Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. VI. Vergehen wider d. öffentl. Ordnung.
§. 111.
Wer einen Preußen zum Militairdienste fremder Mächte anwirbt oder den Werbern der letzteren zuführt, ingleichen wer einen Preußischen Soldaten vor- sätzlich zum Desertiren verleitet, oder die Desertion desselben vorsätzlich beför- dert, wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft.
Der Versuch dieser Handlungen wird mit der nämlichen Strafe belegt.
§. 112.
Wer von dem Vorhaben einer Desertion zu einer Zeit, zu welcher die Ver- hütung des Vergehens möglich ist, glaubhafte Kenntniß erhält und es unter- läßt, davon der Polizeibehörde oder Militairbehörde zur rechten Zeit Anzeige zu machen, soll, wenn die Desertion wirklich begangen wird, mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft werden.
§. 113.
Wer sich vorsätzlich durch Selbstverstümmelung oder auf andere Weise zu dem Militairdienste untauglich macht, oder durch einen Anderen untauglich machen läßt, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Jahre und zeitiger Un- tersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft.
Dieselbe Strafe hat derjenige verwirkt, welcher den Anderen auf dessen Verlangen zum Militairdienste untauglich macht.
Die vorstehenden Bestimmungen sind gegen Personen gerichtet, welche sich der gesetzlichen Militairdienstpflicht entziehen oder Andern dazu behülflich sind. Sie sind, wie in den Motiven zu dem Entwurf von 1850. nachgewiesen worden, in Uebereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften, welche bisher gegolten haben, erlassen; ob sie auch durch- weg dem Geiste der modernen Preußischen Militairverfassung entspre- chen, und nicht zum Theil die Spuren älterer Einrichtungen an sich tragen, ist eine Frage, deren Anregung in der Kommission der zweiten Kammer zu keinen abändernden Beschlüssen führte.
Die Vorschrift des §. 110. ist an die Stelle der Vermögenskonfis- kation getreten, und von dem vereinigten ständischen Ausschuß in An- trag gebracht worden, sodann in das Gesetz vom 11. März 1850. (Gesetzs. S. 271.) übergegangen.
In §. 112. ist eine Anwendung der in §. 39. nur für gewisse Verbrechen aufgestellten Vorschrift enthalten.
Die in §. 113. als nothwendig vorgeschriebene zeitige Untersagung der bürgerlichen Ehrenrechte wurde in der Kommission der zweiten Kam- mer aufrecht erhalten, obgleich bemerkt wurde, daß die Handlung na- mentlich in den ärmeren Klassen nicht immer aus Feigheit und ehrloser Gesinnung, sondern auch aus Rücksichten für hülfsbedürftige Eltern u. s. w. begangen werde. Die Mehrheit der Kommission war aber der
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. VI. Vergehen wider d. öffentl. Ordnung.
§. 111.
Wer einen Preußen zum Militairdienſte fremder Mächte anwirbt oder den Werbern der letzteren zuführt, ingleichen wer einen Preußiſchen Soldaten vor- ſätzlich zum Deſertiren verleitet, oder die Deſertion deſſelben vorſätzlich beför- dert, wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu drei Jahren beſtraft.
Der Verſuch dieſer Handlungen wird mit der nämlichen Strafe belegt.
§. 112.
Wer von dem Vorhaben einer Deſertion zu einer Zeit, zu welcher die Ver- hütung des Vergehens möglich iſt, glaubhafte Kenntniß erhält und es unter- läßt, davon der Polizeibehörde oder Militairbehörde zur rechten Zeit Anzeige zu machen, ſoll, wenn die Deſertion wirklich begangen wird, mit Gefängniß bis zu Einem Jahre beſtraft werden.
§. 113.
Wer ſich vorſätzlich durch Selbſtverſtümmelung oder auf andere Weiſe zu dem Militairdienſte untauglich macht, oder durch einen Anderen untauglich machen läßt, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Jahre und zeitiger Un- terſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte beſtraft.
Dieſelbe Strafe hat derjenige verwirkt, welcher den Anderen auf deſſen Verlangen zum Militairdienſte untauglich macht.
Die vorſtehenden Beſtimmungen ſind gegen Perſonen gerichtet, welche ſich der geſetzlichen Militairdienſtpflicht entziehen oder Andern dazu behülflich ſind. Sie ſind, wie in den Motiven zu dem Entwurf von 1850. nachgewieſen worden, in Uebereinſtimmung mit den geſetzlichen Vorſchriften, welche bisher gegolten haben, erlaſſen; ob ſie auch durch- weg dem Geiſte der modernen Preußiſchen Militairverfaſſung entſpre- chen, und nicht zum Theil die Spuren älterer Einrichtungen an ſich tragen, iſt eine Frage, deren Anregung in der Kommiſſion der zweiten Kammer zu keinen abändernden Beſchlüſſen führte.
Die Vorſchrift des §. 110. iſt an die Stelle der Vermögenskonfis- kation getreten, und von dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß in An- trag gebracht worden, ſodann in das Geſetz vom 11. März 1850. (Geſetzſ. S. 271.) übergegangen.
In §. 112. iſt eine Anwendung der in §. 39. nur für gewiſſe Verbrechen aufgeſtellten Vorſchrift enthalten.
Die in §. 113. als nothwendig vorgeſchriebene zeitige Unterſagung der bürgerlichen Ehrenrechte wurde in der Kommiſſion der zweiten Kam- mer aufrecht erhalten, obgleich bemerkt wurde, daß die Handlung na- mentlich in den ärmeren Klaſſen nicht immer aus Feigheit und ehrloſer Geſinnung, ſondern auch aus Rückſichten für hülfsbedürftige Eltern u. ſ. w. begangen werde. Die Mehrheit der Kommiſſion war aber der
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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. VI. Vergehen wider d. öffentl. Ordnung.
§. 111.
Wer einen Preußen zum Militairdienſte fremder Mächte anwirbt oder den
Werbern der letzteren zuführt, ingleichen wer einen Preußiſchen Soldaten vor-
ſätzlich zum Deſertiren verleitet, oder die Deſertion deſſelben vorſätzlich beför-
dert, wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu drei Jahren beſtraft.
Der Verſuch dieſer Handlungen wird mit der nämlichen Strafe belegt.
§. 112.
Wer von dem Vorhaben einer Deſertion zu einer Zeit, zu welcher die Ver-
hütung des Vergehens möglich iſt, glaubhafte Kenntniß erhält und es unter-
läßt, davon der Polizeibehörde oder Militairbehörde zur rechten Zeit Anzeige
zu machen, ſoll, wenn die Deſertion wirklich begangen wird, mit Gefängniß
bis zu Einem Jahre beſtraft werden.
§. 113.
Wer ſich vorſätzlich durch Selbſtverſtümmelung oder auf andere Weiſe zu
dem Militairdienſte untauglich macht, oder durch einen Anderen untauglich
machen läßt, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Jahre und zeitiger Un-
terſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte beſtraft.
Dieſelbe Strafe hat derjenige verwirkt, welcher den Anderen auf deſſen
Verlangen zum Militairdienſte untauglich macht.
Die vorſtehenden Beſtimmungen ſind gegen Perſonen gerichtet,
welche ſich der geſetzlichen Militairdienſtpflicht entziehen oder Andern dazu
behülflich ſind. Sie ſind, wie in den Motiven zu dem Entwurf von
1850. nachgewieſen worden, in Uebereinſtimmung mit den geſetzlichen
Vorſchriften, welche bisher gegolten haben, erlaſſen; ob ſie auch durch-
weg dem Geiſte der modernen Preußiſchen Militairverfaſſung entſpre-
chen, und nicht zum Theil die Spuren älterer Einrichtungen an ſich
tragen, iſt eine Frage, deren Anregung in der Kommiſſion der zweiten
Kammer zu keinen abändernden Beſchlüſſen führte.
Die Vorſchrift des §. 110. iſt an die Stelle der Vermögenskonfis-
kation getreten, und von dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß in An-
trag gebracht worden, ſodann in das Geſetz vom 11. März 1850.
(Geſetzſ. S. 271.) übergegangen.
In §. 112. iſt eine Anwendung der in §. 39. nur für gewiſſe
Verbrechen aufgeſtellten Vorſchrift enthalten.
Die in §. 113. als nothwendig vorgeſchriebene zeitige Unterſagung
der bürgerlichen Ehrenrechte wurde in der Kommiſſion der zweiten Kam-
mer aufrecht erhalten, obgleich bemerkt wurde, daß die Handlung na-
mentlich in den ärmeren Klaſſen nicht immer aus Feigheit und ehrloſer
Geſinnung, ſondern auch aus Rückſichten für hülfsbedürftige Eltern
u. ſ. w. begangen werde. Die Mehrheit der Kommiſſion war aber der
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/286>, abgerufen am 21.11.2024.
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