Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herstellung desselben.
Beurtheilung oder in seine Unparteilichkeit untergräbt. Der Vergleichsvorschlag gehört dem Minneverfahren an, nicht dem Rechtsverfahren, für welches hauptsächlich das Schiedsgericht ernannt ist. Aber es kann dieses entbehrlich machen.
493.
Der Spruch der Mehrheit gilt als Spruch des ganzen Schieds- gerichts.
Bildet sich keine Mehrheit, sei es weil es an einem Obmann fehlt, dessen Beitritt zu einer der beiden Meinungen der in gleicher Zahl gespaltenen Schieds- richter den Ausschlag gibt, oder der für seine eigenthümliche Meinung die Zustim- mung der einen Hälfte der Schiedsrichter gewinnt, sei es weil die individuellen Meinungen aus einander gehen und die Schiedsrichter jeder auf seiner Minderheits- meinung verharrt, und wird nicht etwa dadurch geholfen, daß die Meinung des Obmanns für sich allein entscheide, so fehlt es an einem gültigen Rechtsspruch und das schiedsrichterliche Verfahren ist erfolglos geblieben.
494.
Der Spruch des Schiedsgerichts wirkt für die Parteien, wie ein Vergleich.
Es wird angenommen, daß die Parteien, welche die Entscheidung ihres Streits vertragsmäßig einem Schiedsgericht anvertraut haben, damit auch ihr eventuelles Einverständniß mit dem Spruch des Schiedsgerichts erklärt haben. In vielen Fällen wird daher aus dem Spruch ein Vertragsrecht unter den Parteien ent- stehn; in andern, wenn etwa einer Partei ein behauptetes Recht einfach abgespro- chen worden ist, wird das wirken, wie ein Verzicht derselben.
495.
Der Spruch des Schiedsgerichts kann von einer Partei als ungül- tig angefochten werden:
a) wenn und soweit das Schiedsgericht dabei seine Vollmachten überschritten hat,
b) wegen unredlichen Verfahrens der Schiedsrichter,
c) wenn das Schiedsgericht den Parteien das Gehör verweigert oder sonst die Fundamentalgrundsätze alles Rechtsverfahrens offenbar verletzt hat,
d) wenn der Inhalt des Spruchs mit den Geboten des Völker- und Menschenrechts unverträglich ist.
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Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben.
Beurtheilung oder in ſeine Unparteilichkeit untergräbt. Der Vergleichsvorſchlag gehört dem Minneverfahren an, nicht dem Rechtsverfahren, für welches hauptſächlich das Schiedsgericht ernannt iſt. Aber es kann dieſes entbehrlich machen.
493.
Der Spruch der Mehrheit gilt als Spruch des ganzen Schieds- gerichts.
Bildet ſich keine Mehrheit, ſei es weil es an einem Obmann fehlt, deſſen Beitritt zu einer der beiden Meinungen der in gleicher Zahl geſpaltenen Schieds- richter den Ausſchlag gibt, oder der für ſeine eigenthümliche Meinung die Zuſtim- mung der einen Hälfte der Schiedsrichter gewinnt, ſei es weil die individuellen Meinungen aus einander gehen und die Schiedsrichter jeder auf ſeiner Minderheits- meinung verharrt, und wird nicht etwa dadurch geholfen, daß die Meinung des Obmanns für ſich allein entſcheide, ſo fehlt es an einem gültigen Rechtsſpruch und das ſchiedsrichterliche Verfahren iſt erfolglos geblieben.
494.
Der Spruch des Schiedsgerichts wirkt für die Parteien, wie ein Vergleich.
Es wird angenommen, daß die Parteien, welche die Entſcheidung ihres Streits vertragsmäßig einem Schiedsgericht anvertraut haben, damit auch ihr eventuelles Einverſtändniß mit dem Spruch des Schiedsgerichts erklärt haben. In vielen Fällen wird daher aus dem Spruch ein Vertragsrecht unter den Parteien ent- ſtehn; in andern, wenn etwa einer Partei ein behauptetes Recht einfach abgeſpro- chen worden iſt, wird das wirken, wie ein Verzicht derſelben.
495.
Der Spruch des Schiedsgerichts kann von einer Partei als ungül- tig angefochten werden:
a) wenn und ſoweit das Schiedsgericht dabei ſeine Vollmachten überſchritten hat,
b) wegen unredlichen Verfahrens der Schiedsrichter,
c) wenn das Schiedsgericht den Parteien das Gehör verweigert oder ſonſt die Fundamentalgrundſätze alles Rechtsverfahrens offenbar verletzt hat,
d) wenn der Inhalt des Spruchs mit den Geboten des Völker- und Menſchenrechts unverträglich iſt.
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Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben.
Beurtheilung oder in ſeine Unparteilichkeit untergräbt. Der Vergleichsvorſchlag gehört
dem Minneverfahren an, nicht dem Rechtsverfahren, für welches hauptſächlich
das Schiedsgericht ernannt iſt. Aber es kann dieſes entbehrlich machen.
493.
Der Spruch der Mehrheit gilt als Spruch des ganzen Schieds-
gerichts.
Bildet ſich keine Mehrheit, ſei es weil es an einem Obmann fehlt, deſſen
Beitritt zu einer der beiden Meinungen der in gleicher Zahl geſpaltenen Schieds-
richter den Ausſchlag gibt, oder der für ſeine eigenthümliche Meinung die Zuſtim-
mung der einen Hälfte der Schiedsrichter gewinnt, ſei es weil die individuellen
Meinungen aus einander gehen und die Schiedsrichter jeder auf ſeiner Minderheits-
meinung verharrt, und wird nicht etwa dadurch geholfen, daß die Meinung des
Obmanns für ſich allein entſcheide, ſo fehlt es an einem gültigen Rechtsſpruch und
das ſchiedsrichterliche Verfahren iſt erfolglos geblieben.
494.
Der Spruch des Schiedsgerichts wirkt für die Parteien, wie ein
Vergleich.
Es wird angenommen, daß die Parteien, welche die Entſcheidung ihres Streits
vertragsmäßig einem Schiedsgericht anvertraut haben, damit auch ihr eventuelles
Einverſtändniß mit dem Spruch des Schiedsgerichts erklärt haben. In vielen
Fällen wird daher aus dem Spruch ein Vertragsrecht unter den Parteien ent-
ſtehn; in andern, wenn etwa einer Partei ein behauptetes Recht einfach abgeſpro-
chen worden iſt, wird das wirken, wie ein Verzicht derſelben.
495.
Der Spruch des Schiedsgerichts kann von einer Partei als ungül-
tig angefochten werden:
a) wenn und ſoweit das Schiedsgericht dabei ſeine Vollmachten
überſchritten hat,
b) wegen unredlichen Verfahrens der Schiedsrichter,
c) wenn das Schiedsgericht den Parteien das Gehör verweigert oder
ſonſt die Fundamentalgrundſätze alles Rechtsverfahrens offenbar
verletzt hat,
d) wenn der Inhalt des Spruchs mit den Geboten des Völker-
und Menſchenrechts unverträglich iſt.
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/297>, abgerufen am 22.02.2025.
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