Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVI. Körperverletzung.
und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen über Zurechnung, Nothwehr u. s. w. die Geltung gesichert. Allerdings können bei der gegenwärtigen Fassung des Gesetzes die Verhandlungen sehr schwierig und verwickelt werden; aber darin ist doch kein Grund zu suchen, die Anforderungen der Ge- rechtigkeit zu verletzen. Will man einmal die Vorschrift überhaupt, so muß man auch die nothwendigen Folgen derselben hinnehmen.
§. 196.
War bei einer Mißhandlung oder Körperverletzung der Thäter ohne eigene Schuld durch eine ihm selbst oder seinen Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem Verletzten zum Zorne gereizt, und dadurch auf der Stelle zur That hingerissen worden, oder wird festgestellt, daß andere mildernde Umstände vorhanden sind, so ist im Falle einer schweren Körper- verletzung (§. 193.) auf Gefängniß nicht unter sechs Monaten und im Falle der Tödtung (§. 194. und §. 195.) auf Gefängniß nicht unter Einem Jahre zu erkennen.
Diese Ermäßigung der Strafe bleibt aber ausgeschlossen, wenn das Ver- brechen gegen leibliche Verwandte in aufsteigender Linie begangen wird.
Die Vorschriften dieses Paragraphen über die im gerechten Affekt verübte schwere Mißhandlung oder Körperverletzung entsprechen genau den, §. 177. für den Todtschlag aufgestellten Bestimmungen. Im Fall das Verbrechen gegen leibliche Ascendenten begangen worden, ist die Milderung hier ausdrücklich ausgeschlossen; sonst ist dieselbe nach dem Verhältniß der gewöhnlichen gesetzlichen Strafe normirt. -- Nur in Einer Hinsicht besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen den Bestim- mungen der beiden Paragraphen; bei der Körperverletzung sind nämlich außer der Anreizung durch den Verletzten noch andere mildernde Um- stände zur Berücksichtigung zugelassen, was bei dem Todtschlage nicht geschehen ist. Die Kommission der zweiten Kammer hat diesen Zusatz mit besonderer Rücksicht auf die in §. 193. vorgeschriebene Bestrafung der schweren Körperverletzung für nöthig gehalten, da man bei der Fest- stellung dieses Begriffs fand, daß ohne eine solche Beschränkung der gesetzlichen Regel in gewissen Fällen eine unbillige Härte sich nicht werde vermeiden lassen. a)
§. 197.
Wer vorsätzlich einem Anderen Gift oder andere Stoffe beibringt, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.
a)Bericht a. a. O. zu §. 179. (196.)
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVI. Körperverletzung.
und den allgemeinen Rechtsgrundſätzen über Zurechnung, Nothwehr u. ſ. w. die Geltung geſichert. Allerdings können bei der gegenwärtigen Faſſung des Geſetzes die Verhandlungen ſehr ſchwierig und verwickelt werden; aber darin iſt doch kein Grund zu ſuchen, die Anforderungen der Ge- rechtigkeit zu verletzen. Will man einmal die Vorſchrift überhaupt, ſo muß man auch die nothwendigen Folgen derſelben hinnehmen.
§. 196.
War bei einer Mißhandlung oder Körperverletzung der Thäter ohne eigene Schuld durch eine ihm ſelbſt oder ſeinen Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder ſchwere Beleidigung von dem Verletzten zum Zorne gereizt, und dadurch auf der Stelle zur That hingeriſſen worden, oder wird feſtgeſtellt, daß andere mildernde Umſtände vorhanden ſind, ſo iſt im Falle einer ſchweren Körper- verletzung (§. 193.) auf Gefängniß nicht unter ſechs Monaten und im Falle der Tödtung (§. 194. und §. 195.) auf Gefängniß nicht unter Einem Jahre zu erkennen.
Dieſe Ermäßigung der Strafe bleibt aber ausgeſchloſſen, wenn das Ver- brechen gegen leibliche Verwandte in aufſteigender Linie begangen wird.
Die Vorſchriften dieſes Paragraphen über die im gerechten Affekt verübte ſchwere Mißhandlung oder Körperverletzung entſprechen genau den, §. 177. für den Todtſchlag aufgeſtellten Beſtimmungen. Im Fall das Verbrechen gegen leibliche Aſcendenten begangen worden, iſt die Milderung hier ausdrücklich ausgeſchloſſen; ſonſt iſt dieſelbe nach dem Verhältniß der gewöhnlichen geſetzlichen Strafe normirt. — Nur in Einer Hinſicht beſteht ein weſentlicher Unterſchied zwiſchen den Beſtim- mungen der beiden Paragraphen; bei der Körperverletzung ſind nämlich außer der Anreizung durch den Verletzten noch andere mildernde Um- ſtände zur Berückſichtigung zugelaſſen, was bei dem Todtſchlage nicht geſchehen iſt. Die Kommiſſion der zweiten Kammer hat dieſen Zuſatz mit beſonderer Rückſicht auf die in §. 193. vorgeſchriebene Beſtrafung der ſchweren Körperverletzung für nöthig gehalten, da man bei der Feſt- ſtellung dieſes Begriffs fand, daß ohne eine ſolche Beſchränkung der geſetzlichen Regel in gewiſſen Fällen eine unbillige Härte ſich nicht werde vermeiden laſſen. a)
§. 197.
Wer vorſätzlich einem Anderen Gift oder andere Stoffe beibringt, welche die Geſundheit zu zerſtören geeignet ſind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren beſtraft.
a)Bericht a. a. O. zu §. 179. (196.)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0388"n="378"/><fwplace="top"type="header">Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVI. Körperverletzung.</fw><lb/>
und den allgemeinen Rechtsgrundſätzen über Zurechnung, Nothwehr u. ſ. w.<lb/>
die Geltung geſichert. Allerdings können bei der gegenwärtigen Faſſung<lb/>
des Geſetzes die Verhandlungen ſehr ſchwierig und verwickelt werden;<lb/>
aber darin iſt doch kein Grund zu ſuchen, die Anforderungen der Ge-<lb/>
rechtigkeit zu verletzen. Will man einmal die Vorſchrift überhaupt, ſo<lb/>
muß man auch die nothwendigen Folgen derſelben hinnehmen.</p></div></div><lb/><divn="4"><head>§. 196.</head><lb/><divn="5"><head/><p>War bei einer Mißhandlung oder Körperverletzung der Thäter ohne eigene<lb/>
Schuld durch eine ihm ſelbſt oder ſeinen Angehörigen zugefügte Mißhandlung<lb/>
oder ſchwere Beleidigung von dem Verletzten zum Zorne gereizt, und dadurch<lb/>
auf der Stelle zur That hingeriſſen worden, oder wird feſtgeſtellt, daß andere<lb/>
mildernde Umſtände vorhanden ſind, ſo iſt im Falle einer ſchweren Körper-<lb/>
verletzung (§. 193.) auf Gefängniß nicht unter ſechs Monaten und im Falle<lb/>
der Tödtung (§. 194. und §. 195.) auf Gefängniß nicht unter Einem Jahre<lb/>
zu erkennen.</p><lb/><p>Dieſe Ermäßigung der Strafe bleibt aber ausgeſchloſſen, wenn das Ver-<lb/>
brechen gegen leibliche Verwandte in aufſteigender Linie begangen wird.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="5"><head/><p>Die Vorſchriften dieſes Paragraphen über die im gerechten Affekt<lb/>
verübte ſchwere Mißhandlung oder Körperverletzung entſprechen genau<lb/>
den, §. 177. für den Todtſchlag aufgeſtellten Beſtimmungen. Im Fall<lb/>
das Verbrechen gegen leibliche Aſcendenten begangen worden, iſt die<lb/>
Milderung hier ausdrücklich ausgeſchloſſen; ſonſt iſt dieſelbe nach dem<lb/>
Verhältniß der gewöhnlichen geſetzlichen Strafe normirt. — Nur in<lb/>
Einer Hinſicht beſteht ein weſentlicher Unterſchied zwiſchen den Beſtim-<lb/>
mungen der beiden Paragraphen; bei der Körperverletzung ſind nämlich<lb/>
außer der Anreizung durch den Verletzten noch andere mildernde Um-<lb/>ſtände zur Berückſichtigung zugelaſſen, was bei dem Todtſchlage nicht<lb/>
geſchehen iſt. Die Kommiſſion der zweiten Kammer hat dieſen Zuſatz<lb/>
mit beſonderer Rückſicht auf die in §. 193. vorgeſchriebene Beſtrafung<lb/>
der ſchweren Körperverletzung für nöthig gehalten, da man bei der Feſt-<lb/>ſtellung dieſes Begriffs fand, daß ohne eine ſolche Beſchränkung der<lb/>
geſetzlichen Regel in gewiſſen Fällen eine unbillige Härte ſich nicht werde<lb/>
vermeiden laſſen. <noteplace="foot"n="a)"><hirendition="#g">Bericht</hi> a. a. O. zu §. 179. (196.)</note></p></div></div><lb/><divn="4"><head>§. 197.</head><lb/><divn="5"><head/><p>Wer vorſätzlich einem Anderen Gift oder andere Stoffe beibringt, welche<lb/>
die Geſundheit zu zerſtören geeignet ſind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn<lb/>
Jahren beſtraft.</p><lb/></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[378/0388]
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVI. Körperverletzung.
und den allgemeinen Rechtsgrundſätzen über Zurechnung, Nothwehr u. ſ. w.
die Geltung geſichert. Allerdings können bei der gegenwärtigen Faſſung
des Geſetzes die Verhandlungen ſehr ſchwierig und verwickelt werden;
aber darin iſt doch kein Grund zu ſuchen, die Anforderungen der Ge-
rechtigkeit zu verletzen. Will man einmal die Vorſchrift überhaupt, ſo
muß man auch die nothwendigen Folgen derſelben hinnehmen.
§. 196.
War bei einer Mißhandlung oder Körperverletzung der Thäter ohne eigene
Schuld durch eine ihm ſelbſt oder ſeinen Angehörigen zugefügte Mißhandlung
oder ſchwere Beleidigung von dem Verletzten zum Zorne gereizt, und dadurch
auf der Stelle zur That hingeriſſen worden, oder wird feſtgeſtellt, daß andere
mildernde Umſtände vorhanden ſind, ſo iſt im Falle einer ſchweren Körper-
verletzung (§. 193.) auf Gefängniß nicht unter ſechs Monaten und im Falle
der Tödtung (§. 194. und §. 195.) auf Gefängniß nicht unter Einem Jahre
zu erkennen.
Dieſe Ermäßigung der Strafe bleibt aber ausgeſchloſſen, wenn das Ver-
brechen gegen leibliche Verwandte in aufſteigender Linie begangen wird.
Die Vorſchriften dieſes Paragraphen über die im gerechten Affekt
verübte ſchwere Mißhandlung oder Körperverletzung entſprechen genau
den, §. 177. für den Todtſchlag aufgeſtellten Beſtimmungen. Im Fall
das Verbrechen gegen leibliche Aſcendenten begangen worden, iſt die
Milderung hier ausdrücklich ausgeſchloſſen; ſonſt iſt dieſelbe nach dem
Verhältniß der gewöhnlichen geſetzlichen Strafe normirt. — Nur in
Einer Hinſicht beſteht ein weſentlicher Unterſchied zwiſchen den Beſtim-
mungen der beiden Paragraphen; bei der Körperverletzung ſind nämlich
außer der Anreizung durch den Verletzten noch andere mildernde Um-
ſtände zur Berückſichtigung zugelaſſen, was bei dem Todtſchlage nicht
geſchehen iſt. Die Kommiſſion der zweiten Kammer hat dieſen Zuſatz
mit beſonderer Rückſicht auf die in §. 193. vorgeſchriebene Beſtrafung
der ſchweren Körperverletzung für nöthig gehalten, da man bei der Feſt-
ſtellung dieſes Begriffs fand, daß ohne eine ſolche Beſchränkung der
geſetzlichen Regel in gewiſſen Fällen eine unbillige Härte ſich nicht werde
vermeiden laſſen. a)
§. 197.
Wer vorſätzlich einem Anderen Gift oder andere Stoffe beibringt, welche
die Geſundheit zu zerſtören geeignet ſind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn
Jahren beſtraft.
a) Bericht a. a. O. zu §. 179. (196.)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/388>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.