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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Neuntes Kapitel.
Reisen. Regentschaft.
I.

Im folgenden Jahre, 1856, begann der König sich mir wieder
zu nähern; Manteuffel (vielleicht auch Andre) fürchteten, ich könnte
auf seine und ihre Kosten Einfluß gewinnen. Unter diesen Ver¬
hältnissen machte mir Manteuffel den Vorschlag, ich solle das
Finanzministerium übernehmen, er werde das Präsidium und das
auswärtige Ressort behalten, später aber mit mir tauschen, so daß
er als Vorsitzender Finanzminister, ich Auswärtiger würde. Er
that, als ginge der Vorschlag von ihm aus. Obwohl mir derselbe
sonderbar erschien, lehnte ich nicht grade ab, sondern erinnerte
nur daran, daß die Zeitungen, als ich zum Bundesgesandten er¬
nannt war, den Scherz des witzigen Dechanten von Westminster
über Lord John Russell auf mich angewandt hatten: der Mensch
würde auch das Commando einer Fregatte oder eine Steinoperation
übernehmen. Wenn ich Finanzminister würde, so könnten der¬
gleichen Urtheile mit mehr Geltung auftreten, obschon ich die unter¬
schreibende Thätigkeit Bodelschwingh's als Finanzminister allenfalls
auch würde leisten können. Es komme alles darauf an, wie lange
das Interimisticum dauern solle. In der That war der Vorschlag
vom Könige ausgegangen; und als der Manteuffeln fragte, was
er ausgerichtet hätte, antwortete derselbe: "Er hat mich gradezu
ausgelacht."

Neuntes Kapitel.
Reiſen. Regentſchaft.
I.

Im folgenden Jahre, 1856, begann der König ſich mir wieder
zu nähern; Manteuffel (vielleicht auch Andre) fürchteten, ich könnte
auf ſeine und ihre Koſten Einfluß gewinnen. Unter dieſen Ver¬
hältniſſen machte mir Manteuffel den Vorſchlag, ich ſolle das
Finanzminiſterium übernehmen, er werde das Präſidium und das
auswärtige Reſſort behalten, ſpäter aber mit mir tauſchen, ſo daß
er als Vorſitzender Finanzminiſter, ich Auswärtiger würde. Er
that, als ginge der Vorſchlag von ihm aus. Obwohl mir derſelbe
ſonderbar erſchien, lehnte ich nicht grade ab, ſondern erinnerte
nur daran, daß die Zeitungen, als ich zum Bundesgeſandten er¬
nannt war, den Scherz des witzigen Dechanten von Weſtminſter
über Lord John Ruſſell auf mich angewandt hatten: der Menſch
würde auch das Commando einer Fregatte oder eine Steinoperation
übernehmen. Wenn ich Finanzminiſter würde, ſo könnten der¬
gleichen Urtheile mit mehr Geltung auftreten, obſchon ich die unter¬
ſchreibende Thätigkeit Bodelſchwingh's als Finanzminiſter allenfalls
auch würde leiſten können. Es komme alles darauf an, wie lange
das Interimiſticum dauern ſolle. In der That war der Vorſchlag
vom Könige ausgegangen; und als der Manteuffeln fragte, was
er ausgerichtet hätte, antwortete derſelbe: „Er hat mich gradezu
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[[191]/0218] Neuntes Kapitel. Reiſen. Regentſchaft. I. Im folgenden Jahre, 1856, begann der König ſich mir wieder zu nähern; Manteuffel (vielleicht auch Andre) fürchteten, ich könnte auf ſeine und ihre Koſten Einfluß gewinnen. Unter dieſen Ver¬ hältniſſen machte mir Manteuffel den Vorſchlag, ich ſolle das Finanzminiſterium übernehmen, er werde das Präſidium und das auswärtige Reſſort behalten, ſpäter aber mit mir tauſchen, ſo daß er als Vorſitzender Finanzminiſter, ich Auswärtiger würde. Er that, als ginge der Vorſchlag von ihm aus. Obwohl mir derſelbe ſonderbar erſchien, lehnte ich nicht grade ab, ſondern erinnerte nur daran, daß die Zeitungen, als ich zum Bundesgeſandten er¬ nannt war, den Scherz des witzigen Dechanten von Weſtminſter über Lord John Ruſſell auf mich angewandt hatten: der Menſch würde auch das Commando einer Fregatte oder eine Steinoperation übernehmen. Wenn ich Finanzminiſter würde, ſo könnten der¬ gleichen Urtheile mit mehr Geltung auftreten, obſchon ich die unter¬ ſchreibende Thätigkeit Bodelſchwingh's als Finanzminiſter allenfalls auch würde leiſten können. Es komme alles darauf an, wie lange das Interimiſticum dauern ſolle. In der That war der Vorſchlag vom Könige ausgegangen; und als der Manteuffeln fragte, was er ausgerichtet hätte, antwortete derſelbe: „Er hat mich gradezu ausgelacht.“

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. [191]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/218>, abgerufen am 20.11.2024.