Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Völkerrechtliche Organe. Hauptstat der großen Entfernung wegen nicht in der Lage ist, diese Vertretung wirk-sam zu besorgen, so ist eine Uebertragung dieses beschränkten Gesantenrechts auf die besondere Provincial- oder Landesregierung nicht zu entbehren. Fälle der Art sind z. B. die Gesanten, welche von den englischen Regierungen in Ostindien, in Australien, von der Holländischen Colonialregierung in Ostasien versendet werden. Es bedarf jedoch einer besondern Ermächtigung von Seite der souveränen Hauptregierung. 162. Die Wahl des Gesanten oder Agenten steht dem Absendestate frei. Das Wahlrecht folgt wieder aus der Souveränetät des Absendestats. Ein 163. Jeder Stat ist in Folge des völkerrechtlichen Verbandes aller Staten Die allgemeine Weigerung, Gesante zu empfangen, würde die Mög- 164. Dem Empfangstate steht es zu, gewisse ihm anstößige Personen sich Mit Grund erregt es Anstoß, wenn ein Stat einen von einem andern State Völkerrechtliche Organe. Hauptſtat der großen Entfernung wegen nicht in der Lage iſt, dieſe Vertretung wirk-ſam zu beſorgen, ſo iſt eine Uebertragung dieſes beſchränkten Geſantenrechts auf die beſondere Provincial- oder Landesregierung nicht zu entbehren. Fälle der Art ſind z. B. die Geſanten, welche von den engliſchen Regierungen in Oſtindien, in Auſtralien, von der Holländiſchen Colonialregierung in Oſtaſien verſendet werden. Es bedarf jedoch einer beſondern Ermächtigung von Seite der ſouveränen Hauptregierung. 162. Die Wahl des Geſanten oder Agenten ſteht dem Abſendeſtate frei. Das Wahlrecht folgt wieder aus der Souveränetät des Abſendeſtats. Ein 163. Jeder Stat iſt in Folge des völkerrechtlichen Verbandes aller Staten Die allgemeine Weigerung, Geſante zu empfangen, würde die Mög- 164. Dem Empfangſtate ſteht es zu, gewiſſe ihm anſtößige Perſonen ſich Mit Grund erregt es Anſtoß, wenn ein Stat einen von einem andern State <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0149" n="127"/><fw place="top" type="header">Völkerrechtliche Organe.</fw><lb/> Hauptſtat der großen Entfernung wegen nicht in der Lage iſt, dieſe Vertretung wirk-<lb/> ſam zu beſorgen, ſo iſt eine Uebertragung dieſes beſchränkten Geſantenrechts auf die<lb/> beſondere Provincial- oder Landesregierung nicht zu entbehren. Fälle der Art ſind<lb/> z. B. die Geſanten, welche von den <hi rendition="#g">engliſchen Regierungen in Oſtindien</hi>,<lb/> in <hi rendition="#g">Auſtralien</hi>, von der <hi rendition="#g">Holländiſchen Colonialregierung</hi> in Oſtaſien<lb/> verſendet werden. Es bedarf jedoch einer beſondern Ermächtigung von Seite der<lb/> ſouveränen Hauptregierung.</p> </div><lb/> <div n="5"> <head>162.</head><lb/> <p>Die Wahl des Geſanten oder Agenten ſteht dem Abſendeſtate frei.<lb/> Es wird keine beſtimmte Standeseigenſchaft erfordert.</p><lb/> <p>Das Wahlrecht folgt wieder aus der Souveränetät des Abſendeſtats. Ein<lb/> beſtimmter Stand, etwa Adels- oder geiſtlicher Stand, iſt auch für die oberſten<lb/> Claſſen der Geſanten nicht erforderlich, ſo wenig als für andere oberſte Statsämter.<lb/> Ein Botſchafter aus <hi rendition="#g">bürgerlicher</hi> Familie hat genau <hi rendition="#g">dasſelbe Recht</hi>, wie ein<lb/> Botſchafter von <hi rendition="#g">fürſtlicher</hi> Abkunft, denn er repräſentirt in beiden Fällen nicht<lb/> ſeine perſönliche und Standeswürde, ſondern <hi rendition="#g">den Stat</hi>.</p> </div><lb/> <div n="5"> <head>163.</head><lb/> <p>Jeder Stat iſt in Folge des völkerrechtlichen Verbandes aller Staten<lb/> verpflichtet, den Geſanten eines andern völkerrechtlich anerkannten States<lb/> zu empfangen und anzuhören. Nur beſonders erhebliche Ausnahmsgründe<lb/> können eine Abweiſung rechtfertigen.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">allgemeine Weigerung</hi>, Geſante zu empfangen, würde die Mög-<lb/> lichkeit eines völkerrechtlichen Verkehrs ausſchließen. Damit aber wäre der völker-<lb/> rechtliche Verband der Staten unwirkſam gemacht. Dagegen wird die Zulaſſung<lb/> ſtändiger Geſanten als <hi rendition="#g">ein Act des Friedens</hi> betrachtet und in Kriegszeiten<lb/> dieſer friedliche Verkehr gewöhnlich abgebrochen. Von der <hi rendition="#g">beſondern</hi> Weigerung,<lb/> eine <hi rendition="#g">beſtimmte Perſon</hi> zu empfangen, handelt § 164.</p> </div><lb/> <div n="5"> <head>164.</head><lb/> <p>Dem Empfangſtate ſteht es zu, gewiſſe ihm anſtößige Perſonen ſich<lb/> als Geſante oder Agenten zu verbitten.</p><lb/> <p>Mit Grund erregt es Anſtoß, wenn ein Stat einen von einem andern State<lb/> früher wegen eines Verbrechens Beſtraften oder Verfolgten nun als ſeinen Geſanten<lb/> bei dieſem State accreditiren will; daher iſt in einem ſolchen Fall die Annahme<lb/> dieſer Perſon nicht zu erwarten. <hi rendition="#g">Bynkershoek</hi> (<hi rendition="#aq">Quaest. Publ. II. v.</hi>) erwähnt<lb/> eines Falles, in dem England als Geſanten nach dem Hag einen Mann ſchickte,<lb/> welcher zuvor von der Holländiſch-Oſtindiſchen Compagnie verurtheilt worden war,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [127/0149]
Völkerrechtliche Organe.
Hauptſtat der großen Entfernung wegen nicht in der Lage iſt, dieſe Vertretung wirk-
ſam zu beſorgen, ſo iſt eine Uebertragung dieſes beſchränkten Geſantenrechts auf die
beſondere Provincial- oder Landesregierung nicht zu entbehren. Fälle der Art ſind
z. B. die Geſanten, welche von den engliſchen Regierungen in Oſtindien,
in Auſtralien, von der Holländiſchen Colonialregierung in Oſtaſien
verſendet werden. Es bedarf jedoch einer beſondern Ermächtigung von Seite der
ſouveränen Hauptregierung.
162.
Die Wahl des Geſanten oder Agenten ſteht dem Abſendeſtate frei.
Es wird keine beſtimmte Standeseigenſchaft erfordert.
Das Wahlrecht folgt wieder aus der Souveränetät des Abſendeſtats. Ein
beſtimmter Stand, etwa Adels- oder geiſtlicher Stand, iſt auch für die oberſten
Claſſen der Geſanten nicht erforderlich, ſo wenig als für andere oberſte Statsämter.
Ein Botſchafter aus bürgerlicher Familie hat genau dasſelbe Recht, wie ein
Botſchafter von fürſtlicher Abkunft, denn er repräſentirt in beiden Fällen nicht
ſeine perſönliche und Standeswürde, ſondern den Stat.
163.
Jeder Stat iſt in Folge des völkerrechtlichen Verbandes aller Staten
verpflichtet, den Geſanten eines andern völkerrechtlich anerkannten States
zu empfangen und anzuhören. Nur beſonders erhebliche Ausnahmsgründe
können eine Abweiſung rechtfertigen.
Die allgemeine Weigerung, Geſante zu empfangen, würde die Mög-
lichkeit eines völkerrechtlichen Verkehrs ausſchließen. Damit aber wäre der völker-
rechtliche Verband der Staten unwirkſam gemacht. Dagegen wird die Zulaſſung
ſtändiger Geſanten als ein Act des Friedens betrachtet und in Kriegszeiten
dieſer friedliche Verkehr gewöhnlich abgebrochen. Von der beſondern Weigerung,
eine beſtimmte Perſon zu empfangen, handelt § 164.
164.
Dem Empfangſtate ſteht es zu, gewiſſe ihm anſtößige Perſonen ſich
als Geſante oder Agenten zu verbitten.
Mit Grund erregt es Anſtoß, wenn ein Stat einen von einem andern State
früher wegen eines Verbrechens Beſtraften oder Verfolgten nun als ſeinen Geſanten
bei dieſem State accreditiren will; daher iſt in einem ſolchen Fall die Annahme
dieſer Perſon nicht zu erwarten. Bynkershoek (Quaest. Publ. II. v.) erwähnt
eines Falles, in dem England als Geſanten nach dem Hag einen Mann ſchickte,
welcher zuvor von der Holländiſch-Oſtindiſchen Compagnie verurtheilt worden war,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |