Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XV. Verbr. u. Verg. wider d. Leben.
der nach vorstehender Anordnung ihn treffenden Strafe, zu einem sol-
chen Amte oder Gewerbe auf immer für unfähig erklärt werden."

Es ist hierbei zu bemerken, daß das Landrecht a. a. O. (§. 777.
bis 81.) die fahrlässige Tödtung und Körperverletzung als Ein Delikt
(Verletzung an Gesundheit oder Leben) auffaßt, und die Verschiedenheit
der Fälle nur bei der Strafzumessung berücksichtigen läßt. Jene Straf-
schärfung aber wegen Vernachlässigung der Amts- und Berufspflichten
wurde in der Revision als zu hart befunden. Nur bei besonders er-
schwerenden Umständen und bei einem vorzüglich hohen Grade der Fahr-
lässigkeit dürfte einem Arzte, einem Apotheker u. s. w. auf eine Zeitlang
die Ausübung ihrer Kunst oder ihres Gewerbes zu untersagen sein,
außerdem nur wenn ein Rückfall vorliege. Auch gehöre der Fall nicht
hierher, wenn nicht aus Nachlässigkeit, sondern aus Unwissenheit das
Versehen begangen worden. b)

In diesem Sinne wurde auch die gesetzliche Vorschrift getroffen,
deren angemessene Beschränkung nach der jetzigen Fassung des Gesetz-
buchs als eine Verbesserung anzusehen ist. Da die Strafschärfung von
dem Ermessen des Richters abhängen soll, so wird nur in den Fällen
einer größeren Verschuldung und mit Rücksicht auf die Gefahr, welcher
das Publikum ausgesetzt ist, darauf erkannt werden. Nach diesen Ge-
sichtspunkten wird es sich denn auch entscheiden, wie es bei dem Rück-
fall zu halten ist.

§. 185.

Bei Feststellung des Thatbestandes der Tödtung kommt es nicht in Be-
tracht, ob der tödtliche Erfolg einer Verletzung durch zeitige oder zweckmäßige
Hülfe hätte verhindert werden können, oder ob eine Verletzung dieser Art in
anderen Fällen durch Hülfe der Kunst geheilt worden, ingleichen ob die Ver-
letzung nur wegen der eigenthümlichen Leibesschaffenheit des Getödteten, oder
wegen der zufälligen Umstände, unter welchen sie zugefügt wurde, den tödt-
lichen Erfolg gehabt hat.



Daß es bei der Feststellung des objektiven Thatbestandes der Töd-
tung nur darauf ankommen kann, ob die Tödtung wirklich stattgefunden
hat, und daß die weiteren Fragen, ob die Verletzung unbedingt oder
bedingt tödtlich u. s. w., nur für den s. g. subjektiven Thatbestand, für
die Zurechnung und den Grad der Verschuldung von Bedeutung sind,
-- das scheint sich so unzweifelhaft aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen
zu ergeben, daß eine besondere gesetzliche Vorschrift darüber wohl für
überflüssig gehalten werden konnte. Wenn sie nichts destoweniger zu

b) Motive a. a. O. S. 221. 222.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XV. Verbr. u. Verg. wider d. Leben.
der nach vorſtehender Anordnung ihn treffenden Strafe, zu einem ſol-
chen Amte oder Gewerbe auf immer für unfähig erklärt werden.“

Es iſt hierbei zu bemerken, daß das Landrecht a. a. O. (§. 777.
bis 81.) die fahrläſſige Tödtung und Körperverletzung als Ein Delikt
(Verletzung an Geſundheit oder Leben) auffaßt, und die Verſchiedenheit
der Fälle nur bei der Strafzumeſſung berückſichtigen läßt. Jene Straf-
ſchärfung aber wegen Vernachläſſigung der Amts- und Berufspflichten
wurde in der Reviſion als zu hart befunden. Nur bei beſonders er-
ſchwerenden Umſtänden und bei einem vorzüglich hohen Grade der Fahr-
läſſigkeit dürfte einem Arzte, einem Apotheker u. ſ. w. auf eine Zeitlang
die Ausübung ihrer Kunſt oder ihres Gewerbes zu unterſagen ſein,
außerdem nur wenn ein Rückfall vorliege. Auch gehöre der Fall nicht
hierher, wenn nicht aus Nachläſſigkeit, ſondern aus Unwiſſenheit das
Verſehen begangen worden. b)

In dieſem Sinne wurde auch die geſetzliche Vorſchrift getroffen,
deren angemeſſene Beſchränkung nach der jetzigen Faſſung des Geſetz-
buchs als eine Verbeſſerung anzuſehen iſt. Da die Strafſchärfung von
dem Ermeſſen des Richters abhängen ſoll, ſo wird nur in den Fällen
einer größeren Verſchuldung und mit Rückſicht auf die Gefahr, welcher
das Publikum ausgeſetzt iſt, darauf erkannt werden. Nach dieſen Ge-
ſichtspunkten wird es ſich denn auch entſcheiden, wie es bei dem Rück-
fall zu halten iſt.

§. 185.

Bei Feſtſtellung des Thatbeſtandes der Tödtung kommt es nicht in Be-
tracht, ob der tödtliche Erfolg einer Verletzung durch zeitige oder zweckmäßige
Hülfe hätte verhindert werden können, oder ob eine Verletzung dieſer Art in
anderen Fällen durch Hülfe der Kunſt geheilt worden, ingleichen ob die Ver-
letzung nur wegen der eigenthümlichen Leibesſchaffenheit des Getödteten, oder
wegen der zufälligen Umſtände, unter welchen ſie zugefügt wurde, den tödt-
lichen Erfolg gehabt hat.



Daß es bei der Feſtſtellung des objektiven Thatbeſtandes der Töd-
tung nur darauf ankommen kann, ob die Tödtung wirklich ſtattgefunden
hat, und daß die weiteren Fragen, ob die Verletzung unbedingt oder
bedingt tödtlich u. ſ. w., nur für den ſ. g. ſubjektiven Thatbeſtand, für
die Zurechnung und den Grad der Verſchuldung von Bedeutung ſind,
— das ſcheint ſich ſo unzweifelhaft aus allgemeinen Rechtsgrundſätzen
zu ergeben, daß eine beſondere geſetzliche Vorſchrift darüber wohl für
überflüſſig gehalten werden konnte. Wenn ſie nichts deſtoweniger zu

b) Motive a. a. O. S. 221. 222.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0374" n="364"/><fw place="top" type="header">Th. II. V. d. einzelnen Verbr. &#xA75B;c. Tit. XV. Verbr.           u. Verg. wider d. Leben.</fw><lb/>
der nach vor&#x017F;tehender Anordnung ihn          treffenden Strafe, zu einem &#x017F;ol-<lb/>
chen Amte oder Gewerbe auf immer für          unfähig erklärt werden.&#x201C;</p><lb/>
                <p>Es i&#x017F;t hierbei zu bemerken, daß das Landrecht a. a. O. (§. 777.<lb/>
bis 81.)          die fahrlä&#x017F;&#x017F;ige Tödtung und Körperverletzung als Ein          Delikt<lb/>
(Verletzung an Ge&#x017F;undheit oder Leben) auffaßt, und die          Ver&#x017F;chiedenheit<lb/>
der Fälle nur bei der Strafzume&#x017F;&#x017F;ung          berück&#x017F;ichtigen läßt. Jene Straf-<lb/>
&#x017F;chärfung aber wegen          Vernachlä&#x017F;&#x017F;igung der Amts- und Berufspflichten<lb/>
wurde in der          Revi&#x017F;ion als zu hart befunden. Nur bei be&#x017F;onders          er-<lb/>
&#x017F;chwerenden Um&#x017F;tänden und bei einem vorzüglich hohen Grade          der Fahr-<lb/>&#x017F;&#x017F;igkeit dürfte einem Arzte, einem Apotheker u.          &#x017F;. w. auf eine Zeitlang<lb/>
die Ausübung ihrer Kun&#x017F;t oder ihres          Gewerbes zu unter&#x017F;agen &#x017F;ein,<lb/>
außerdem nur wenn ein Rückfall          vorliege. Auch gehöre der Fall nicht<lb/>
hierher, wenn nicht aus          Nachlä&#x017F;&#x017F;igkeit, &#x017F;ondern aus          Unwi&#x017F;&#x017F;enheit das<lb/>
Ver&#x017F;ehen begangen worden. <note place="foot" n="b)"><hi rendition="#g">Motive</hi> a. a. O. S. 221. 222.</note>         </p><lb/>
                <p>In die&#x017F;em Sinne wurde auch die ge&#x017F;etzliche Vor&#x017F;chrift          getroffen,<lb/>
deren angeme&#x017F;&#x017F;ene Be&#x017F;chränkung nach der          jetzigen Fa&#x017F;&#x017F;ung des Ge&#x017F;etz-<lb/>
buchs als eine          Verbe&#x017F;&#x017F;erung anzu&#x017F;ehen i&#x017F;t. Da die          Straf&#x017F;chärfung von<lb/>
dem Erme&#x017F;&#x017F;en des Richters abhängen          &#x017F;oll, &#x017F;o wird nur in den Fällen<lb/>
einer größeren          Ver&#x017F;chuldung und mit Rück&#x017F;icht auf die Gefahr, welcher<lb/>
das          Publikum ausge&#x017F;etzt i&#x017F;t, darauf erkannt werden. Nach          die&#x017F;en Ge-<lb/>
&#x017F;ichtspunkten wird es &#x017F;ich denn auch          ent&#x017F;cheiden, wie es bei dem Rück-<lb/>
fall zu halten i&#x017F;t.</p>
              </div>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 185.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Bei Fe&#x017F;t&#x017F;tellung des Thatbe&#x017F;tandes der Tödtung kommt es         nicht in Be-<lb/>
tracht, ob der tödtliche Erfolg einer Verletzung durch zeitige oder         zweckmäßige<lb/>
Hülfe hätte verhindert werden können, oder ob eine Verletzung         die&#x017F;er Art in<lb/>
anderen Fällen durch Hülfe der Kun&#x017F;t geheilt worden,         ingleichen ob die Ver-<lb/>
letzung nur wegen der eigenthümlichen         Leibes&#x017F;chaffenheit des Getödteten, oder<lb/>
wegen der zufälligen         Um&#x017F;tände, unter welchen &#x017F;ie zugefügt wurde, den tödt-<lb/>
lichen         Erfolg gehabt hat.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <div n="5">
                <head/>
                <p>Daß es bei der Fe&#x017F;t&#x017F;tellung des objektiven Thatbe&#x017F;tandes          der Töd-<lb/>
tung nur darauf ankommen kann, ob die Tödtung wirklich          &#x017F;tattgefunden<lb/>
hat, und daß die weiteren Fragen, ob die Verletzung unbedingt          oder<lb/>
bedingt tödtlich u. &#x017F;. w., nur für den &#x017F;. g.          &#x017F;ubjektiven Thatbe&#x017F;tand, für<lb/>
die Zurechnung und den Grad der          Ver&#x017F;chuldung von Bedeutung &#x017F;ind,<lb/>
&#x2014; das          &#x017F;cheint &#x017F;ich &#x017F;o unzweifelhaft aus allgemeinen          Rechtsgrund&#x017F;ätzen<lb/>
zu ergeben, daß eine be&#x017F;ondere          ge&#x017F;etzliche Vor&#x017F;chrift darüber wohl          für<lb/>
überflü&#x017F;&#x017F;ig gehalten werden konnte. Wenn &#x017F;ie          nichts de&#x017F;toweniger zu<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[364/0374] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XV. Verbr. u. Verg. wider d. Leben. der nach vorſtehender Anordnung ihn treffenden Strafe, zu einem ſol- chen Amte oder Gewerbe auf immer für unfähig erklärt werden.“ Es iſt hierbei zu bemerken, daß das Landrecht a. a. O. (§. 777. bis 81.) die fahrläſſige Tödtung und Körperverletzung als Ein Delikt (Verletzung an Geſundheit oder Leben) auffaßt, und die Verſchiedenheit der Fälle nur bei der Strafzumeſſung berückſichtigen läßt. Jene Straf- ſchärfung aber wegen Vernachläſſigung der Amts- und Berufspflichten wurde in der Reviſion als zu hart befunden. Nur bei beſonders er- ſchwerenden Umſtänden und bei einem vorzüglich hohen Grade der Fahr- läſſigkeit dürfte einem Arzte, einem Apotheker u. ſ. w. auf eine Zeitlang die Ausübung ihrer Kunſt oder ihres Gewerbes zu unterſagen ſein, außerdem nur wenn ein Rückfall vorliege. Auch gehöre der Fall nicht hierher, wenn nicht aus Nachläſſigkeit, ſondern aus Unwiſſenheit das Verſehen begangen worden. b) In dieſem Sinne wurde auch die geſetzliche Vorſchrift getroffen, deren angemeſſene Beſchränkung nach der jetzigen Faſſung des Geſetz- buchs als eine Verbeſſerung anzuſehen iſt. Da die Strafſchärfung von dem Ermeſſen des Richters abhängen ſoll, ſo wird nur in den Fällen einer größeren Verſchuldung und mit Rückſicht auf die Gefahr, welcher das Publikum ausgeſetzt iſt, darauf erkannt werden. Nach dieſen Ge- ſichtspunkten wird es ſich denn auch entſcheiden, wie es bei dem Rück- fall zu halten iſt. §. 185. Bei Feſtſtellung des Thatbeſtandes der Tödtung kommt es nicht in Be- tracht, ob der tödtliche Erfolg einer Verletzung durch zeitige oder zweckmäßige Hülfe hätte verhindert werden können, oder ob eine Verletzung dieſer Art in anderen Fällen durch Hülfe der Kunſt geheilt worden, ingleichen ob die Ver- letzung nur wegen der eigenthümlichen Leibesſchaffenheit des Getödteten, oder wegen der zufälligen Umſtände, unter welchen ſie zugefügt wurde, den tödt- lichen Erfolg gehabt hat. Daß es bei der Feſtſtellung des objektiven Thatbeſtandes der Töd- tung nur darauf ankommen kann, ob die Tödtung wirklich ſtattgefunden hat, und daß die weiteren Fragen, ob die Verletzung unbedingt oder bedingt tödtlich u. ſ. w., nur für den ſ. g. ſubjektiven Thatbeſtand, für die Zurechnung und den Grad der Verſchuldung von Bedeutung ſind, — das ſcheint ſich ſo unzweifelhaft aus allgemeinen Rechtsgrundſätzen zu ergeben, daß eine beſondere geſetzliche Vorſchrift darüber wohl für überflüſſig gehalten werden konnte. Wenn ſie nichts deſtoweniger zu b) Motive a. a. O. S. 221. 222.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/374
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/374>, abgerufen am 21.11.2024.