ihrer Correspondenzen anordnen, sie in Folge der Mißachtung der nöthigen Vorsicht wegweisen oder wenn Gefahr vorhanden ist, sie in schweren Fällen ungehöriger Mittheilung sogar der kriegsgerichtlichen Bestrafung überant- worten.
1. Am. 98. Zuweilen werden Officiere neutraler Staten in der Ab- sicht dem Heere beigegeben, damit sie den Gang des Krieges beobachten und die Kriegsführung studiren. Es hängt natürlich von den Kriegsführern ab, ob sie die- selben zulassen wollen oder nicht. Diese Officiere haben den Auftrag, an ihre Re- gierungen zu berichten. Dabei ist die Grenze nicht immer leicht zu finden zwischen der unverfänglichen und daher erlaubten, und der gefährlichen und daher verbotenen Mittheilung. Der nächste Entscheid darüber muß der Kriegs- gewalt selber vorbehalten bleiben.
2. Aehnlich verhält es sich mit den Berichterstattern der Zeitungen, sei es aus neutralen Staten oder aus den kriegführenden Staten selber. Auch da ist große Vorsicht nöthig, damit nicht gefährliche Mittheilungen gemacht und dafür die Correspondenten zur Verantwortung gezogen werden.
639.
Couriere mit Depeschen oder Boten mit mündlichen Aufträgen wer- den, wenn sie offen in solcher Eigenschaft reisen oder als Soldaten in Uniform den Dienst erfüllen und in die Gewalt des Feindes gerathen, als Kriegsgefangene behandelt. Wenn sie aber heimlich und nicht als Soldaten erkennbar sich durchzuschleichen suchen, so sind sie zwar nicht als Spione oder Kriegsverräther anzusehen, aber sie verfallen doch einer den Umständen entsprechenden kriegsrechtlichen Bestrafung.
Am. 99. Es gilt als ein durchaus ehrenvoller militärischer Auf- trag, in einen vom Feinde belagerten Platz von den Entsatztruppen her einen Boten zu schicken oder umgekehrt. Trotz der Gefährlichkeit solcher Verbindung darf der Soldat, welcher bei der Erfüllung seines Dienstes von den feindlichen Wachen ergriffen wird, doch nicht als Spion oder Verräther betrachtet und bestraft, sondern nur zum Kriegs- gefangenen gemacht werden. Wenn aber Nichtsoldaten in heimlicher Weise den Botendienst übernehmen und heimlich ausführen, dann laufen sie Gefahr, vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden.
640.
Bösartige Versuche, den Feind zu schädigen, welche nicht zu der militärisch geordneten Kriegsführung gehören, können wegen ihrer Gefähr-
Achtes Buch.
ihrer Correſpondenzen anordnen, ſie in Folge der Mißachtung der nöthigen Vorſicht wegweiſen oder wenn Gefahr vorhanden iſt, ſie in ſchweren Fällen ungehöriger Mittheilung ſogar der kriegsgerichtlichen Beſtrafung überant- worten.
1. Am. 98. Zuweilen werden Officiere neutraler Staten in der Ab- ſicht dem Heere beigegeben, damit ſie den Gang des Krieges beobachten und die Kriegsführung ſtudiren. Es hängt natürlich von den Kriegsführern ab, ob ſie die- ſelben zulaſſen wollen oder nicht. Dieſe Officiere haben den Auftrag, an ihre Re- gierungen zu berichten. Dabei iſt die Grenze nicht immer leicht zu finden zwiſchen der unverfänglichen und daher erlaubten, und der gefährlichen und daher verbotenen Mittheilung. Der nächſte Entſcheid darüber muß der Kriegs- gewalt ſelber vorbehalten bleiben.
2. Aehnlich verhält es ſich mit den Berichterſtattern der Zeitungen, ſei es aus neutralen Staten oder aus den kriegführenden Staten ſelber. Auch da iſt große Vorſicht nöthig, damit nicht gefährliche Mittheilungen gemacht und dafür die Correſpondenten zur Verantwortung gezogen werden.
639.
Couriere mit Depeſchen oder Boten mit mündlichen Aufträgen wer- den, wenn ſie offen in ſolcher Eigenſchaft reiſen oder als Soldaten in Uniform den Dienſt erfüllen und in die Gewalt des Feindes gerathen, als Kriegsgefangene behandelt. Wenn ſie aber heimlich und nicht als Soldaten erkennbar ſich durchzuſchleichen ſuchen, ſo ſind ſie zwar nicht als Spione oder Kriegsverräther anzuſehen, aber ſie verfallen doch einer den Umſtänden entſprechenden kriegsrechtlichen Beſtrafung.
Am. 99. Es gilt als ein durchaus ehrenvoller militäriſcher Auf- trag, in einen vom Feinde belagerten Platz von den Entſatztruppen her einen Boten zu ſchicken oder umgekehrt. Trotz der Gefährlichkeit ſolcher Verbindung darf der Soldat, welcher bei der Erfüllung ſeines Dienſtes von den feindlichen Wachen ergriffen wird, doch nicht als Spion oder Verräther betrachtet und beſtraft, ſondern nur zum Kriegs- gefangenen gemacht werden. Wenn aber Nichtſoldaten in heimlicher Weiſe den Botendienſt übernehmen und heimlich ausführen, dann laufen ſie Gefahr, vor ein Kriegsgericht geſtellt zu werden.
640.
Bösartige Verſuche, den Feind zu ſchädigen, welche nicht zu der militäriſch geordneten Kriegsführung gehören, können wegen ihrer Gefähr-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0368"n="346"/><fwplace="top"type="header">Achtes Buch.</fw><lb/>
ihrer Correſpondenzen anordnen, ſie in Folge der Mißachtung der nöthigen<lb/>
Vorſicht wegweiſen oder wenn Gefahr vorhanden iſt, ſie in ſchweren Fällen<lb/>
ungehöriger Mittheilung ſogar der kriegsgerichtlichen Beſtrafung überant-<lb/>
worten.</p><lb/><p>1. <hirendition="#g">Am</hi>. 98. Zuweilen werden <hirendition="#g">Officiere neutraler Staten</hi> in der Ab-<lb/>ſicht dem Heere beigegeben, damit ſie den Gang des Krieges beobachten und die<lb/>
Kriegsführung ſtudiren. Es hängt natürlich von den Kriegsführern ab, ob ſie die-<lb/>ſelben zulaſſen wollen oder nicht. Dieſe Officiere haben den Auftrag, an ihre Re-<lb/>
gierungen zu berichten. Dabei iſt die Grenze nicht immer leicht zu finden zwiſchen<lb/>
der <hirendition="#g">unverfänglichen</hi> und daher <hirendition="#g">erlaubten</hi>, und der <hirendition="#g">gefährlichen</hi> und<lb/>
daher <hirendition="#g">verbotenen</hi> Mittheilung. Der nächſte Entſcheid darüber muß der Kriegs-<lb/>
gewalt ſelber vorbehalten bleiben.</p><lb/><p>2. Aehnlich verhält es ſich mit den <hirendition="#g">Berichterſtattern</hi> der <hirendition="#g">Zeitungen</hi>,<lb/>ſei es aus neutralen Staten oder aus den kriegführenden Staten ſelber. Auch da<lb/>
iſt große Vorſicht nöthig, damit nicht gefährliche Mittheilungen gemacht und dafür<lb/>
die Correſpondenten zur Verantwortung gezogen werden.</p></div><lb/><divn="4"><head>639.</head><lb/><p>Couriere mit Depeſchen oder Boten mit mündlichen Aufträgen wer-<lb/>
den, wenn ſie offen in ſolcher Eigenſchaft reiſen oder als Soldaten in<lb/>
Uniform den Dienſt erfüllen und in die Gewalt des Feindes gerathen,<lb/>
als Kriegsgefangene behandelt. Wenn ſie aber heimlich und nicht als<lb/>
Soldaten erkennbar ſich durchzuſchleichen ſuchen, ſo ſind ſie zwar nicht als<lb/>
Spione oder Kriegsverräther anzuſehen, aber ſie verfallen doch einer den<lb/>
Umſtänden entſprechenden kriegsrechtlichen Beſtrafung.</p><lb/><p><hirendition="#g">Am</hi>. 99. Es gilt als ein durchaus <hirendition="#g">ehrenvoller militäriſcher Auf-<lb/>
trag</hi>, in einen vom Feinde belagerten Platz von den Entſatztruppen her einen Boten<lb/>
zu ſchicken oder umgekehrt. Trotz der Gefährlichkeit ſolcher Verbindung darf der Soldat,<lb/>
welcher bei der Erfüllung ſeines Dienſtes von den feindlichen Wachen ergriffen wird,<lb/>
doch nicht als Spion oder Verräther betrachtet und beſtraft, ſondern nur zum Kriegs-<lb/>
gefangenen gemacht werden. Wenn aber <hirendition="#g">Nichtſoldaten</hi> in <hirendition="#g">heimlicher</hi> Weiſe<lb/>
den Botendienſt übernehmen und heimlich ausführen, dann laufen ſie Gefahr, vor<lb/>
ein Kriegsgericht geſtellt zu werden.</p></div><lb/><divn="4"><head>640.</head><lb/><p>Bösartige Verſuche, den Feind zu ſchädigen, welche nicht zu der<lb/>
militäriſch geordneten Kriegsführung gehören, können wegen ihrer Gefähr-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[346/0368]
Achtes Buch.
ihrer Correſpondenzen anordnen, ſie in Folge der Mißachtung der nöthigen
Vorſicht wegweiſen oder wenn Gefahr vorhanden iſt, ſie in ſchweren Fällen
ungehöriger Mittheilung ſogar der kriegsgerichtlichen Beſtrafung überant-
worten.
1. Am. 98. Zuweilen werden Officiere neutraler Staten in der Ab-
ſicht dem Heere beigegeben, damit ſie den Gang des Krieges beobachten und die
Kriegsführung ſtudiren. Es hängt natürlich von den Kriegsführern ab, ob ſie die-
ſelben zulaſſen wollen oder nicht. Dieſe Officiere haben den Auftrag, an ihre Re-
gierungen zu berichten. Dabei iſt die Grenze nicht immer leicht zu finden zwiſchen
der unverfänglichen und daher erlaubten, und der gefährlichen und
daher verbotenen Mittheilung. Der nächſte Entſcheid darüber muß der Kriegs-
gewalt ſelber vorbehalten bleiben.
2. Aehnlich verhält es ſich mit den Berichterſtattern der Zeitungen,
ſei es aus neutralen Staten oder aus den kriegführenden Staten ſelber. Auch da
iſt große Vorſicht nöthig, damit nicht gefährliche Mittheilungen gemacht und dafür
die Correſpondenten zur Verantwortung gezogen werden.
639.
Couriere mit Depeſchen oder Boten mit mündlichen Aufträgen wer-
den, wenn ſie offen in ſolcher Eigenſchaft reiſen oder als Soldaten in
Uniform den Dienſt erfüllen und in die Gewalt des Feindes gerathen,
als Kriegsgefangene behandelt. Wenn ſie aber heimlich und nicht als
Soldaten erkennbar ſich durchzuſchleichen ſuchen, ſo ſind ſie zwar nicht als
Spione oder Kriegsverräther anzuſehen, aber ſie verfallen doch einer den
Umſtänden entſprechenden kriegsrechtlichen Beſtrafung.
Am. 99. Es gilt als ein durchaus ehrenvoller militäriſcher Auf-
trag, in einen vom Feinde belagerten Platz von den Entſatztruppen her einen Boten
zu ſchicken oder umgekehrt. Trotz der Gefährlichkeit ſolcher Verbindung darf der Soldat,
welcher bei der Erfüllung ſeines Dienſtes von den feindlichen Wachen ergriffen wird,
doch nicht als Spion oder Verräther betrachtet und beſtraft, ſondern nur zum Kriegs-
gefangenen gemacht werden. Wenn aber Nichtſoldaten in heimlicher Weiſe
den Botendienſt übernehmen und heimlich ausführen, dann laufen ſie Gefahr, vor
ein Kriegsgericht geſtellt zu werden.
640.
Bösartige Verſuche, den Feind zu ſchädigen, welche nicht zu der
militäriſch geordneten Kriegsführung gehören, können wegen ihrer Gefähr-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/368>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.