Es iſt daher unlogiſch, das Privateigenthum an der Waare zu ſchonen, wenn es auf feſtem Lande, und es als gute Beute zu behandeln, wenn es in einem Schiffe maga- zinirt iſt. Eher laſſen ſich Gründe dafür anführen, daß die Schiffe weggenom- men werden, weil dieſe ihrer Natur nach auch der Kriegsführung dienen können, ſei es zum Transport der Truppen, ſei es geradezu zum Seekrieg ſelber. Die genommenen Schiffe ſind übrigens von dem Nehmer einem Priſengerichte zur Beurtheilung zu übermitteln. Vgl. unten Buch IX. Cap. 6. 667. Die Fiſcherboote der Angehörigen des feindlichen States dürfen nicht als Priſe weggenommen werden. In dieſer Ausnahme, welche die Kriegsſitte macht, und insbeſondere von den franzöſiſchen Gerichtshöfen in weiteſtem Umfang geſchützt wurde (vgl. Heffter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/385
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/385>, abgerufen am 21.11.2024.