tionales Recht geworden, so daß heute die Einführung solcher Abgaben als Ver- letzung des internationalen Verkehrs empfunden und zu völkerrechtlichen Beschwerden der Staten Anlaß geben würde.
5. Ausführungspflicht und Asylrecht.
394.
Jeder Stat ist kraft seiner Selbständigkeit berechtigt, Fremden den Aufenthalt in seinem Lande zu gestatten.
Dieses Recht des States, Fremde aufzunehmen und zu schützen, kann ausgeübt werden, ungeachtet der Heimatsstat derselben seine Stats- angehörigen zurückruft oder deren Auslieferung begehrt.
Vgl. oben § 375. Freilich läuft der Stat, welcher längere Zeit Fremden gegen den Willen ihres Heimatstats in seinem Lande Aufenthalt gewährt, die Gefahr, daß der Heimatsstat dieselben ihrer Statsgenössigkeit für verlustig erklärt und er genö- ihigt wird, dieselben nun zu behalten, beziehungsweise in seine Angehörigkeit aufzu- nehmen.
395.
Eine Pflicht, flüchtige fremde Verbrecher oder eines Verbrechens an- geklagte Flüchtlinge dem verfolgenden Gerichte auszuliefern, wird nur in- sofern anerkannt, als dieselbe entweder durch besondere Statenverträge (Auslieferungsverträge) begründet oder zur Sicherung eines allgemeinen Rechtszustandes als nothwendig erscheint.
Im letztern Fall ist die Auslieferungspflicht jedenfalls auf schwere und gemeine Verbrechen beschränkt, und setzt voraus, daß die Rechtspflege des verfolgenden Stats hinreichende Garantien gebe für eine civilisirte Verwaltung der Gerechtigkeit.
Die Meinungen über die Auslieferungspflicht und das Asylrecht sind noch sehr getheilt sowohl in der Statenpraxis als in der Wissenschaft. Noch machen sich extreme Meinungen geltend. Zuweilen wird ein unbeschränktes Asylrecht der Staten behauptet, welches nur durch Auslieferungsverträge beschränkt werde. Die Vertheidiger dieser Ansicht -- Puffendorf, Martens, Story und andere -- führen dafür an, daß diese Flüchtlinge nicht die Rechtsordnung des
Bluntschli, Das Völkerrecht. 15
Die Statshoheit im Verhältniß zu den Perſonen.
tionales Recht geworden, ſo daß heute die Einführung ſolcher Abgaben als Ver- letzung des internationalen Verkehrs empfunden und zu völkerrechtlichen Beſchwerden der Staten Anlaß geben würde.
5. Ausführungspflicht und Aſylrecht.
394.
Jeder Stat iſt kraft ſeiner Selbſtändigkeit berechtigt, Fremden den Aufenthalt in ſeinem Lande zu geſtatten.
Dieſes Recht des States, Fremde aufzunehmen und zu ſchützen, kann ausgeübt werden, ungeachtet der Heimatsſtat derſelben ſeine Stats- angehörigen zurückruft oder deren Auslieferung begehrt.
Vgl. oben § 375. Freilich läuft der Stat, welcher längere Zeit Fremden gegen den Willen ihres Heimatſtats in ſeinem Lande Aufenthalt gewährt, die Gefahr, daß der Heimatsſtat dieſelben ihrer Statsgenöſſigkeit für verluſtig erklärt und er genö- ihigt wird, dieſelben nun zu behalten, beziehungsweiſe in ſeine Angehörigkeit aufzu- nehmen.
395.
Eine Pflicht, flüchtige fremde Verbrecher oder eines Verbrechens an- geklagte Flüchtlinge dem verfolgenden Gerichte auszuliefern, wird nur in- ſofern anerkannt, als dieſelbe entweder durch beſondere Statenverträge (Auslieferungsverträge) begründet oder zur Sicherung eines allgemeinen Rechtszuſtandes als nothwendig erſcheint.
Im letztern Fall iſt die Auslieferungspflicht jedenfalls auf ſchwere und gemeine Verbrechen beſchränkt, und ſetzt voraus, daß die Rechtspflege des verfolgenden Stats hinreichende Garantien gebe für eine civiliſirte Verwaltung der Gerechtigkeit.
Die Meinungen über die Auslieferungspflicht und das Aſylrecht ſind noch ſehr getheilt ſowohl in der Statenpraxis als in der Wiſſenſchaft. Noch machen ſich extreme Meinungen geltend. Zuweilen wird ein unbeſchränktes Aſylrecht der Staten behauptet, welches nur durch Auslieferungsverträge beſchränkt werde. Die Vertheidiger dieſer Anſicht — Puffendorf, Martens, Story und andere — führen dafür an, daß dieſe Flüchtlinge nicht die Rechtsordnung des
Bluntſchli, Das Völkerrecht. 15
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Die Statshoheit im Verhältniß zu den Perſonen.
tionales Recht geworden, ſo daß heute die Einführung ſolcher Abgaben als Ver-
letzung des internationalen Verkehrs empfunden und zu völkerrechtlichen Beſchwerden
der Staten Anlaß geben würde.
5. Ausführungspflicht und Aſylrecht.
394.
Jeder Stat iſt kraft ſeiner Selbſtändigkeit berechtigt, Fremden den
Aufenthalt in ſeinem Lande zu geſtatten.
Dieſes Recht des States, Fremde aufzunehmen und zu ſchützen,
kann ausgeübt werden, ungeachtet der Heimatsſtat derſelben ſeine Stats-
angehörigen zurückruft oder deren Auslieferung begehrt.
Vgl. oben § 375. Freilich läuft der Stat, welcher längere Zeit Fremden gegen
den Willen ihres Heimatſtats in ſeinem Lande Aufenthalt gewährt, die Gefahr, daß
der Heimatsſtat dieſelben ihrer Statsgenöſſigkeit für verluſtig erklärt und er genö-
ihigt wird, dieſelben nun zu behalten, beziehungsweiſe in ſeine Angehörigkeit aufzu-
nehmen.
395.
Eine Pflicht, flüchtige fremde Verbrecher oder eines Verbrechens an-
geklagte Flüchtlinge dem verfolgenden Gerichte auszuliefern, wird nur in-
ſofern anerkannt, als dieſelbe entweder durch beſondere Statenverträge
(Auslieferungsverträge) begründet oder zur Sicherung eines allgemeinen
Rechtszuſtandes als nothwendig erſcheint.
Im letztern Fall iſt die Auslieferungspflicht jedenfalls auf ſchwere
und gemeine Verbrechen beſchränkt, und ſetzt voraus, daß die Rechtspflege
des verfolgenden Stats hinreichende Garantien gebe für eine civiliſirte
Verwaltung der Gerechtigkeit.
Die Meinungen über die Auslieferungspflicht und das Aſylrecht
ſind noch ſehr getheilt ſowohl in der Statenpraxis als in der Wiſſenſchaft. Noch
machen ſich extreme Meinungen geltend. Zuweilen wird ein unbeſchränktes
Aſylrecht der Staten behauptet, welches nur durch Auslieferungsverträge beſchränkt
werde. Die Vertheidiger dieſer Anſicht — Puffendorf, Martens, Story
und andere — führen dafür an, daß dieſe Flüchtlinge nicht die Rechtsordnung des
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/247>, abgerufen am 22.02.2025.
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