allgemeine Rechtsgrundsätze aber, so wie der Begriff der Vergiftung und die Bezeichnung der Substanzen, welche dem Gift gleichgestellt sind, endlich die Fälle der besonderen Erschwerung des Verbrechens weisen bestimmt darauf hin, daß es in der Absicht des Thäters gelegen haben muß, die Gesundheit des Vergifteten zu zerstören oder wenigstens zu beschädigen.
III. Der Begriff des Giftes ist bis jetzt wissenschaftlich nicht so fest- gestellt worden, daß die Jurisprudenz daraus für die praktische Anwen- dung bestimmte Folgerungen ableiten kann. Nur wird von allen Sachverständigen ein besonderes Gewicht auf die kleinen Dosen, in denen es schon seine tödliche Wirkung zeigt, gelegt. In jedem einzelnen Falle muß aber durch Sachverständige festgestellt werden, ob die Beibringung von Gift erfolgt ist oder nicht. Um indessen durch die Bezeichnung den Richter nicht unnöthig zu binden, ist der Zusatz gemacht worden: "oder andere Stoffe, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind," -- ein Ausdruck, der offenbar richtiger ist, als der früher in Vorschlag gebrachte "zu beschädigen."
IV. Die gesetzliche Strafe steigert sich auf Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren, wenn die Vergiftung eine schwere Körperver- letzung im Sinne des §. 193., und auf lebenslängliches Zuchthaus, wenn sie den Tod zur Folge gehabt hat. -- Daß aber überhaupt eine nachtheilige Einwirkung auf die Gesundheit des Vergifteten stattgefunden hat, ist zum Thatbestande des Verbrechens nicht erforderlich; wer also ohne einen solchen Erfolg das Gift beigebracht hat, ist, wenn der böse Vorsatz festgestellt worden, des vollendeten Verbrechens schuldig, und die Beschädigung ist nur für die Strafzumessung von Bedeutung.
V. Die Vergiftung von Brunnen u. s. w. ist als ein besonderes Delikt unter den gemeingefährlichen Verbrechen (§. 304.) aufgeführt worden.
§. 198.
Wer durch Fahrlässigkeit einen Menschen körperlich verletzt, oder an der Gesundheit beschädigt, soll mit Geldbuße von zehn bis zu Einhundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft werden.
Diese Bestrafung soll nur auf den Antrag des Verletzten stattfinden, inso- fern nicht eine schwere Körperverletzung (§. 193.) vorliegt, oder die Verletzung mit Uebertretung einer Amts- oder Berufspflicht verübt worden ist.
Die Vorschrift entspricht der in §. 184. über die fahrlässige Töd- tung aufgestellten; die geringere Verschuldung der Körperverletzung, welcher (wohl mit besonderer Rücksicht auf die Vergiftung) die Beschä-
§. 198. Fahrläſſige Körperverletzung.
allgemeine Rechtsgrundſätze aber, ſo wie der Begriff der Vergiftung und die Bezeichnung der Subſtanzen, welche dem Gift gleichgeſtellt ſind, endlich die Fälle der beſonderen Erſchwerung des Verbrechens weiſen beſtimmt darauf hin, daß es in der Abſicht des Thäters gelegen haben muß, die Geſundheit des Vergifteten zu zerſtören oder wenigſtens zu beſchädigen.
III. Der Begriff des Giftes iſt bis jetzt wiſſenſchaftlich nicht ſo feſt- geſtellt worden, daß die Jurisprudenz daraus für die praktiſche Anwen- dung beſtimmte Folgerungen ableiten kann. Nur wird von allen Sachverſtändigen ein beſonderes Gewicht auf die kleinen Doſen, in denen es ſchon ſeine tödliche Wirkung zeigt, gelegt. In jedem einzelnen Falle muß aber durch Sachverſtändige feſtgeſtellt werden, ob die Beibringung von Gift erfolgt iſt oder nicht. Um indeſſen durch die Bezeichnung den Richter nicht unnöthig zu binden, iſt der Zuſatz gemacht worden: „oder andere Stoffe, welche die Geſundheit zu zerſtören geeignet ſind,“ — ein Ausdruck, der offenbar richtiger iſt, als der früher in Vorſchlag gebrachte „zu beſchädigen.“
IV. Die geſetzliche Strafe ſteigert ſich auf Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren, wenn die Vergiftung eine ſchwere Körperver- letzung im Sinne des §. 193., und auf lebenslängliches Zuchthaus, wenn ſie den Tod zur Folge gehabt hat. — Daß aber überhaupt eine nachtheilige Einwirkung auf die Geſundheit des Vergifteten ſtattgefunden hat, iſt zum Thatbeſtande des Verbrechens nicht erforderlich; wer alſo ohne einen ſolchen Erfolg das Gift beigebracht hat, iſt, wenn der böſe Vorſatz feſtgeſtellt worden, des vollendeten Verbrechens ſchuldig, und die Beſchädigung iſt nur für die Strafzumeſſung von Bedeutung.
V. Die Vergiftung von Brunnen u. ſ. w. iſt als ein beſonderes Delikt unter den gemeingefährlichen Verbrechen (§. 304.) aufgeführt worden.
§. 198.
Wer durch Fahrläſſigkeit einen Menſchen körperlich verletzt, oder an der Geſundheit beſchädigt, ſoll mit Geldbuße von zehn bis zu Einhundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre beſtraft werden.
Dieſe Beſtrafung ſoll nur auf den Antrag des Verletzten ſtattfinden, inſo- fern nicht eine ſchwere Körperverletzung (§. 193.) vorliegt, oder die Verletzung mit Uebertretung einer Amts- oder Berufspflicht verübt worden iſt.
Die Vorſchrift entſpricht der in §. 184. über die fahrläſſige Töd- tung aufgeſtellten; die geringere Verſchuldung der Körperverletzung, welcher (wohl mit beſonderer Rückſicht auf die Vergiftung) die Beſchä-
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§. 198. Fahrläſſige Körperverletzung.
allgemeine Rechtsgrundſätze aber, ſo wie der Begriff der Vergiftung und
die Bezeichnung der Subſtanzen, welche dem Gift gleichgeſtellt ſind,
endlich die Fälle der beſonderen Erſchwerung des Verbrechens weiſen
beſtimmt darauf hin, daß es in der Abſicht des Thäters gelegen haben
muß, die Geſundheit des Vergifteten zu zerſtören oder wenigſtens zu
beſchädigen.
III. Der Begriff des Giftes iſt bis jetzt wiſſenſchaftlich nicht ſo feſt-
geſtellt worden, daß die Jurisprudenz daraus für die praktiſche Anwen-
dung beſtimmte Folgerungen ableiten kann. Nur wird von allen
Sachverſtändigen ein beſonderes Gewicht auf die kleinen Doſen, in denen
es ſchon ſeine tödliche Wirkung zeigt, gelegt. In jedem einzelnen Falle
muß aber durch Sachverſtändige feſtgeſtellt werden, ob die Beibringung
von Gift erfolgt iſt oder nicht. Um indeſſen durch die Bezeichnung
den Richter nicht unnöthig zu binden, iſt der Zuſatz gemacht worden:
„oder andere Stoffe, welche die Geſundheit zu zerſtören geeignet ſind,“
— ein Ausdruck, der offenbar richtiger iſt, als der früher in Vorſchlag
gebrachte „zu beſchädigen.“
IV. Die geſetzliche Strafe ſteigert ſich auf Zuchthaus von zehn
bis zu zwanzig Jahren, wenn die Vergiftung eine ſchwere Körperver-
letzung im Sinne des §. 193., und auf lebenslängliches Zuchthaus,
wenn ſie den Tod zur Folge gehabt hat. — Daß aber überhaupt eine
nachtheilige Einwirkung auf die Geſundheit des Vergifteten ſtattgefunden
hat, iſt zum Thatbeſtande des Verbrechens nicht erforderlich; wer alſo
ohne einen ſolchen Erfolg das Gift beigebracht hat, iſt, wenn der böſe
Vorſatz feſtgeſtellt worden, des vollendeten Verbrechens ſchuldig, und die
Beſchädigung iſt nur für die Strafzumeſſung von Bedeutung.
V. Die Vergiftung von Brunnen u. ſ. w. iſt als ein beſonderes
Delikt unter den gemeingefährlichen Verbrechen (§. 304.) aufgeführt
worden.
§. 198.
Wer durch Fahrläſſigkeit einen Menſchen körperlich verletzt, oder an der
Geſundheit beſchädigt, ſoll mit Geldbuße von zehn bis zu Einhundert Thalern
oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre beſtraft werden.
Dieſe Beſtrafung ſoll nur auf den Antrag des Verletzten ſtattfinden, inſo-
fern nicht eine ſchwere Körperverletzung (§. 193.) vorliegt, oder die Verletzung
mit Uebertretung einer Amts- oder Berufspflicht verübt worden iſt.
Die Vorſchrift entſpricht der in §. 184. über die fahrläſſige Töd-
tung aufgeſtellten; die geringere Verſchuldung der Körperverletzung,
welcher (wohl mit beſonderer Rückſicht auf die Vergiftung) die Beſchä-
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/391>, abgerufen am 21.11.2024.
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