Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

§. VIII. Vorsatz und Fahrlässigkeit.
außer Acht gelassen war. Der Vorsatz ist daher immer der positiv böse
Wille, mag nun damit die Absicht verbunden sein, sich selbst einen Vor-
theil zu verschaffen, oder einem Andern zu schaden, oder Muthwille
(luxuria) als der Grund der Handlung sich herausstellen, wie das nament-
lich bei dem Beschädigen oder Zerstören fremder Sachen nicht selten der
Fall ist. Jedoch ist nicht bei allen Verbrechen und Vergehen, bei denen
eine dolose Willensbestimmung ein nothwendiges Erforderniß ist, be-
sonders hervorgehoben worden, daß sie vorsätzlich begangen sein müssen;
zuweilen ist dieß als sich von selbst verstehend vorausgesetzt, zuweilen
ist ein anderer, für den besonderen Fall mehr bezeichnender Ausdruck
gewählt, zuweilen endlich zu dem "vorsätzlich" noch eine genauere Begriffs-
bestimmung erläuternd hinzugefügt worden.

a.Gewisse Verbrechen und Vergehen lassen sich nur als dolose
denken, so daß eine besondere Bezeichnung dafür ganz überflüssig wäre.
Dahin gehören, von dem Versuch einmal ganz abgesehen, der Hochver-
rath, die Majestätsbeleidigung und überhaupt die Beleidigung, die Flei-
schesverbrechen, der Menschenraub, die Entführung, die Fälschung, der
Diebstahl, die Unterschlagung, der Raub und die Erpressung, der Betrug.
Im Allgemeinen sind dieß solche Verbrechen oder Vergehen, welche in
einer bestimmten Absicht begangen werden, was entweder als ein sich
von selbst verstehendes Merkmal vorausgesetzt, oder bei der Aufstellung
des Begriffs ausdrücklich angeführt wird. u) Es kommt also nicht bloß
darauf an, daß die Handlung vorsätzlich begangen wurde, sondern auch
darauf, daß ein bestimmter Zweck damit erreicht werden sollte. v) Das
stellt sich denn zuweilen so, daß der Grad der Verschuldung sich nach
der bei demselben Verbrechen hervortretenden verschiedenen Absicht des
Thäters richtet, wie bei der Tödtung in der Ausführung eines Verbre-
chens oder Vergehens, im Gegensatz zu dem einfachen Todtschlage, und
bei der Ueberschwemmung (§. 176. 178. 290-92).
b.Aehnlich wie bei den an sich dolosen Verbrechen und Vergehen
verhält es sich da, wo zur Bezeichnung einer strafbaren Handlung Aus-
drücke gebraucht sind, welche auf die bloße Fahrlässigkeit nicht bezogen
werden können, und schon ohne weiteren Zusatz den dolosen Charakter
der Handlung andeuten. Dahin sind Ausdrücke zu rechnen wie: an-
u) S. §. 154, 158, 215, 230, 234, 241, 244, 247, 248, 256, 259, 279, 321.
v) An die über den nächsten Zweck der Handlung hinausgehende Absicht, ob
z. B. jemand stiehlt, um seine Schulden bezahlen zu können, ist hier nicht zu denken.
-- In einem allgemeineren Sinn, als oben angeführt worden, ist §. 93 der Ausdruck
böswillig, in böswilliger Absicht gebraucht worden.

§. VIII. Vorſatz und Fahrläſſigkeit.
außer Acht gelaſſen war. Der Vorſatz iſt daher immer der poſitiv böſe
Wille, mag nun damit die Abſicht verbunden ſein, ſich ſelbſt einen Vor-
theil zu verſchaffen, oder einem Andern zu ſchaden, oder Muthwille
(luxuria) als der Grund der Handlung ſich herausſtellen, wie das nament-
lich bei dem Beſchädigen oder Zerſtören fremder Sachen nicht ſelten der
Fall iſt. Jedoch iſt nicht bei allen Verbrechen und Vergehen, bei denen
eine doloſe Willensbeſtimmung ein nothwendiges Erforderniß iſt, be-
ſonders hervorgehoben worden, daß ſie vorſätzlich begangen ſein müſſen;
zuweilen iſt dieß als ſich von ſelbſt verſtehend vorausgeſetzt, zuweilen
iſt ein anderer, für den beſonderen Fall mehr bezeichnender Ausdruck
gewählt, zuweilen endlich zu dem „vorſätzlich“ noch eine genauere Begriffs-
beſtimmung erläuternd hinzugefügt worden.

a.Gewiſſe Verbrechen und Vergehen laſſen ſich nur als doloſe
denken, ſo daß eine beſondere Bezeichnung dafür ganz überflüſſig wäre.
Dahin gehören, von dem Verſuch einmal ganz abgeſehen, der Hochver-
rath, die Majeſtätsbeleidigung und überhaupt die Beleidigung, die Flei-
ſchesverbrechen, der Menſchenraub, die Entführung, die Fälſchung, der
Diebſtahl, die Unterſchlagung, der Raub und die Erpreſſung, der Betrug.
Im Allgemeinen ſind dieß ſolche Verbrechen oder Vergehen, welche in
einer beſtimmten Abſicht begangen werden, was entweder als ein ſich
von ſelbſt verſtehendes Merkmal vorausgeſetzt, oder bei der Aufſtellung
des Begriffs ausdrücklich angeführt wird. u) Es kommt alſo nicht bloß
darauf an, daß die Handlung vorſätzlich begangen wurde, ſondern auch
darauf, daß ein beſtimmter Zweck damit erreicht werden ſollte. v) Das
ſtellt ſich denn zuweilen ſo, daß der Grad der Verſchuldung ſich nach
der bei demſelben Verbrechen hervortretenden verſchiedenen Abſicht des
Thäters richtet, wie bei der Tödtung in der Ausführung eines Verbre-
chens oder Vergehens, im Gegenſatz zu dem einfachen Todtſchlage, und
bei der Ueberſchwemmung (§. 176. 178. 290-92).
b.Aehnlich wie bei den an ſich doloſen Verbrechen und Vergehen
verhält es ſich da, wo zur Bezeichnung einer ſtrafbaren Handlung Aus-
drücke gebraucht ſind, welche auf die bloße Fahrläſſigkeit nicht bezogen
werden können, und ſchon ohne weiteren Zuſatz den doloſen Charakter
der Handlung andeuten. Dahin ſind Ausdrücke zu rechnen wie: an-
u) S. §. 154, 158, 215, 230, 234, 241, 244, 247, 248, 256, 259, 279, 321.
v) An die über den nächſten Zweck der Handlung hinausgehende Abſicht, ob
z. B. jemand ſtiehlt, um ſeine Schulden bezahlen zu können, iſt hier nicht zu denken.
— In einem allgemeineren Sinn, als oben angeführt worden, iſt §. 93 der Ausdruck
böswillig, in böswilliger Abſicht gebraucht worden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0055" n="45"/><fw place="top" type="header">§. VIII. Vor&#x017F;atz und          Fahrlä&#x017F;&#x017F;igkeit.</fw><lb/>
außer Acht gela&#x017F;&#x017F;en         war. Der Vor&#x017F;atz i&#x017F;t daher immer der po&#x017F;itiv         bö&#x017F;e<lb/>
Wille, mag nun damit die Ab&#x017F;icht verbunden &#x017F;ein,         &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t einen Vor-<lb/>
theil zu ver&#x017F;chaffen,         oder einem Andern zu &#x017F;chaden, oder Muthwille<lb/>
(<hi rendition="#aq">luxuria</hi>) als der Grund der Handlung &#x017F;ich heraus&#x017F;tellen, wie das         nament-<lb/>
lich bei dem Be&#x017F;chädigen oder Zer&#x017F;tören fremder Sachen         nicht &#x017F;elten der<lb/>
Fall i&#x017F;t. Jedoch i&#x017F;t nicht bei allen         Verbrechen und Vergehen, bei denen<lb/>
eine dolo&#x017F;e Willensbe&#x017F;timmung         ein nothwendiges Erforderniß i&#x017F;t, be-<lb/>
&#x017F;onders hervorgehoben         worden, daß &#x017F;ie <hi rendition="#g">vor&#x017F;ätzlich</hi> begangen         &#x017F;ein mü&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
zuweilen i&#x017F;t dieß als         &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;tehend         vorausge&#x017F;etzt, zuweilen<lb/>
i&#x017F;t ein anderer, für den         be&#x017F;onderen Fall mehr bezeichnender Ausdruck<lb/>
gewählt, zuweilen endlich zu dem         &#x201E;vor&#x017F;ätzlich&#x201C; noch eine genauere         Begriffs-<lb/>
be&#x017F;timmung erläuternd hinzugefügt worden.</p><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">a.</hi>Gewi&#x017F;&#x017F;e Verbrechen und Vergehen          la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nur als <hi rendition="#g">dolo&#x017F;e</hi><lb/>
denken, &#x017F;o daß eine be&#x017F;ondere          Bezeichnung dafür ganz überflü&#x017F;&#x017F;ig wäre.<lb/>
Dahin gehören, von dem          Ver&#x017F;uch einmal ganz abge&#x017F;ehen, der Hochver-<lb/>
rath, die          Maje&#x017F;tätsbeleidigung und überhaupt die Beleidigung, die          Flei-<lb/>
&#x017F;chesverbrechen, der Men&#x017F;chenraub, die Entführung, die          Fäl&#x017F;chung, der<lb/>
Dieb&#x017F;tahl, die Unter&#x017F;chlagung, der Raub          und die Erpre&#x017F;&#x017F;ung, der Betrug.<lb/>
Im Allgemeinen &#x017F;ind          dieß &#x017F;olche Verbrechen oder Vergehen, welche in<lb/>
einer be&#x017F;timmten <hi rendition="#g">Ab&#x017F;icht</hi> begangen werden, was entweder als ein          &#x017F;ich<lb/>
von &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;tehendes Merkmal          vorausge&#x017F;etzt, oder bei der Auf&#x017F;tellung<lb/>
des Begriffs ausdrücklich          angeführt wird. <note place="foot" n="u)">S. §. 154, 158, 215, 230, 234, 241, 244, 247,           248, 256, 259, 279, 321.</note> Es kommt al&#x017F;o nicht bloß<lb/>
darauf an, daß die          Handlung vor&#x017F;ätzlich begangen wurde, &#x017F;ondern auch<lb/>
darauf, daß ein          be&#x017F;timmter Zweck damit erreicht werden &#x017F;ollte. <note place="foot" n="v)">An die über den näch&#x017F;ten Zweck der Handlung hinausgehende           Ab&#x017F;icht, ob<lb/>
z. B. jemand &#x017F;tiehlt, um &#x017F;eine Schulden           bezahlen zu können, i&#x017F;t hier nicht zu denken.<lb/>
&#x2014; In einem           allgemeineren Sinn, als oben angeführt worden, i&#x017F;t §. 93 der Ausdruck<lb/><hi rendition="#g">böswillig</hi>, in <hi rendition="#g">böswilliger            Ab&#x017F;icht</hi> gebraucht worden.</note> Das<lb/>
&#x017F;tellt          &#x017F;ich denn zuweilen &#x017F;o, daß der Grad der Ver&#x017F;chuldung          &#x017F;ich nach<lb/>
der bei dem&#x017F;elben Verbrechen hervortretenden          ver&#x017F;chiedenen Ab&#x017F;icht des<lb/>
Thäters richtet, wie bei der Tödtung in          der Ausführung eines Verbre-<lb/>
chens oder Vergehens, im Gegen&#x017F;atz zu dem          einfachen Todt&#x017F;chlage, und<lb/>
bei der Ueber&#x017F;chwemmung (§. 176. 178.          290-92).</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">b.</hi>Aehnlich wie bei den an &#x017F;ich dolo&#x017F;en          Verbrechen und Vergehen<lb/>
verhält es &#x017F;ich da, wo zur Bezeichnung einer          &#x017F;trafbaren Handlung Aus-<lb/>
drücke gebraucht &#x017F;ind, welche auf die          bloße Fahrlä&#x017F;&#x017F;igkeit nicht bezogen<lb/>
werden können, und          &#x017F;chon ohne weiteren Zu&#x017F;atz den dolo&#x017F;en Charakter<lb/>
der          Handlung andeuten. Dahin &#x017F;ind Ausdrücke zu rechnen wie: an-<lb/></item>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0055] §. VIII. Vorſatz und Fahrläſſigkeit. außer Acht gelaſſen war. Der Vorſatz iſt daher immer der poſitiv böſe Wille, mag nun damit die Abſicht verbunden ſein, ſich ſelbſt einen Vor- theil zu verſchaffen, oder einem Andern zu ſchaden, oder Muthwille (luxuria) als der Grund der Handlung ſich herausſtellen, wie das nament- lich bei dem Beſchädigen oder Zerſtören fremder Sachen nicht ſelten der Fall iſt. Jedoch iſt nicht bei allen Verbrechen und Vergehen, bei denen eine doloſe Willensbeſtimmung ein nothwendiges Erforderniß iſt, be- ſonders hervorgehoben worden, daß ſie vorſätzlich begangen ſein müſſen; zuweilen iſt dieß als ſich von ſelbſt verſtehend vorausgeſetzt, zuweilen iſt ein anderer, für den beſonderen Fall mehr bezeichnender Ausdruck gewählt, zuweilen endlich zu dem „vorſätzlich“ noch eine genauere Begriffs- beſtimmung erläuternd hinzugefügt worden. a.Gewiſſe Verbrechen und Vergehen laſſen ſich nur als doloſe denken, ſo daß eine beſondere Bezeichnung dafür ganz überflüſſig wäre. Dahin gehören, von dem Verſuch einmal ganz abgeſehen, der Hochver- rath, die Majeſtätsbeleidigung und überhaupt die Beleidigung, die Flei- ſchesverbrechen, der Menſchenraub, die Entführung, die Fälſchung, der Diebſtahl, die Unterſchlagung, der Raub und die Erpreſſung, der Betrug. Im Allgemeinen ſind dieß ſolche Verbrechen oder Vergehen, welche in einer beſtimmten Abſicht begangen werden, was entweder als ein ſich von ſelbſt verſtehendes Merkmal vorausgeſetzt, oder bei der Aufſtellung des Begriffs ausdrücklich angeführt wird. u) Es kommt alſo nicht bloß darauf an, daß die Handlung vorſätzlich begangen wurde, ſondern auch darauf, daß ein beſtimmter Zweck damit erreicht werden ſollte. v) Das ſtellt ſich denn zuweilen ſo, daß der Grad der Verſchuldung ſich nach der bei demſelben Verbrechen hervortretenden verſchiedenen Abſicht des Thäters richtet, wie bei der Tödtung in der Ausführung eines Verbre- chens oder Vergehens, im Gegenſatz zu dem einfachen Todtſchlage, und bei der Ueberſchwemmung (§. 176. 178. 290-92). b.Aehnlich wie bei den an ſich doloſen Verbrechen und Vergehen verhält es ſich da, wo zur Bezeichnung einer ſtrafbaren Handlung Aus- drücke gebraucht ſind, welche auf die bloße Fahrläſſigkeit nicht bezogen werden können, und ſchon ohne weiteren Zuſatz den doloſen Charakter der Handlung andeuten. Dahin ſind Ausdrücke zu rechnen wie: an- u) S. §. 154, 158, 215, 230, 234, 241, 244, 247, 248, 256, 259, 279, 321. v) An die über den nächſten Zweck der Handlung hinausgehende Abſicht, ob z. B. jemand ſtiehlt, um ſeine Schulden bezahlen zu können, iſt hier nicht zu denken. — In einem allgemeineren Sinn, als oben angeführt worden, iſt §. 93 der Ausdruck böswillig, in böswilliger Abſicht gebraucht worden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/55
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/55>, abgerufen am 27.04.2024.