2. Eben so ausgemacht und bekannt ist aber auch, daß hingegen das Wort Gattung von dem Zeitworte sich gatten, abstammt; und da nun im freien Na- turzustande wohl nur die Thiere von einer species sich mit einander fruchtbar gatten, so versteht sich also von selbst, daß das Wort species, in dem Sinne, wovon hier die Rede ist, durch kein anderes deutsches Wort passender und bezeichnender und bestimmter ausgedrückt werden konnte, als durch Gattung.
3. Daß aber die Homonymie des deutschen Wortes Geschlecht, indem es sowohl genus als sexus bedeutet, zu Irrung Anlaß geben werde, ist wohl eben so wenig im Ernst zu befürchten, als bei dem lateinischen Worte genus, das, wie wir in den Knabenjahren in der Gra- matik beim Unterschied der Worte generis masculini oder feminini lernen, auch statt sexus gebraucht wird.
4. Und wenn aber auch obbesagter Reformator im Ernste so etwas befürchten zu müssen meinte, so hätte er immerhin mögen wer weiß was für ein Wort von eige- ner Fabrik statt des ihm bedenklichen Geschlechts vorschlagen; aber nichts konnte ihn berechtigen, die Landessprache - d. h. den bestimmten einmal festgesetz- ten Sinn der deutschen Worte - (da man z. B. Men- schen geschlecht etc. sagt, so gut wie genushumanum) zu verkehren! Denn, wie unser sel. Lichtenberg bei einem ähnlichen Anlaß sich ausdrückt:
"Hypothesen zu machen, und sie als seine Stim- me der Welt vorzulegen, darf niemand gewehrt seyn, sie gehören dem Verfasser. Aberdie Sprachegehört derNation, und mit dieser darf man nicht umspringen, wie man will."
Die gleiche schuldige Achtung gegen dieses der Na- tion gehörige Eigenthum, habe ich auch bei den deut- schen Namen der Naturalien beobachtet, und mich daher immer der allgemein angenommenen und allgemein ver-
2. Eben so ausgemacht und bekannt ist aber auch, daß hingegen das Wort Gattung von dem Zeitworte sich gatten, abstammt; und da nun im freien Na- turzustande wohl nur die Thiere von einer species sich mit einander fruchtbar gatten, so versteht sich also von selbst, daß das Wort species, in dem Sinne, wovon hier die Rede ist, durch kein anderes deutsches Wort passender und bezeichnender und bestimmter ausgedrückt werden konnte, als durch Gattung.
3. Daß aber die Homonymie des deutschen Wortes Geschlecht, indem es sowohl genus als sexus bedeutet, zu Irrung Anlaß geben werde, ist wohl eben so wenig im Ernst zu befürchten, als bei dem lateinischen Worte genus, das, wie wir in den Knabenjahren in der Gra- matik beim Unterschied der Worte generis masculini oder feminini lernen, auch statt sexus gebraucht wird.
4. Und wenn aber auch obbesagter Reformator im Ernste so etwas befürchten zu müssen meinte, so hätte er immerhin mögen wer weiß was für ein Wort von eige- ner Fabrik statt des ihm bedenklichen Geschlechts vorschlagen; aber nichts konnte ihn berechtigen, die Landessprache – d. h. den bestimmten einmal festgesetz- ten Sinn der deutschen Worte – (da man z. B. Men- schen geschlecht ꝛc. sagt, so gut wie genushumanum) zu verkehren! Denn, wie unser sel. Lichtenberg bei einem ähnlichen Anlaß sich ausdrückt:
„Hypothesen zu machen, und sie als seine Stim- me der Welt vorzulegen, darf niemand gewehrt seyn, sie gehören dem Verfasser. Aberdie Sprachegehört derNation, und mit dieser darf man nicht umspringen, wie man will.“
Die gleiche schuldige Achtung gegen dieses der Na- tion gehörige Eigenthum, habe ich auch bei den deut- schen Namen der Naturalien beobachtet, und mich daher immer der allgemein angenommenen und allgemein ver-
<TEIxml:lang="de-DE"><textxmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance"xml:id="blume_hbnatur_000042"><front><divtype="preface"n="1"><pbfacs="#f0007"xml:id="pbV_0001"n="V"/><p>2. Eben so ausgemacht und bekannt ist aber auch, daß<lb/>
hingegen das Wort <hirendition="#g">Gattung</hi> von dem Zeitworte<lb/><hirendition="#g">sich gatten</hi>, abstammt; und da nun im freien Na-<lb/>
turzustande wohl nur die Thiere von einer <hirendition="#aq">species</hi> sich<lb/>
mit einander fruchtbar gatten, so versteht sich also von<lb/>
selbst, daß das Wort <hirendition="#aq">species,</hi> in dem Sinne, wovon<lb/>
hier die Rede ist, durch kein anderes deutsches Wort<lb/>
passender und bezeichnender und bestimmter ausgedrückt<lb/>
werden konnte, als durch <hirendition="#g">Gattung</hi>.</p><p>3. Daß aber die Homonymie des deutschen Wortes<lb/>
Geschlecht, indem es sowohl <hirendition="#aq">genus</hi> als <hirendition="#aq">sexus</hi> bedeutet,<lb/>
zu Irrung Anlaß geben werde, ist wohl eben so wenig<lb/>
im Ernst zu befürchten, als bei dem lateinischen Worte<lb/><hirendition="#aq">genus</hi>, das, wie wir in den Knabenjahren in der Gra-<lb/>
matik beim Unterschied der Worte <hirendition="#aq">generis masculini</hi><lb/>
oder <hirendition="#aq">feminini</hi> lernen, auch statt <hirendition="#aq">sexus</hi> gebraucht wird.</p><p>4. Und wenn aber auch obbesagter Reformator im<lb/>
Ernste so etwas befürchten zu müssen meinte, so hätte er<lb/>
immerhin mögen wer weiß was für ein Wort von eige-<lb/>
ner Fabrik statt des ihm bedenklichen <hirendition="#g">Geschlechts</hi><lb/>
vorschlagen; aber nichts konnte ihn berechtigen, die<lb/>
Landessprache – d. h. den bestimmten einmal festgesetz-<lb/>
ten Sinn der deutschen Worte – (da man z. B. Men-<lb/>
schen <hirendition="#g">geschlecht</hi>ꝛc. sagt, so gut wie <hirendition="#i"><hirendition="#aq">genus</hi></hi><hirendition="#aq">humanum</hi>)<lb/>
zu verkehren! Denn, wie unser sel. <hirendition="#g">Lichtenberg</hi> bei<lb/>
einem ähnlichen Anlaß sich ausdrückt:</p><prendition="#l2em"><qtype="preline">„Hypothesen zu machen, und sie als seine Stim-<lb/>
me der Welt vorzulegen, darf niemand gewehrt<lb/>
seyn, sie gehören dem Verfasser. <hirendition="#g">Aber</hi><hirendition="#i"><hirendition="#aq">die<lb/>
Sprache</hi></hi><hirendition="#g">gehört der</hi><hirendition="#i"><hirendition="#aq">Nation</hi></hi>, <hirendition="#g">und mit<lb/>
dieser darf man nicht umspringen</hi>,<lb/><hirendition="#g">wie man will.“</hi></q></p><p>Die gleiche schuldige Achtung gegen dieses der Na-<lb/>
tion gehörige Eigenthum, habe ich auch bei den deut-<lb/>
schen Namen der Naturalien beobachtet, und mich daher<lb/>
immer der allgemein angenommenen und allgemein ver-<lb/></p></div></front></text></TEI>
[V/0007]
2. Eben so ausgemacht und bekannt ist aber auch, daß
hingegen das Wort Gattung von dem Zeitworte
sich gatten, abstammt; und da nun im freien Na-
turzustande wohl nur die Thiere von einer species sich
mit einander fruchtbar gatten, so versteht sich also von
selbst, daß das Wort species, in dem Sinne, wovon
hier die Rede ist, durch kein anderes deutsches Wort
passender und bezeichnender und bestimmter ausgedrückt
werden konnte, als durch Gattung.
3. Daß aber die Homonymie des deutschen Wortes
Geschlecht, indem es sowohl genus als sexus bedeutet,
zu Irrung Anlaß geben werde, ist wohl eben so wenig
im Ernst zu befürchten, als bei dem lateinischen Worte
genus, das, wie wir in den Knabenjahren in der Gra-
matik beim Unterschied der Worte generis masculini
oder feminini lernen, auch statt sexus gebraucht wird.
4. Und wenn aber auch obbesagter Reformator im
Ernste so etwas befürchten zu müssen meinte, so hätte er
immerhin mögen wer weiß was für ein Wort von eige-
ner Fabrik statt des ihm bedenklichen Geschlechts
vorschlagen; aber nichts konnte ihn berechtigen, die
Landessprache – d. h. den bestimmten einmal festgesetz-
ten Sinn der deutschen Worte – (da man z. B. Men-
schen geschlecht ꝛc. sagt, so gut wie genus humanum)
zu verkehren! Denn, wie unser sel. Lichtenberg bei
einem ähnlichen Anlaß sich ausdrückt:
„Hypothesen zu machen, und sie als seine Stim-
me der Welt vorzulegen, darf niemand gewehrt
seyn, sie gehören dem Verfasser. Aber die
Sprache gehört der Nation, und mit
dieser darf man nicht umspringen,
wie man will.“
Die gleiche schuldige Achtung gegen dieses der Na-
tion gehörige Eigenthum, habe ich auch bei den deut-
schen Namen der Naturalien beobachtet, und mich daher
immer der allgemein angenommenen und allgemein ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/7>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.