Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Erste Kammer oder Herrenhaus? Gegenströmungen. in Verfassungsfragen zu ermuthigen. Um mich dazu unter Um¬ständen berechtigt und verpflichtet zu fühlen, hätte ich einer längern Erfahrung in Staatsgeschäften bedurft, als ich damals besaß. Wenn es sich 20 Jahre später um die Beibehaltung der Ersten Kammer oder Verwandlung derselben in das Herrenhaus gehandelt hätte, so würde ich aus der ersten Alternative eine Cabinetsfrage ge¬ macht haben. IV. Die Haltung, welche ich in der conservativen Fraction an¬ Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 10
Erſte Kammer oder Herrenhaus? Gegenſtrömungen. in Verfaſſungsfragen zu ermuthigen. Um mich dazu unter Um¬ſtänden berechtigt und verpflichtet zu fühlen, hätte ich einer längern Erfahrung in Staatsgeſchäften bedurft, als ich damals beſaß. Wenn es ſich 20 Jahre ſpäter um die Beibehaltung der Erſten Kammer oder Verwandlung derſelben in das Herrenhaus gehandelt hätte, ſo würde ich aus der erſten Alternative eine Cabinetsfrage ge¬ macht haben. IV. Die Haltung, welche ich in der conſervativen Fraction an¬ Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 10
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Erſte Kammer oder Herrenhaus? Gegenſtrömungen.
in Verfaſſungsfragen zu ermuthigen. Um mich dazu unter Um¬
ſtänden berechtigt und verpflichtet zu fühlen, hätte ich einer längern
Erfahrung in Staatsgeſchäften bedurft, als ich damals beſaß. Wenn
es ſich 20 Jahre ſpäter um die Beibehaltung der Erſten Kammer
oder Verwandlung derſelben in das Herrenhaus gehandelt hätte,
ſo würde ich aus der erſten Alternative eine Cabinetsfrage ge¬
macht haben.
IV.
Die Haltung, welche ich in der conſervativen Fraction an¬
genommen hatte, griff ſtörend in die Pläne ein, die der König
mit mir hatte oder zu haben behauptete. Als er zu Anfang des
Jahres 1854 das Ziel, mich zum Miniſter zu machen, directer in's
Auge zu faſſen begann, wurde ſeine Abſicht nicht nur von Man¬
teuffel bekämpft, ſondern auch von der Camarilla, deren Haupt¬
perſonen der General Gerlach und Niebuhr waren. Dieſe, ebenſo
wie Manteuffel, waren nicht geneigt, den Einfluß auf den König
mit mir zu theilen, und glaubten ſich mit mir im täglichen Zu¬
ſammenleben nicht ſo gut wie in der Entfernung zu vertragen.
Gerlach wurde in dieſer Vorausſetzung beſtärkt durch ſeinen Bruder,
den Präſidenten, der die Gewohnheit hatte, mich als einen Pilatus-
Charakter zu bezeichnen auf der Baſis: Was iſt Wahrheit? alſo
als einen unſichern Fractionsgenoſſen. Dieſes Urtheil über mich
kam auch in den Kämpfen innerhalb der conſervativen Fraction
und ihres intimern Comités mit Schärfe zum Ausdruck, als ich,
auf Grund meiner Stellung als Bundestagsgeſandter und weil ich
im Beſitz des Vortrags bei dem Könige über die deutſchen An¬
gelegenheiten ſei, einen größern Einfluß auf die Haltung der Frac¬
tion in der deutſchen und der auswärtigen Politik verlangte, während
der Präſident Gerlach und Stahl die abſolute Geſammtleitung nach
allen Seiten hin in Anſpruch nahmen. Ich befand mich im Wider¬
ſpruche mit Beiden, mehr aber mit Gerlach als mit Stahl, und
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 10
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