Die aus diesen Erwägungen hervorgegangene Fassung des Art. XIX. blieb, indem sie den bestehenden Rechtszustand wahrte, in vollem Einklang mit dem Art. 94. der Verfassungs-Urkunde, welche auch für Preßvergehen die Regel aufstellt, daß sie vor die Schwurgerichtshöfe gehören, und nur für die im Gesetz ausdrücklich ausgenommenen Fälle das Gegentheil zuläßt. Dieser Standpunkt ist aber später in dem Gesetz über die Presse vom 12. Mai 1851. §. 27. (G.-S. S. 279. 280.) verlassen worden, indem es daselbst heißt:
"Die mittelst der Presse verübten Vergehen, welche mit Frei- heitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind, gehören zur Kompetenz der Schwurgerichte. Im Uebrigen regelt sich die Kompetenz der Gerichte zur Aburtheilung der mittelst der Presse begangenen strafbaren Handlungen nach den Art. XIII. bis XV. des Gesetzes über die Einführung des Strafgesetz- buchs vom 14. April 1851."
Durch diese neuere Bestimmung, welche den Art. XIX. Abs. 1. ersetzt hat, ist die in der Verfassungs-Urkunde vorbehaltene Ausnahme zur Regel geworden, und die Gerichtsbarkeit über die Presse den Schwurgerichts- höfen thatsächlich fast ganz entzogen.
Artikel XX.
Soweit durch besondere Gesetze über Materien, hinsichtlich welcher das Strafgesetzbuch nichts bestimmt, eine über die gegenwärtigen Grenzen der Polizeistrafen (§§. 333., 334., 335. des Strafgesetzbuchs) hinausgehende Strafe angeordnet und den Polizeigerichten eine höhere Kompetenz beigelegt ist, behält es dabei sein Bewenden. Jedoch sind von der Kompetenz der Po- lizeirichter die Fälle ausgeschlossen, in welchen nach den bisherigen besonderen Gesetzen auf den Verlust von Aemtern, oder auf den Verlust des Rechts zum Gewerbebetriebe für immer oder auf Zeit, oder auf Stellung unter Polizei- Aufsicht zu erkennen ist. Diese Fälle sind als Vergehen zu behandeln.
Diese Bestimmung wird in dem Bericht der Kommission der zweiten Kammer in folgender Weise motivirt:
"In verschiedenen polizeilichen Verordnungen, z. B. in der Ge- werbeordnung vom 17. Januar 1845. und dem Gesetze vom 9. Februar 1845. kommen Polizeistrafen vor, welche die Summe von 50. Rthlr. und die Dauer der Gefängnißstrafe von sechs Wochen übersteigen. In Ansehung solcher Strafen war nach der bisherigen Gesetzgebung, sofern damit nicht andere Strafen, als: Verlust des Gewerbes u. s. w. kon- kurriren, in den Landestheilen, wo die Verordnung vom 3. Januar 1849. zur Zeit Gesetzeskraft hat, auch der Polizeirichter nach §. 161. derselben zur Entscheidung kompetent, und ist in Ansehung der Rhein-
Artikel XX.
Die aus dieſen Erwägungen hervorgegangene Faſſung des Art. XIX. blieb, indem ſie den beſtehenden Rechtszuſtand wahrte, in vollem Einklang mit dem Art. 94. der Verfaſſungs-Urkunde, welche auch für Preßvergehen die Regel aufſtellt, daß ſie vor die Schwurgerichtshöfe gehören, und nur für die im Geſetz ausdrücklich ausgenommenen Fälle das Gegentheil zuläßt. Dieſer Standpunkt iſt aber ſpäter in dem Geſetz über die Preſſe vom 12. Mai 1851. §. 27. (G.-S. S. 279. 280.) verlaſſen worden, indem es daſelbſt heißt:
„Die mittelſt der Preſſe verübten Vergehen, welche mit Frei- heitsſtrafe von mehr als drei Jahren bedroht ſind, gehören zur Kompetenz der Schwurgerichte. Im Uebrigen regelt ſich die Kompetenz der Gerichte zur Aburtheilung der mittelſt der Preſſe begangenen ſtrafbaren Handlungen nach den Art. XIII. bis XV. des Geſetzes über die Einführung des Strafgeſetz- buchs vom 14. April 1851.“
Durch dieſe neuere Beſtimmung, welche den Art. XIX. Abſ. 1. erſetzt hat, iſt die in der Verfaſſungs-Urkunde vorbehaltene Ausnahme zur Regel geworden, und die Gerichtsbarkeit über die Preſſe den Schwurgerichts- höfen thatſächlich faſt ganz entzogen.
Artikel XX.
Soweit durch beſondere Geſetze über Materien, hinſichtlich welcher das Strafgeſetzbuch nichts beſtimmt, eine über die gegenwärtigen Grenzen der Polizeiſtrafen (§§. 333., 334., 335. des Strafgeſetzbuchs) hinausgehende Strafe angeordnet und den Polizeigerichten eine höhere Kompetenz beigelegt iſt, behält es dabei ſein Bewenden. Jedoch ſind von der Kompetenz der Po- lizeirichter die Fälle ausgeſchloſſen, in welchen nach den bisherigen beſonderen Geſetzen auf den Verluſt von Aemtern, oder auf den Verluſt des Rechts zum Gewerbebetriebe für immer oder auf Zeit, oder auf Stellung unter Polizei- Aufſicht zu erkennen iſt. Dieſe Fälle ſind als Vergehen zu behandeln.
Dieſe Beſtimmung wird in dem Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer in folgender Weiſe motivirt:
„In verſchiedenen polizeilichen Verordnungen, z. B. in der Ge- werbeordnung vom 17. Januar 1845. und dem Geſetze vom 9. Februar 1845. kommen Polizeiſtrafen vor, welche die Summe von 50. Rthlr. und die Dauer der Gefängnißſtrafe von ſechs Wochen überſteigen. In Anſehung ſolcher Strafen war nach der bisherigen Geſetzgebung, ſofern damit nicht andere Strafen, als: Verluſt des Gewerbes u. ſ. w. kon- kurriren, in den Landestheilen, wo die Verordnung vom 3. Januar 1849. zur Zeit Geſetzeskraft hat, auch der Polizeirichter nach §. 161. derſelben zur Entſcheidung kompetent, und iſt in Anſehung der Rhein-
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Die aus dieſen Erwägungen hervorgegangene Faſſung des Art.
XIX. blieb, indem ſie den beſtehenden Rechtszuſtand wahrte, in vollem
Einklang mit dem Art. 94. der Verfaſſungs-Urkunde, welche auch für
Preßvergehen die Regel aufſtellt, daß ſie vor die Schwurgerichtshöfe
gehören, und nur für die im Geſetz ausdrücklich ausgenommenen Fälle
das Gegentheil zuläßt. Dieſer Standpunkt iſt aber ſpäter in dem
Geſetz über die Preſſe vom 12. Mai 1851. §. 27. (G.-S. S. 279. 280.)
verlaſſen worden, indem es daſelbſt heißt:
„Die mittelſt der Preſſe verübten Vergehen, welche mit Frei-
heitsſtrafe von mehr als drei Jahren bedroht ſind, gehören zur
Kompetenz der Schwurgerichte. Im Uebrigen regelt ſich die
Kompetenz der Gerichte zur Aburtheilung der mittelſt der
Preſſe begangenen ſtrafbaren Handlungen nach den Art. XIII.
bis XV. des Geſetzes über die Einführung des Strafgeſetz-
buchs vom 14. April 1851.“
Durch dieſe neuere Beſtimmung, welche den Art. XIX. Abſ. 1. erſetzt
hat, iſt die in der Verfaſſungs-Urkunde vorbehaltene Ausnahme zur Regel
geworden, und die Gerichtsbarkeit über die Preſſe den Schwurgerichts-
höfen thatſächlich faſt ganz entzogen.
Artikel XX.
Soweit durch beſondere Geſetze über Materien, hinſichtlich welcher das
Strafgeſetzbuch nichts beſtimmt, eine über die gegenwärtigen Grenzen der
Polizeiſtrafen (§§. 333., 334., 335. des Strafgeſetzbuchs) hinausgehende
Strafe angeordnet und den Polizeigerichten eine höhere Kompetenz beigelegt
iſt, behält es dabei ſein Bewenden. Jedoch ſind von der Kompetenz der Po-
lizeirichter die Fälle ausgeſchloſſen, in welchen nach den bisherigen beſonderen
Geſetzen auf den Verluſt von Aemtern, oder auf den Verluſt des Rechts zum
Gewerbebetriebe für immer oder auf Zeit, oder auf Stellung unter Polizei-
Aufſicht zu erkennen iſt. Dieſe Fälle ſind als Vergehen zu behandeln.
Dieſe Beſtimmung wird in dem Bericht der Kommiſſion der zweiten
Kammer in folgender Weiſe motivirt:
„In verſchiedenen polizeilichen Verordnungen, z. B. in der Ge-
werbeordnung vom 17. Januar 1845. und dem Geſetze vom 9. Februar
1845. kommen Polizeiſtrafen vor, welche die Summe von 50. Rthlr.
und die Dauer der Gefängnißſtrafe von ſechs Wochen überſteigen. In
Anſehung ſolcher Strafen war nach der bisherigen Geſetzgebung, ſofern
damit nicht andere Strafen, als: Verluſt des Gewerbes u. ſ. w. kon-
kurriren, in den Landestheilen, wo die Verordnung vom 3. Januar
1849. zur Zeit Geſetzeskraft hat, auch der Polizeirichter nach §. 161.
derſelben zur Entſcheidung kompetent, und iſt in Anſehung der Rhein-
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/633>, abgerufen am 21.11.2024.
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