Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652.weil Sie/ als eine getreue sorgfältige Mutter/ das Heil jhrer 74. Eines mals liesse sie jhn beruffen/ nach dem sie aber- Feuchte
weil Sie/ als eine getreue ſorgfaͤltige Mutter/ das Heil jhrer 74. Eines mals lieſſe ſie jhn beruffen/ nach dem ſie aber- Feuchte
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0136" n="84"/> weil Sie/ als eine getreue ſorgfaͤltige Mutter/ das Heil jhrer<lb/> Soͤhne und Landskinder Ihr ſehr angelegen ſeyn ſeyn lieſſe.<lb/> Sie befahl/ ein allgemeines Buß- und Betfeſt anzuſtellen/<lb/> und alſo dem Himmel/ der die Stauprute wiedergefaſſet zu-<lb/> haben ſchiene/ in die erzuͤrnten Haͤnde zu fallen. Folgends<lb/> unterlieſſe ſie auch nicht/ ſelber etwas zum Werke zu thun/<lb/> und durch jhre Soͤhne und Raͤhte allerhand Thei<supplied>d</supplied>igungs-<lb/> mittel vorzuſchlagen: welche aber gantz nicht haften wol-<lb/> ten. Sie verzweiffelte an aller jhrer verlangten Glůckſeelig-<lb/> keit/ und ware die Hoffnung jhres endlichen <hi rendition="#aq">U</hi>ntergangs<lb/> jhr einiger und letzter Troſt. <hi rendition="#aq">U</hi>nter deſſen thaͤte ſie dem Him-<lb/> mel taͤglich Opffer/ und ſuchete jhres Hertzens Erleichte-<lb/> rung in den vernuͤnfftigen Einreden deß <hi rendition="#fr">Eubulus</hi>.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>74.</head><lb/> <p>Eines mals lieſſe ſie jhn beruffen/ nach dem ſie aber-<lb/> mals einen hauffen Kuͤmmerniſſen auf jhrem geaͤngſten<lb/> Hertzen geſamlet/ die daſſelbe wie ein ſchwerer Stein<lb/> ſchmertzlich druͤkketen. Zu ſeiner Ankunft ſahe ſie jhn lang<lb/> und ſtarr an/ und bate jhn gleichſam mit ſtummer Sprache<lb/> jhrer Augen/ daß er jhr doch jhres Hertzen Kummer Gedan-<lb/> ken abrahten/ und daſſelbige erleichtern wolte/ damit ſie nit<lb/> mit Entdeckung derſelben ſich mehr betruͤben můſte. Als er<lb/> aber/ vielleicht in gleicher Beſtuͤrtzung vertieffet/ oder aus<lb/> hertzlichem Mitleiden nicht zu reden begunte/ fienge ſie end-<lb/> lich an/ und: wie nun <hi rendition="#fr">Eubulus</hi>/ ſagte Sie/ ſo ſind dann<lb/> meine Truͤbſeeligkeiten ſo groß/ daß ſie auch eure Beredt-<lb/> ſamkeit ſtumm gemacht/ daß alle Quellen eures Troſtes<lb/> von deren Hitze vertrocknet? Ich ſehe wol/ was es iſt. Euer<lb/> weiſer Raht hoͤret auf zu reden/ und ich ſoll anfahen zu ſterbẽ.<lb/> Zwar zu ſterben habe ich ſchon langſt angefangen/ und wolte<lb/> Gott/ daß ich bald gar aufhoͤrete zu leben/ weil ein elendes<lb/> Leben ein lebendiger Tod iſt. Wie ich dann allbereit faſt<lb/> keinen Geiſt mehr/ als zum Seufzen/ und keine natürliche<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Feuchte</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0136]
weil Sie/ als eine getreue ſorgfaͤltige Mutter/ das Heil jhrer
Soͤhne und Landskinder Ihr ſehr angelegen ſeyn ſeyn lieſſe.
Sie befahl/ ein allgemeines Buß- und Betfeſt anzuſtellen/
und alſo dem Himmel/ der die Stauprute wiedergefaſſet zu-
haben ſchiene/ in die erzuͤrnten Haͤnde zu fallen. Folgends
unterlieſſe ſie auch nicht/ ſelber etwas zum Werke zu thun/
und durch jhre Soͤhne und Raͤhte allerhand Theidigungs-
mittel vorzuſchlagen: welche aber gantz nicht haften wol-
ten. Sie verzweiffelte an aller jhrer verlangten Glůckſeelig-
keit/ und ware die Hoffnung jhres endlichen Untergangs
jhr einiger und letzter Troſt. Unter deſſen thaͤte ſie dem Him-
mel taͤglich Opffer/ und ſuchete jhres Hertzens Erleichte-
rung in den vernuͤnfftigen Einreden deß Eubulus.
74.
Eines mals lieſſe ſie jhn beruffen/ nach dem ſie aber-
mals einen hauffen Kuͤmmerniſſen auf jhrem geaͤngſten
Hertzen geſamlet/ die daſſelbe wie ein ſchwerer Stein
ſchmertzlich druͤkketen. Zu ſeiner Ankunft ſahe ſie jhn lang
und ſtarr an/ und bate jhn gleichſam mit ſtummer Sprache
jhrer Augen/ daß er jhr doch jhres Hertzen Kummer Gedan-
ken abrahten/ und daſſelbige erleichtern wolte/ damit ſie nit
mit Entdeckung derſelben ſich mehr betruͤben můſte. Als er
aber/ vielleicht in gleicher Beſtuͤrtzung vertieffet/ oder aus
hertzlichem Mitleiden nicht zu reden begunte/ fienge ſie end-
lich an/ und: wie nun Eubulus/ ſagte Sie/ ſo ſind dann
meine Truͤbſeeligkeiten ſo groß/ daß ſie auch eure Beredt-
ſamkeit ſtumm gemacht/ daß alle Quellen eures Troſtes
von deren Hitze vertrocknet? Ich ſehe wol/ was es iſt. Euer
weiſer Raht hoͤret auf zu reden/ und ich ſoll anfahen zu ſterbẽ.
Zwar zu ſterben habe ich ſchon langſt angefangen/ und wolte
Gott/ daß ich bald gar aufhoͤrete zu leben/ weil ein elendes
Leben ein lebendiger Tod iſt. Wie ich dann allbereit faſt
keinen Geiſt mehr/ als zum Seufzen/ und keine natürliche
Feuchte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |