Zu meinem Nachfolger in Paris war Graf Robert von der Goltz ernannt worden, der seit 1855 Gesandter in Athen, Constantinopel und Petersburg gewesen war. Meine Er¬ wartung, daß das Amt ihn disciplinirt, der Uebergang von der schriftstellerischen zu einer geschäftlichen Thätigkeit ihn praktischer, nüchterner gemacht und die Berufung auf den derzeit wichtigsten Posten der preußischen Diplomatie seinen Ehrgeiz befriedigt haben würde, sollte sich nicht sogleich und nicht völlig erfüllen. Am Ende des Jahres 1863 sah ich mich zu einer schriftlichen Erörterung mit ihm genöthigt, die leider nicht vollständig in meinem Besitz ist; von seinem Briefe vom 22. December, welcher den unmittelbaren Anlaß dazu gab, ist nur ein Bruchstück vorhanden1), und in der Abschrift meiner Antwort fehlt der Eingang. Aber auch so hat diese ihren Werth als Schilderung der damaligen Situation und als Beleuchtung der daraus hervorgegangenen Entwicklung.
"Berlin, den 24. December 1863.
... Was die dänische Sache betrifft, so ist es nicht möglich, daß der König zwei auswärtige Minister habe, d. h. daß der
1) S. Bismarck-Jahrbuch V 231 f.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 1
Neunzehntes Kapitel. Schleswig-Holſtein.
I.
Zu meinem Nachfolger in Paris war Graf Robert von der Goltz ernannt worden, der ſeit 1855 Geſandter in Athen, Conſtantinopel und Petersburg geweſen war. Meine Er¬ wartung, daß das Amt ihn diſciplinirt, der Uebergang von der ſchriftſtelleriſchen zu einer geſchäftlichen Thätigkeit ihn praktiſcher, nüchterner gemacht und die Berufung auf den derzeit wichtigſten Poſten der preußiſchen Diplomatie ſeinen Ehrgeiz befriedigt haben würde, ſollte ſich nicht ſogleich und nicht völlig erfüllen. Am Ende des Jahres 1863 ſah ich mich zu einer ſchriftlichen Erörterung mit ihm genöthigt, die leider nicht vollſtändig in meinem Beſitz iſt; von ſeinem Briefe vom 22. December, welcher den unmittelbaren Anlaß dazu gab, iſt nur ein Bruchſtück vorhanden1), und in der Abſchrift meiner Antwort fehlt der Eingang. Aber auch ſo hat dieſe ihren Werth als Schilderung der damaligen Situation und als Beleuchtung der daraus hervorgegangenen Entwicklung.
„Berlin, den 24. December 1863.
... Was die däniſche Sache betrifft, ſo iſt es nicht möglich, daß der König zwei auswärtige Miniſter habe, d. h. daß der
1) S. Bismarck-Jahrbuch V 231 f.
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 1
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Neunzehntes Kapitel.
Schleswig-Holſtein.
I.
Zu meinem Nachfolger in Paris war Graf Robert von der
Goltz ernannt worden, der ſeit 1855 Geſandter in Athen,
Conſtantinopel und Petersburg geweſen war. Meine Er¬
wartung, daß das Amt ihn diſciplinirt, der Uebergang von der
ſchriftſtelleriſchen zu einer geſchäftlichen Thätigkeit ihn praktiſcher,
nüchterner gemacht und die Berufung auf den derzeit wichtigſten
Poſten der preußiſchen Diplomatie ſeinen Ehrgeiz befriedigt haben
würde, ſollte ſich nicht ſogleich und nicht völlig erfüllen. Am Ende
des Jahres 1863 ſah ich mich zu einer ſchriftlichen Erörterung mit
ihm genöthigt, die leider nicht vollſtändig in meinem Beſitz iſt;
von ſeinem Briefe vom 22. December, welcher den unmittelbaren
Anlaß dazu gab, iſt nur ein Bruchſtück vorhanden 1), und in der
Abſchrift meiner Antwort fehlt der Eingang. Aber auch ſo hat
dieſe ihren Werth als Schilderung der damaligen Situation und
als Beleuchtung der daraus hervorgegangenen Entwicklung.
„Berlin, den 24. December 1863.
... Was die däniſche Sache betrifft, ſo iſt es nicht möglich,
daß der König zwei auswärtige Miniſter habe, d. h. daß der
1) S. Bismarck-Jahrbuch V 231 f.
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 1
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/25>, abgerufen am 22.02.2025.
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