Hingegen scheint mir das Frettchen, nicht für eine besondere Gattung, sondern für eine bloße Abart des Iltis gehalten werden zu müssen, nicht sowohl weil ich weiß, daß beyde sich mit einander gatten, sondern weil jenes rothe Augensterne hat, und mei- nes Dafürhaltens alle jene Säugthiere, deren inne- res Auge des dunkeln Pigments ermangelt, nach der Analogie für bloße Abarten von ihrer Urspezies zu halten sind.
§. 24. Anwendung des Gesagten auf die Untersuchung, wie man in dem Menschengeschlecht entweder Abarten oder Gattun- gen zu setzen habe?
Man sieht leichtlich ein, wohin das bisher Ge- sagte ziele. Es giebt ihm zufolge außer der Analo- gie keinen andern Weg, auf welchem man das oben angeführte Promblem zu lösen im Stande wäre (§. 22.)
Wer aber diesen Weg einschlägt, muß immer die zwo goldnen Regeln des großen Newton im Phi- losophiren vor Augen haben.
Die erste heißt: "Für natürliche Wirkungen von einerley Gattung muß man auch einer- ley Ursachen auszeichnen."
Wir müssen also für die körperliche Verschieden- heit der Völker des Menschengeschlechts dieselben Ur- sachen anzeichnen, welche wir bey ähnlicher körper- licher Verschiedenheit anderer zahmen, weit auf der Erde verbreiteter Thiere, anzeichnen.
Die
Hingegen ſcheint mir das Frettchen, nicht fuͤr eine beſondere Gattung, ſondern fuͤr eine bloße Abart des Iltis gehalten werden zu muͤſſen, nicht ſowohl weil ich weiß, daß beyde ſich mit einander gatten, ſondern weil jenes rothe Augenſterne hat, und mei- nes Dafuͤrhaltens alle jene Saͤugthiere, deren inne- res Auge des dunkeln Pigments ermangelt, nach der Analogie fuͤr bloße Abarten von ihrer Urſpezies zu halten ſind.
§. 24. Anwendung des Geſagten auf die Unterſuchung, wie man in dem Menſchengeſchlecht entweder Abarten oder Gattun- gen zu ſetzen habe?
Man ſieht leichtlich ein, wohin das bisher Ge- ſagte ziele. Es giebt ihm zufolge außer der Analo- gie keinen andern Weg, auf welchem man das oben angefuͤhrte Promblem zu loͤſen im Stande waͤre (§. 22.)
Wer aber dieſen Weg einſchlaͤgt, muß immer die zwo goldnen Regeln des großen Newton im Phi- loſophiren vor Augen haben.
Die erſte heißt: „Fuͤr natuͤrliche Wirkungen von einerley Gattung muß man auch einer- ley Urſachen auszeichnen.“
Wir muͤſſen alſo fuͤr die koͤrperliche Verſchieden- heit der Voͤlker des Menſchengeſchlechts dieſelben Ur- ſachen anzeichnen, welche wir bey aͤhnlicher koͤrper- licher Verſchiedenheit anderer zahmen, weit auf der Erde verbreiteter Thiere, anzeichnen.
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Hingegen ſcheint mir das Frettchen, nicht fuͤr
eine beſondere Gattung, ſondern fuͤr eine bloße Abart
des Iltis gehalten werden zu muͤſſen, nicht ſowohl
weil ich weiß, daß beyde ſich mit einander gatten,
ſondern weil jenes rothe Augenſterne hat, und mei-
nes Dafuͤrhaltens alle jene Saͤugthiere, deren inne-
res Auge des dunkeln Pigments ermangelt, nach der
Analogie fuͤr bloße Abarten von ihrer Urſpezies zu
halten ſind.
§. 24.
Anwendung des Geſagten auf die Unterſuchung, wie man
in dem Menſchengeſchlecht entweder Abarten oder Gattun-
gen zu ſetzen habe?
Man ſieht leichtlich ein, wohin das bisher Ge-
ſagte ziele. Es giebt ihm zufolge außer der Analo-
gie keinen andern Weg, auf welchem man das oben
angefuͤhrte Promblem zu loͤſen im Stande waͤre
(§. 22.)
Wer aber dieſen Weg einſchlaͤgt, muß immer
die zwo goldnen Regeln des großen Newton im Phi-
loſophiren vor Augen haben.
Die erſte heißt: „Fuͤr natuͤrliche Wirkungen
von einerley Gattung muß man auch einer-
ley Urſachen auszeichnen.“
Wir muͤſſen alſo fuͤr die koͤrperliche Verſchieden-
heit der Voͤlker des Menſchengeſchlechts dieſelben Ur-
ſachen anzeichnen, welche wir bey aͤhnlicher koͤrper-
licher Verſchiedenheit anderer zahmen, weit auf der
Erde verbreiteter Thiere, anzeichnen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift "De generis humani varietate nativa" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk "De generis humani varietate nativa" in deutscher Sprache vor.
Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/96>, abgerufen am 22.02.2025.
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