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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 31. Der strafbare Versuch.
der Aufstellung allgemeiner Regeln hier wenig genützt werden kann.
Auch ist nicht in Abrede zu ziehen, daß schon in der vorbereitenden
Handlung sich ein nicht geringer Grad von Böswilligkeit und Gefähr-
lichkeit offenbaren, und die Vermuthung, daß ohne äußere Hindernisse
das Verbrechen begangen worden wäre, begründet erscheinen kann. Allein
bei näherer Prüfung ergiebt sich, daß, wenn nicht irgendwo und gerade
hier die Strafbarkeit des Versuchs ihre bestimmte Grenze findet, der
Willkühr die Thüren geöffnet sind; daß solche Aeußerungen der Wil-
lensbestimmung, welche sich nur auf die Vorbereitung eines Verbrechens
oder Vergehens beziehen, dem Strafgesetze gegenüber, sich nicht wesent-
lich von den Wünschen und Begierden, von dem bloßen Gedanken un-
terscheiden. Alle neueren Gesetzbücher haben daher das im Gesetzbuch
aufgestellte Merkmal des strafbaren Versuchs aufgenommen, und die bloß
vorbereitenden Handlungen davon ausgeschlossen. h)

Auch die beiden ersten Entwürfe des Strafgesetzbuchs waren diesem
Beispiele gefolgt, und erst in den Entwurf von 1833. kam eine Be-
stimmung hinein, welche sich an die Auffassung des Allgemeinen Land-
rechts anschloß, und auch im Entwurf von 1836. wiederholt ward.
Hier heißt es nämlich:

§. 50. "Der Versuch eines Verbrechens wird strafbar, sobald der-
selbe durch eine solche äußere Handlung sich offenbaret hat,
welche schon auf die Ausführung des beabsichtigten
Verbrechens gerichtet ist
."

Allein schon in der Staatsraths-Kommission ward diese Aenderung
aus den oben angeführten Gründen beseitigt, i) und die Revision von
1845. suchte die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers noch bestimmter
auszudrücken, als es früher geschehen war. k) Dieß führte aber zu einer
wiederholten Erörterung der ganzen Frage. Es heißt darüber in dem
Protokolle der Staatsraths-Kommission: l)

"Beim §. 42. des revidirten Entwurfs, welcher die Grenzen der
Strafbarkeit des Versuchs in der Art bestimmt,
daß als Versuch nur solche Handlungen zu bestrafen sind,
welche die Begehung des Verbrechens nicht bloß vorbereiten, son-
dern einen Anfang der Ausführung des Verbrechens enthalten,

h) Sächs. Criminalgesetzb. Art. 29. -- Hannov. Criminalgesetzb.
Art. 34. -- Württemb. Strafgesetzb. Art. 63. -- Braunschweigsch. Crimi-
nalgesetzb
. §. 40. -- Hessisches Strafgesetzb. Art. 65. -- Thüringsch.
Strafgesetzb. Art. 27. -- Badisches Strafgesetzb. §. 108. 109. Vgl.
Chauveau I. c. p. 144.
i) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. I. S. 68.
k) Revision von 1845. I. S. 136.
l) Verhandlungen der Kommission des Staatsraths von 1846.
S. 32. 33.

§. 31. Der ſtrafbare Verſuch.
der Aufſtellung allgemeiner Regeln hier wenig genützt werden kann.
Auch iſt nicht in Abrede zu ziehen, daß ſchon in der vorbereitenden
Handlung ſich ein nicht geringer Grad von Böswilligkeit und Gefähr-
lichkeit offenbaren, und die Vermuthung, daß ohne äußere Hinderniſſe
das Verbrechen begangen worden wäre, begründet erſcheinen kann. Allein
bei näherer Prüfung ergiebt ſich, daß, wenn nicht irgendwo und gerade
hier die Strafbarkeit des Verſuchs ihre beſtimmte Grenze findet, der
Willkühr die Thüren geöffnet ſind; daß ſolche Aeußerungen der Wil-
lensbeſtimmung, welche ſich nur auf die Vorbereitung eines Verbrechens
oder Vergehens beziehen, dem Strafgeſetze gegenüber, ſich nicht weſent-
lich von den Wünſchen und Begierden, von dem bloßen Gedanken un-
terſcheiden. Alle neueren Geſetzbücher haben daher das im Geſetzbuch
aufgeſtellte Merkmal des ſtrafbaren Verſuchs aufgenommen, und die bloß
vorbereitenden Handlungen davon ausgeſchloſſen. h)

Auch die beiden erſten Entwürfe des Strafgeſetzbuchs waren dieſem
Beiſpiele gefolgt, und erſt in den Entwurf von 1833. kam eine Be-
ſtimmung hinein, welche ſich an die Auffaſſung des Allgemeinen Land-
rechts anſchloß, und auch im Entwurf von 1836. wiederholt ward.
Hier heißt es nämlich:

§. 50. „Der Verſuch eines Verbrechens wird ſtrafbar, ſobald der-
ſelbe durch eine ſolche äußere Handlung ſich offenbaret hat,
welche ſchon auf die Ausführung des beabſichtigten
Verbrechens gerichtet iſt
.“

Allein ſchon in der Staatsraths-Kommiſſion ward dieſe Aenderung
aus den oben angeführten Gründen beſeitigt, i) und die Reviſion von
1845. ſuchte die urſprüngliche Abſicht des Geſetzgebers noch beſtimmter
auszudrücken, als es früher geſchehen war. k) Dieß führte aber zu einer
wiederholten Erörterung der ganzen Frage. Es heißt darüber in dem
Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion: l)

„Beim §. 42. des revidirten Entwurfs, welcher die Grenzen der
Strafbarkeit des Verſuchs in der Art beſtimmt,
daß als Verſuch nur ſolche Handlungen zu beſtrafen ſind,
welche die Begehung des Verbrechens nicht bloß vorbereiten, ſon-
dern einen Anfang der Ausführung des Verbrechens enthalten,

h) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 29. — Hannov. Criminalgeſetzb.
Art. 34. — Württemb. Strafgeſetzb. Art. 63. — Braunſchweigſch. Crimi-
nalgeſetzb
. §. 40. — Heſſiſches Strafgeſetzb. Art. 65. — Thüringſch.
Strafgeſetzb. Art. 27. — Badiſches Strafgeſetzb. §. 108. 109. Vgl.
Chauveau I. c. p. 144.
i) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. I. S. 68.
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l) Verhandlungen der Kommiſſion des Staatsraths von 1846.
S. 32. 33.
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[139/0149] §. 31. Der ſtrafbare Verſuch. der Aufſtellung allgemeiner Regeln hier wenig genützt werden kann. Auch iſt nicht in Abrede zu ziehen, daß ſchon in der vorbereitenden Handlung ſich ein nicht geringer Grad von Böswilligkeit und Gefähr- lichkeit offenbaren, und die Vermuthung, daß ohne äußere Hinderniſſe das Verbrechen begangen worden wäre, begründet erſcheinen kann. Allein bei näherer Prüfung ergiebt ſich, daß, wenn nicht irgendwo und gerade hier die Strafbarkeit des Verſuchs ihre beſtimmte Grenze findet, der Willkühr die Thüren geöffnet ſind; daß ſolche Aeußerungen der Wil- lensbeſtimmung, welche ſich nur auf die Vorbereitung eines Verbrechens oder Vergehens beziehen, dem Strafgeſetze gegenüber, ſich nicht weſent- lich von den Wünſchen und Begierden, von dem bloßen Gedanken un- terſcheiden. Alle neueren Geſetzbücher haben daher das im Geſetzbuch aufgeſtellte Merkmal des ſtrafbaren Verſuchs aufgenommen, und die bloß vorbereitenden Handlungen davon ausgeſchloſſen. h) Auch die beiden erſten Entwürfe des Strafgeſetzbuchs waren dieſem Beiſpiele gefolgt, und erſt in den Entwurf von 1833. kam eine Be- ſtimmung hinein, welche ſich an die Auffaſſung des Allgemeinen Land- rechts anſchloß, und auch im Entwurf von 1836. wiederholt ward. Hier heißt es nämlich: §. 50. „Der Verſuch eines Verbrechens wird ſtrafbar, ſobald der- ſelbe durch eine ſolche äußere Handlung ſich offenbaret hat, welche ſchon auf die Ausführung des beabſichtigten Verbrechens gerichtet iſt.“ Allein ſchon in der Staatsraths-Kommiſſion ward dieſe Aenderung aus den oben angeführten Gründen beſeitigt, i) und die Reviſion von 1845. ſuchte die urſprüngliche Abſicht des Geſetzgebers noch beſtimmter auszudrücken, als es früher geſchehen war. k) Dieß führte aber zu einer wiederholten Erörterung der ganzen Frage. Es heißt darüber in dem Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion: l) „Beim §. 42. des revidirten Entwurfs, welcher die Grenzen der Strafbarkeit des Verſuchs in der Art beſtimmt, daß als Verſuch nur ſolche Handlungen zu beſtrafen ſind, welche die Begehung des Verbrechens nicht bloß vorbereiten, ſon- dern einen Anfang der Ausführung des Verbrechens enthalten, h) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 29. — Hannov. Criminalgeſetzb. Art. 34. — Württemb. Strafgeſetzb. Art. 63. — Braunſchweigſch. Crimi- nalgeſetzb. §. 40. — Heſſiſches Strafgeſetzb. Art. 65. — Thüringſch. Strafgeſetzb. Art. 27. — Badiſches Strafgeſetzb. §. 108. 109. Vgl. Chauveau I. c. p. 144. i) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. I. S. 68. k) Reviſion von 1845. I. S. 136. l) Verhandlungen der Kommiſſion des Staatsraths von 1846. S. 32. 33.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/149>, abgerufen am 26.04.2024.