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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§§. 231-233. Strafen des Raubes.

§. 267. "Wer bei einem Diebstahl auf frischer That betroffen,
gegen eine Person Gewalt verübt, oder Drohungen mit gegenwärtiger
Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitze des gestoh-
lenen Guts zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen."

Die Staatsraths-Kommission trat diesem Vorschlage jedoch nicht
bei, s) und die Fassung des Entwurfs von 1843. ging in den von
1847. §. 280. über. Der vereinigte ständische Ausschuß erklärte sich
jedoch mit mehr als zwei Drittel der Stimmen für die im Entwurf
von 1845. vertretene Ansicht, t) und die Bestimmungen desselben sind
im Wesentlichen in das Strafgesetzbuch aufgenommen, indem nur die
beiden Paragraphen in Einen zusammen gezogen, und einige Aenderun-
gen in der Fassung gemacht worden sind, welche die Gleichstellung der
Definition des Raubes mit der des Diebstahls bezweckten.

I. Im Staatsrath wurde die Frage aufgeworfen, ob es denn
zum Thatbestande des Raubes erfordert werde, daß die Gewalt oder
Drohung gegen die Person desjenigen, dem die Sache gehöre, angewandt
werde; es wurde aber erwiedert, daß gerade durch die allgemeine Fas-
sung der Worte "gegen eine Person" diese Ansicht ausgeschlossen sei. u)

II. Ein gleichzeitig erhobener Einwand, daß man nicht von dem
Wegnehmen der Sache sprechen könne, wenn der Bedrohte sie selbst
ausliefere, fand durch die Bemerkung seine Erledigung, daß das er-
zwungene Herausgeben gleichbedeutend sei mit dem gewaltsamen Weg-
nehmen.

III. Das Verbrechen des Raubes ist vollendet, wenn der Thäter
die Sache an sich genommen hat; bis dahin liegen nur Versuchshand-
lungen vor. Einer ausdrücklichen Bestimmung hierüber bedurfte es nach
dem gesetzlich festgestellten Begriff des Raubes nicht. Solche Vor-
schriften über den Zeitpunkt, wo ein Verbrechen für vollendet zu halten
ist, sind für eine wissenschaftliche Jurisprudenz in der Regel entbehrlich;
das Strafgesetzbuch hat sie überhaupt vermieden, und deswegen auch
den letzten Satz des §. 265. im Entwurf von 1845. weggelassen.

§. 231.

Der Raub wird mit Zuchthaus von fünf bis zu funfzehn Jahren, sowie
mit Stellung unter Polizei-Aufsicht bestraft.

§. 232.

Der wird mit Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren, sowie
mit Stellung unter Polizei-Aufsicht bestraft:


s) Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1846. S. 154.
t) Verhandlungen, IV. S. 231-41.
u) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 23. April 1842.
29*
§§. 231-233. Strafen des Raubes.

§. 267. „Wer bei einem Diebſtahl auf friſcher That betroffen,
gegen eine Perſon Gewalt verübt, oder Drohungen mit gegenwärtiger
Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um ſich im Beſitze des geſtoh-
lenen Guts zu erhalten, iſt gleich einem Räuber zu beſtrafen.“

Die Staatsraths-Kommiſſion trat dieſem Vorſchlage jedoch nicht
bei, s) und die Faſſung des Entwurfs von 1843. ging in den von
1847. §. 280. über. Der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß erklärte ſich
jedoch mit mehr als zwei Drittel der Stimmen für die im Entwurf
von 1845. vertretene Anſicht, t) und die Beſtimmungen deſſelben ſind
im Weſentlichen in das Strafgeſetzbuch aufgenommen, indem nur die
beiden Paragraphen in Einen zuſammen gezogen, und einige Aenderun-
gen in der Faſſung gemacht worden ſind, welche die Gleichſtellung der
Definition des Raubes mit der des Diebſtahls bezweckten.

I. Im Staatsrath wurde die Frage aufgeworfen, ob es denn
zum Thatbeſtande des Raubes erfordert werde, daß die Gewalt oder
Drohung gegen die Perſon desjenigen, dem die Sache gehöre, angewandt
werde; es wurde aber erwiedert, daß gerade durch die allgemeine Faſ-
ſung der Worte „gegen eine Perſon“ dieſe Anſicht ausgeſchloſſen ſei. u)

II. Ein gleichzeitig erhobener Einwand, daß man nicht von dem
Wegnehmen der Sache ſprechen könne, wenn der Bedrohte ſie ſelbſt
ausliefere, fand durch die Bemerkung ſeine Erledigung, daß das er-
zwungene Herausgeben gleichbedeutend ſei mit dem gewaltſamen Weg-
nehmen.

III. Das Verbrechen des Raubes iſt vollendet, wenn der Thäter
die Sache an ſich genommen hat; bis dahin liegen nur Verſuchshand-
lungen vor. Einer ausdrücklichen Beſtimmung hierüber bedurfte es nach
dem geſetzlich feſtgeſtellten Begriff des Raubes nicht. Solche Vor-
ſchriften über den Zeitpunkt, wo ein Verbrechen für vollendet zu halten
iſt, ſind für eine wiſſenſchaftliche Jurisprudenz in der Regel entbehrlich;
das Strafgeſetzbuch hat ſie überhaupt vermieden, und deswegen auch
den letzten Satz des §. 265. im Entwurf von 1845. weggelaſſen.

§. 231.

Der Raub wird mit Zuchthaus von fünf bis zu funfzehn Jahren, ſowie
mit Stellung unter Polizei-Aufſicht beſtraft.

§. 232.

Der wird mit Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren, ſowie
mit Stellung unter Polizei-Aufſicht beſtraft:


s) Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 154.
t) Verhandlungen, IV. S. 231-41.
u) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 23. April 1842.
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[443/0453] §§. 231-233. Strafen des Raubes. §. 267. „Wer bei einem Diebſtahl auf friſcher That betroffen, gegen eine Perſon Gewalt verübt, oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um ſich im Beſitze des geſtoh- lenen Guts zu erhalten, iſt gleich einem Räuber zu beſtrafen.“ Die Staatsraths-Kommiſſion trat dieſem Vorſchlage jedoch nicht bei, s) und die Faſſung des Entwurfs von 1843. ging in den von 1847. §. 280. über. Der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß erklärte ſich jedoch mit mehr als zwei Drittel der Stimmen für die im Entwurf von 1845. vertretene Anſicht, t) und die Beſtimmungen deſſelben ſind im Weſentlichen in das Strafgeſetzbuch aufgenommen, indem nur die beiden Paragraphen in Einen zuſammen gezogen, und einige Aenderun- gen in der Faſſung gemacht worden ſind, welche die Gleichſtellung der Definition des Raubes mit der des Diebſtahls bezweckten. I. Im Staatsrath wurde die Frage aufgeworfen, ob es denn zum Thatbeſtande des Raubes erfordert werde, daß die Gewalt oder Drohung gegen die Perſon desjenigen, dem die Sache gehöre, angewandt werde; es wurde aber erwiedert, daß gerade durch die allgemeine Faſ- ſung der Worte „gegen eine Perſon“ dieſe Anſicht ausgeſchloſſen ſei. u) II. Ein gleichzeitig erhobener Einwand, daß man nicht von dem Wegnehmen der Sache ſprechen könne, wenn der Bedrohte ſie ſelbſt ausliefere, fand durch die Bemerkung ſeine Erledigung, daß das er- zwungene Herausgeben gleichbedeutend ſei mit dem gewaltſamen Weg- nehmen. III. Das Verbrechen des Raubes iſt vollendet, wenn der Thäter die Sache an ſich genommen hat; bis dahin liegen nur Verſuchshand- lungen vor. Einer ausdrücklichen Beſtimmung hierüber bedurfte es nach dem geſetzlich feſtgeſtellten Begriff des Raubes nicht. Solche Vor- ſchriften über den Zeitpunkt, wo ein Verbrechen für vollendet zu halten iſt, ſind für eine wiſſenſchaftliche Jurisprudenz in der Regel entbehrlich; das Strafgeſetzbuch hat ſie überhaupt vermieden, und deswegen auch den letzten Satz des §. 265. im Entwurf von 1845. weggelaſſen. §. 231. Der Raub wird mit Zuchthaus von fünf bis zu funfzehn Jahren, ſowie mit Stellung unter Polizei-Aufſicht beſtraft. §. 232. Der wird mit Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren, ſowie mit Stellung unter Polizei-Aufſicht beſtraft: s) Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 154. t) Verhandlungen, IV. S. 231-41. u) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 23. April 1842. 29*

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/453>, abgerufen am 21.11.2024.