Thier genannt. Ich weiß zwar wohl, daß hin und wieder Schriftsteller einen solchen Fluß auch weibli- chen Thieren, und hauptsächlich aus der Klasse der vierhändigen zugeeignet und gesagt haben, daß z. B. die Dianen (simia Diana) durch die Schwanzspitze die monatliche Reinigung halten, u. dgl. m. So oft ich aber seit zwanzig Jahren in Menagerien oder bey Herumführern Affenweibchen, Paviane u. a. zu sehen bekommen, und diesen Umstand untersucht habe, habe ich zwar unterweilen eines oder das an- dere gesehen, welches einen Mutterblutfluß hatte, allein keins, wo er, nach der Aussage aufrichtiger Wärter, periodisch gewesen wäre, diese hingegen hielten ihn für die Wirkung einer Krankheit und wi- dernatürlich, ja mehrere bekannten offenherzig, daß man ihnen gemeiniglich für einen monatlichen Fluß ausgäbe, um die Bewunderung des Pöbels dadurch desto mehr zu erregen.
Die fabelhaften Erzählungen des leichtgläubigen Alterthums von ganzen Völkerschaften, deren Wei- ber keinen monatlichen Fluß gehabt hätten, wollen wir an einem andern Orte mit wenigem berühren.
§. 18. IV. Die Eigenthümlichkeiten des Menschen, in Ansehung der Seelenvermögen.
Hierher zählen alle mit einem Munde als den höchsten und größten Vorzug des Menschen, den Gebrauch der Vernunft. Wenn man nun aber über die Bedeutung dieses Worts genau nachforscht; so muß man in der That über die himmelweit ver-
schie-
Versch. des M. D
Thier genannt. Ich weiß zwar wohl, daß hin und wieder Schriftſteller einen ſolchen Fluß auch weibli- chen Thieren, und hauptſaͤchlich aus der Klaſſe der vierhaͤndigen zugeeignet und geſagt haben, daß z. B. die Dianen (ſimia Diana) durch die Schwanzſpitze die monatliche Reinigung halten, u. dgl. m. So oft ich aber ſeit zwanzig Jahren in Menagerien oder bey Herumfuͤhrern Affenweibchen, Paviane u. a. zu ſehen bekommen, und dieſen Umſtand unterſucht habe, habe ich zwar unterweilen eines oder das an- dere geſehen, welches einen Mutterblutfluß hatte, allein keins, wo er, nach der Ausſage aufrichtiger Waͤrter, periodiſch geweſen waͤre, dieſe hingegen hielten ihn fuͤr die Wirkung einer Krankheit und wi- dernatuͤrlich, ja mehrere bekannten offenherzig, daß man ihnen gemeiniglich fuͤr einen monatlichen Fluß ausgaͤbe, um die Bewunderung des Poͤbels dadurch deſto mehr zu erregen.
Die fabelhaften Erzaͤhlungen des leichtglaͤubigen Alterthums von ganzen Voͤlkerſchaften, deren Wei- ber keinen monatlichen Fluß gehabt haͤtten, wollen wir an einem andern Orte mit wenigem beruͤhren.
§. 18. IV. Die Eigenthuͤmlichkeiten des Menſchen, in Anſehung der Seelenvermoͤgen.
Hierher zaͤhlen alle mit einem Munde als den hoͤchſten und groͤßten Vorzug des Menſchen, den Gebrauch der Vernunft. Wenn man nun aber uͤber die Bedeutung dieſes Worts genau nachforſcht; ſo muß man in der That uͤber die himmelweit ver-
ſchie-
Verſch. des M. D
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Thier genannt. Ich weiß zwar wohl, daß hin und
wieder Schriftſteller einen ſolchen Fluß auch weibli-
chen Thieren, und hauptſaͤchlich aus der Klaſſe der
vierhaͤndigen zugeeignet und geſagt haben, daß z. B.
die Dianen (ſimia Diana) durch die Schwanzſpitze
die monatliche Reinigung halten, u. dgl. m. So
oft ich aber ſeit zwanzig Jahren in Menagerien oder
bey Herumfuͤhrern Affenweibchen, Paviane u. a.
zu ſehen bekommen, und dieſen Umſtand unterſucht
habe, habe ich zwar unterweilen eines oder das an-
dere geſehen, welches einen Mutterblutfluß hatte,
allein keins, wo er, nach der Ausſage aufrichtiger
Waͤrter, periodiſch geweſen waͤre, dieſe hingegen
hielten ihn fuͤr die Wirkung einer Krankheit und wi-
dernatuͤrlich, ja mehrere bekannten offenherzig, daß
man ihnen gemeiniglich fuͤr einen monatlichen Fluß
ausgaͤbe, um die Bewunderung des Poͤbels dadurch
deſto mehr zu erregen.
Die fabelhaften Erzaͤhlungen des leichtglaͤubigen
Alterthums von ganzen Voͤlkerſchaften, deren Wei-
ber keinen monatlichen Fluß gehabt haͤtten, wollen
wir an einem andern Orte mit wenigem beruͤhren.
§. 18.
IV. Die Eigenthuͤmlichkeiten des Menſchen, in Anſehung
der Seelenvermoͤgen.
Hierher zaͤhlen alle mit einem Munde als den
hoͤchſten und groͤßten Vorzug des Menſchen, den
Gebrauch der Vernunft. Wenn man nun aber
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift "De generis humani varietate nativa" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk "De generis humani varietate nativa" in deutscher Sprache vor.
Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/83>, abgerufen am 22.02.2025.
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