jedoch ohne die Einwilligung ihrer Eltern oder ihres Vormundes entführt, um sie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft.
§. 209.
Hat der Entführer (§§. 207., 208.) die Entführte geheirathet, so kann gegen denselben nur auf den Antrag derjenigen Personen verfahren werden, welche auf die Ungültigkeitserklärung der Ehe anzutragen befugt sind; auch darf derselbe nicht eher verurtheilt werden, als bis die Ehe vorher für ungültig erklärt worden ist.
In diesem Titel, welcher dem 13. Abschnitt des Allg. Landrechts Th. II. Tit. 20. "Von Beleidigungen der Freiheit" entspricht, finden sich folgende Verbrechen und Vergehen zusammengestellt: die Entführung mit Einschluß des Menschenraubes (§§. 204-9.), die widerrechtliche Freiheitsberaubung (§§. 210. 211.), die Nöthigung (§. 212.), der Land- zwang (§. 213.), die Verletzung des Hausrechts (§. 214.). Wenn auch die Verletzung der persönlichen Freiheit vorzugsweise den Gegen- stand der hier unter Strafe gestellten Handlungen bildet, so ist dieß doch nicht ausschließlich der Fall. Es kommt dabei theils noch auf die besondere verbrecherische Absicht des Thäters an, z. B. bei dem Men- schenraub, theils sind hier Vergehen aufgeführt, bei denen die Verletzung der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt den eigentlichen That- bestand bildet.
Die Entführung, von welcher hier zunächst zu handeln ist, hat im Strafgesetzbuch eine viel weitere Bedeutung erhalten, als ihr bisher bei- gelegt zu werden pflegte. Es sind daher die einzelnen Arten dieses Delikts, welche sowohl in Beziehung auf den Thatbestand als auch auf die Bestrafung sehr von einander abweichen, einer gesonderten Erörte- rung zu unterziehen, die, obgleich das Verbrechen zu den seltneren ge- hört, doch wegen der Schwierigkeiten, welche der Gegenstand darbietet, in größerer Ausführlichkeit gegeben werden muß.
A. Der Menschenraub (plagium).
Die im Allgemeinen Landrecht Th. II. Tit. 20. §§. 1083-94. unter dem Marginale "Menschenraub" enthaltenen Strafvorschriften wurden bei der Revision in dem Sinne redigirt, daß das Eigenthüm- liche des Verbrechens darein gesetzt wurde, daß der seiner Freiheit Be- raubte entweder für immer oder doch auf längere Zeit, gänzlich einer fremden Willkühr unterworfen und dem Schutze des Vaterlands, oder, bei Kindern, dem Schutze und der Leitung seiner Angehörigen entzogen
§§. 204-209. Die Entführung.
jedoch ohne die Einwilligung ihrer Eltern oder ihres Vormundes entführt, um ſie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft.
§. 209.
Hat der Entführer (§§. 207., 208.) die Entführte geheirathet, ſo kann gegen denſelben nur auf den Antrag derjenigen Perſonen verfahren werden, welche auf die Ungültigkeitserklärung der Ehe anzutragen befugt ſind; auch darf derſelbe nicht eher verurtheilt werden, als bis die Ehe vorher für ungültig erklärt worden iſt.
In dieſem Titel, welcher dem 13. Abſchnitt des Allg. Landrechts Th. II. Tit. 20. „Von Beleidigungen der Freiheit“ entſpricht, finden ſich folgende Verbrechen und Vergehen zuſammengeſtellt: die Entführung mit Einſchluß des Menſchenraubes (§§. 204-9.), die widerrechtliche Freiheitsberaubung (§§. 210. 211.), die Nöthigung (§. 212.), der Land- zwang (§. 213.), die Verletzung des Hausrechts (§. 214.). Wenn auch die Verletzung der perſönlichen Freiheit vorzugsweiſe den Gegen- ſtand der hier unter Strafe geſtellten Handlungen bildet, ſo iſt dieß doch nicht ausſchließlich der Fall. Es kommt dabei theils noch auf die beſondere verbrecheriſche Abſicht des Thäters an, z. B. bei dem Men- ſchenraub, theils ſind hier Vergehen aufgeführt, bei denen die Verletzung der elterlichen oder vormundſchaftlichen Gewalt den eigentlichen That- beſtand bildet.
Die Entführung, von welcher hier zunächſt zu handeln iſt, hat im Strafgeſetzbuch eine viel weitere Bedeutung erhalten, als ihr bisher bei- gelegt zu werden pflegte. Es ſind daher die einzelnen Arten dieſes Delikts, welche ſowohl in Beziehung auf den Thatbeſtand als auch auf die Beſtrafung ſehr von einander abweichen, einer geſonderten Erörte- rung zu unterziehen, die, obgleich das Verbrechen zu den ſeltneren ge- hört, doch wegen der Schwierigkeiten, welche der Gegenſtand darbietet, in größerer Ausführlichkeit gegeben werden muß.
A. Der Menſchenraub (plagium).
Die im Allgemeinen Landrecht Th. II. Tit. 20. §§. 1083-94. unter dem Marginale „Menſchenraub“ enthaltenen Strafvorſchriften wurden bei der Reviſion in dem Sinne redigirt, daß das Eigenthüm- liche des Verbrechens darein geſetzt wurde, daß der ſeiner Freiheit Be- raubte entweder für immer oder doch auf längere Zeit, gänzlich einer fremden Willkühr unterworfen und dem Schutze des Vaterlands, oder, bei Kindern, dem Schutze und der Leitung ſeiner Angehörigen entzogen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0397"n="387"/><fwplace="top"type="header">§§. 204-209. Die Entführung.</fw><lb/>
jedoch ohne die Einwilligung ihrer Eltern oder ihres Vormundes entführt,<lb/>
um ſie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen, wird mit Gefängniß nicht unter<lb/>
drei Monaten beſtraft.</p></div></div><lb/><divn="4"><head>§. 209.</head><lb/><divn="5"><head/><p>Hat der Entführer (§§. 207., 208.) die Entführte geheirathet, ſo kann<lb/>
gegen denſelben nur auf den Antrag derjenigen Perſonen verfahren werden,<lb/>
welche auf die Ungültigkeitserklärung der Ehe anzutragen befugt ſind; auch<lb/>
darf derſelbe nicht eher verurtheilt werden, als bis die Ehe vorher für ungültig<lb/>
erklärt worden iſt.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="5"><head/><p>In dieſem Titel, welcher dem 13. Abſchnitt des Allg. Landrechts<lb/>
Th. II. Tit. 20. „Von Beleidigungen der Freiheit“ entſpricht, finden<lb/>ſich folgende Verbrechen und Vergehen zuſammengeſtellt: die Entführung<lb/>
mit Einſchluß des Menſchenraubes (§§. 204-9.), die widerrechtliche<lb/>
Freiheitsberaubung (§§. 210. 211.), die Nöthigung (§. 212.), der Land-<lb/>
zwang (§. 213.), die Verletzung des Hausrechts (§. 214.). Wenn<lb/>
auch die Verletzung der perſönlichen Freiheit vorzugsweiſe den Gegen-<lb/>ſtand der hier unter Strafe geſtellten Handlungen bildet, ſo iſt dieß<lb/>
doch nicht ausſchließlich der Fall. Es kommt dabei theils noch auf die<lb/>
beſondere verbrecheriſche Abſicht des Thäters an, z. B. bei dem Men-<lb/>ſchenraub, theils ſind hier Vergehen aufgeführt, bei denen die Verletzung<lb/>
der elterlichen oder vormundſchaftlichen Gewalt den eigentlichen That-<lb/>
beſtand bildet.</p><lb/><p>Die Entführung, von welcher hier zunächſt zu handeln iſt, hat im<lb/>
Strafgeſetzbuch eine viel weitere Bedeutung erhalten, als ihr bisher bei-<lb/>
gelegt zu werden pflegte. Es ſind daher die einzelnen Arten dieſes<lb/>
Delikts, welche ſowohl in Beziehung auf den Thatbeſtand als auch auf<lb/>
die Beſtrafung ſehr von einander abweichen, einer geſonderten Erörte-<lb/>
rung zu unterziehen, die, obgleich das Verbrechen zu den ſeltneren ge-<lb/>
hört, doch wegen der Schwierigkeiten, welche der Gegenſtand darbietet, in<lb/>
größerer Ausführlichkeit gegeben werden muß.</p><lb/><p><hirendition="#aq">A</hi>. <hirendition="#g">Der Menſchenraub</hi> (<hirendition="#aq">plagium</hi>).</p><lb/><p>Die im Allgemeinen Landrecht Th. II. Tit. 20. §§. 1083-94.<lb/>
unter dem Marginale „Menſchenraub“ enthaltenen Strafvorſchriften<lb/>
wurden bei der Reviſion in dem Sinne redigirt, daß das Eigenthüm-<lb/>
liche des Verbrechens darein geſetzt wurde, daß der ſeiner Freiheit Be-<lb/>
raubte entweder für immer oder doch auf längere Zeit, gänzlich einer<lb/>
fremden Willkühr unterworfen und dem Schutze des Vaterlands, oder,<lb/>
bei Kindern, dem Schutze und der Leitung ſeiner Angehörigen entzogen<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[387/0397]
§§. 204-209. Die Entführung.
jedoch ohne die Einwilligung ihrer Eltern oder ihres Vormundes entführt,
um ſie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen, wird mit Gefängniß nicht unter
drei Monaten beſtraft.
§. 209.
Hat der Entführer (§§. 207., 208.) die Entführte geheirathet, ſo kann
gegen denſelben nur auf den Antrag derjenigen Perſonen verfahren werden,
welche auf die Ungültigkeitserklärung der Ehe anzutragen befugt ſind; auch
darf derſelbe nicht eher verurtheilt werden, als bis die Ehe vorher für ungültig
erklärt worden iſt.
In dieſem Titel, welcher dem 13. Abſchnitt des Allg. Landrechts
Th. II. Tit. 20. „Von Beleidigungen der Freiheit“ entſpricht, finden
ſich folgende Verbrechen und Vergehen zuſammengeſtellt: die Entführung
mit Einſchluß des Menſchenraubes (§§. 204-9.), die widerrechtliche
Freiheitsberaubung (§§. 210. 211.), die Nöthigung (§. 212.), der Land-
zwang (§. 213.), die Verletzung des Hausrechts (§. 214.). Wenn
auch die Verletzung der perſönlichen Freiheit vorzugsweiſe den Gegen-
ſtand der hier unter Strafe geſtellten Handlungen bildet, ſo iſt dieß
doch nicht ausſchließlich der Fall. Es kommt dabei theils noch auf die
beſondere verbrecheriſche Abſicht des Thäters an, z. B. bei dem Men-
ſchenraub, theils ſind hier Vergehen aufgeführt, bei denen die Verletzung
der elterlichen oder vormundſchaftlichen Gewalt den eigentlichen That-
beſtand bildet.
Die Entführung, von welcher hier zunächſt zu handeln iſt, hat im
Strafgeſetzbuch eine viel weitere Bedeutung erhalten, als ihr bisher bei-
gelegt zu werden pflegte. Es ſind daher die einzelnen Arten dieſes
Delikts, welche ſowohl in Beziehung auf den Thatbeſtand als auch auf
die Beſtrafung ſehr von einander abweichen, einer geſonderten Erörte-
rung zu unterziehen, die, obgleich das Verbrechen zu den ſeltneren ge-
hört, doch wegen der Schwierigkeiten, welche der Gegenſtand darbietet, in
größerer Ausführlichkeit gegeben werden muß.
A. Der Menſchenraub (plagium).
Die im Allgemeinen Landrecht Th. II. Tit. 20. §§. 1083-94.
unter dem Marginale „Menſchenraub“ enthaltenen Strafvorſchriften
wurden bei der Reviſion in dem Sinne redigirt, daß das Eigenthüm-
liche des Verbrechens darein geſetzt wurde, daß der ſeiner Freiheit Be-
raubte entweder für immer oder doch auf längere Zeit, gänzlich einer
fremden Willkühr unterworfen und dem Schutze des Vaterlands, oder,
bei Kindern, dem Schutze und der Leitung ſeiner Angehörigen entzogen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/397>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.