§. 109. Falsche Entschuldig. §§. 110-113. Verletz. d. Militairdienstpflicht.
Die in diesen Paragraphen unter Strafe gestellten Handlungen sind nicht nur ihrem Thatbestande nach im Allgemeinen mit einander verwandt, sondern haben auch das gemeinsame Erforderniß, daß sie vor- sätzlich begangen sein müssen, wenn überhaupt eine Ahndung eintreten soll. Die Ehrenstrafe in §. 106. ist in der Kommission der zweiten Kammer auf den Fall, daß die Handlung in gewinnsüchtiger Absicht begangen worden, beschränkt; die Regierungsvorlage hatte sie allgemein, jedoch nur nach dem Ermessen des Richters zugelassen. c) -- Der Aus- druck "amtliches Siegel" in §. 108. schließt auch die Siegel solcher Beamten und Behörden ein, welche keine obrigkeitliche Gewalt haben, z. B. der Gerichtsvollzieher in der Rheinprovinz.
§. 109.
Wer als Zeuge oder als Geschworener berufen, eine Entschuldigungs-Ur- sache vorschützt, welche sich als falsch ergiebt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Monaten bestraft.
Dasselbe gilt für den Sachverständigen, insofern er auf Grund einer gesetz- lichen Verpflichtung berufen ist.
Die Verurtheilung wegen Vorschützens einer falschen Entschuldigungs-Ur- sache schließt die Verurtheilung in die auf das Richterscheinen gesetzten Geld- bußen nicht aus.
Eine falsche Entschuldigungs-Ursache kann nur eine solche sein, deren Unrichtigkeit derjenige, welcher sie vorschützte, kannte; Irrthum und Versehen werden hier also nicht mit Strafe bedroht. d) -- Die Fassung der auf die Sachverständigen sich beziehenden Bestimmung des Abs. 2. wurde mit Rücksicht auf die verschiedenen Vorschriften der einzelnen noch geltenden Prozeßordnungen gewählt. e)
§. 110.
Wer ohne Erlaubniß die Königlichen Lande verläßt und sich dadurch dem Eintritt in den Dienst des stehenden Heeres zu entziehen sucht, ingleichen ein beurlaubter Landwehrmann, welcher ohne Erlaubniß auswandert, wird mit einer Geldbuße von funfzig bis zu Eintausend Thalern oder Gefängniß von Einem Monate bis zu Einem Jahre bestraft.
Das Vermögen des Angeschuldigten ist insoweit, als es nach dem Ermessen des Richters zur Deckung der den Angeschuldigten möglicherweise treffenden höchsten Strafe von Eintausend Thalern und der Kosten des Verfahrens er- forderlich ist, von demselben mit Beschlag zu belegen.
c)Kommissionsbericht zu §. 94. (106.)
d) Vgl. oben S. 45. 46.
e)Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 97. (109.)
§. 109. Falſche Entſchuldig. §§. 110-113. Verletz. d. Militairdienſtpflicht.
Die in dieſen Paragraphen unter Strafe geſtellten Handlungen ſind nicht nur ihrem Thatbeſtande nach im Allgemeinen mit einander verwandt, ſondern haben auch das gemeinſame Erforderniß, daß ſie vor- ſätzlich begangen ſein müſſen, wenn überhaupt eine Ahndung eintreten ſoll. Die Ehrenſtrafe in §. 106. iſt in der Kommiſſion der zweiten Kammer auf den Fall, daß die Handlung in gewinnſüchtiger Abſicht begangen worden, beſchränkt; die Regierungsvorlage hatte ſie allgemein, jedoch nur nach dem Ermeſſen des Richters zugelaſſen. c) — Der Aus- druck „amtliches Siegel“ in §. 108. ſchließt auch die Siegel ſolcher Beamten und Behörden ein, welche keine obrigkeitliche Gewalt haben, z. B. der Gerichtsvollzieher in der Rheinprovinz.
§. 109.
Wer als Zeuge oder als Geſchworener berufen, eine Entſchuldigungs-Ur- ſache vorſchützt, welche ſich als falſch ergiebt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Monaten beſtraft.
Daſſelbe gilt für den Sachverſtändigen, inſofern er auf Grund einer geſetz- lichen Verpflichtung berufen iſt.
Die Verurtheilung wegen Vorſchützens einer falſchen Entſchuldigungs-Ur- ſache ſchließt die Verurtheilung in die auf das Richterſcheinen geſetzten Geld- bußen nicht aus.
Eine falſche Entſchuldigungs-Urſache kann nur eine ſolche ſein, deren Unrichtigkeit derjenige, welcher ſie vorſchützte, kannte; Irrthum und Verſehen werden hier alſo nicht mit Strafe bedroht. d) — Die Faſſung der auf die Sachverſtändigen ſich beziehenden Beſtimmung des Abſ. 2. wurde mit Rückſicht auf die verſchiedenen Vorſchriften der einzelnen noch geltenden Prozeßordnungen gewählt. e)
§. 110.
Wer ohne Erlaubniß die Königlichen Lande verläßt und ſich dadurch dem Eintritt in den Dienſt des ſtehenden Heeres zu entziehen ſucht, ingleichen ein beurlaubter Landwehrmann, welcher ohne Erlaubniß auswandert, wird mit einer Geldbuße von funfzig bis zu Eintauſend Thalern oder Gefängniß von Einem Monate bis zu Einem Jahre beſtraft.
Das Vermögen des Angeſchuldigten iſt inſoweit, als es nach dem Ermeſſen des Richters zur Deckung der den Angeſchuldigten möglicherweiſe treffenden höchſten Strafe von Eintauſend Thalern und der Koſten des Verfahrens er- forderlich iſt, von demſelben mit Beſchlag zu belegen.
c)Kommiſſionsbericht zu §. 94. (106.)
d) Vgl. oben S. 45. 46.
e)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 97. (109.)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0285"n="275"/><fwplace="top"type="header">§. 109. Falſche Entſchuldig. §§. 110-113. Verletz. d. Militairdienſtpflicht.</fw><lb/><divn="4"><head/><p>Die in dieſen Paragraphen unter Strafe geſtellten Handlungen<lb/>ſind nicht nur ihrem Thatbeſtande nach im Allgemeinen mit einander<lb/>
verwandt, ſondern haben auch das gemeinſame Erforderniß, daß ſie vor-<lb/>ſätzlich begangen ſein müſſen, wenn überhaupt eine Ahndung eintreten<lb/>ſoll. Die Ehrenſtrafe in §. 106. iſt in der Kommiſſion der zweiten<lb/>
Kammer auf den Fall, daß die Handlung in gewinnſüchtiger Abſicht<lb/>
begangen worden, beſchränkt; die Regierungsvorlage hatte ſie allgemein,<lb/>
jedoch nur nach dem Ermeſſen des Richters zugelaſſen. <noteplace="foot"n="c)"><hirendition="#g">Kommiſſionsbericht</hi> zu §. 94. (106.)</note>— Der Aus-<lb/>
druck „amtliches Siegel“ in §. 108. ſchließt auch die Siegel ſolcher<lb/>
Beamten und Behörden ein, welche keine obrigkeitliche Gewalt haben,<lb/>
z. B. der Gerichtsvollzieher in der Rheinprovinz.</p></div></div><lb/><divn="3"><head>§. 109.</head><lb/><divn="4"><head/><p>Wer als Zeuge oder als Geſchworener berufen, eine Entſchuldigungs-Ur-<lb/>ſache vorſchützt, welche ſich als falſch ergiebt, wird mit Gefängniß bis zu zwei<lb/>
Monaten beſtraft.</p><lb/><p>Daſſelbe gilt für den Sachverſtändigen, inſofern er auf Grund einer geſetz-<lb/>
lichen Verpflichtung berufen iſt.</p><lb/><p>Die Verurtheilung wegen Vorſchützens einer falſchen Entſchuldigungs-Ur-<lb/>ſache ſchließt die Verurtheilung in die auf das Richterſcheinen geſetzten Geld-<lb/>
bußen nicht aus.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="4"><head/><p>Eine falſche Entſchuldigungs-Urſache kann nur eine ſolche ſein,<lb/>
deren Unrichtigkeit derjenige, welcher ſie vorſchützte, kannte; Irrthum und<lb/>
Verſehen werden hier alſo nicht mit Strafe bedroht. <noteplace="foot"n="d)">Vgl. oben S. 45. 46.</note>— Die Faſſung<lb/>
der auf die Sachverſtändigen ſich beziehenden Beſtimmung des Abſ. 2.<lb/>
wurde mit Rückſicht auf die verſchiedenen Vorſchriften der einzelnen noch<lb/>
geltenden Prozeßordnungen gewählt. <noteplace="foot"n="e)"><hirendition="#g">Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer</hi> zu §. 97. (109.)</note></p></div></div><lb/><divn="3"><head>§. 110.</head><lb/><divn="4"><head/><p>Wer ohne Erlaubniß die Königlichen Lande verläßt und ſich dadurch dem<lb/>
Eintritt in den Dienſt des ſtehenden Heeres zu entziehen ſucht, ingleichen ein<lb/>
beurlaubter Landwehrmann, welcher ohne Erlaubniß auswandert, wird mit<lb/>
einer Geldbuße von funfzig bis zu Eintauſend Thalern oder Gefängniß von<lb/>
Einem Monate bis zu Einem Jahre beſtraft.</p><lb/><p>Das Vermögen des Angeſchuldigten iſt inſoweit, als es nach dem Ermeſſen<lb/>
des Richters zur Deckung der den Angeſchuldigten möglicherweiſe treffenden<lb/>
höchſten Strafe von Eintauſend Thalern und der Koſten des Verfahrens er-<lb/>
forderlich iſt, von demſelben mit Beſchlag zu belegen.</p></div></div><lb/></div></div></body></text></TEI>
[275/0285]
§. 109. Falſche Entſchuldig. §§. 110-113. Verletz. d. Militairdienſtpflicht.
Die in dieſen Paragraphen unter Strafe geſtellten Handlungen
ſind nicht nur ihrem Thatbeſtande nach im Allgemeinen mit einander
verwandt, ſondern haben auch das gemeinſame Erforderniß, daß ſie vor-
ſätzlich begangen ſein müſſen, wenn überhaupt eine Ahndung eintreten
ſoll. Die Ehrenſtrafe in §. 106. iſt in der Kommiſſion der zweiten
Kammer auf den Fall, daß die Handlung in gewinnſüchtiger Abſicht
begangen worden, beſchränkt; die Regierungsvorlage hatte ſie allgemein,
jedoch nur nach dem Ermeſſen des Richters zugelaſſen. c) — Der Aus-
druck „amtliches Siegel“ in §. 108. ſchließt auch die Siegel ſolcher
Beamten und Behörden ein, welche keine obrigkeitliche Gewalt haben,
z. B. der Gerichtsvollzieher in der Rheinprovinz.
§. 109.
Wer als Zeuge oder als Geſchworener berufen, eine Entſchuldigungs-Ur-
ſache vorſchützt, welche ſich als falſch ergiebt, wird mit Gefängniß bis zu zwei
Monaten beſtraft.
Daſſelbe gilt für den Sachverſtändigen, inſofern er auf Grund einer geſetz-
lichen Verpflichtung berufen iſt.
Die Verurtheilung wegen Vorſchützens einer falſchen Entſchuldigungs-Ur-
ſache ſchließt die Verurtheilung in die auf das Richterſcheinen geſetzten Geld-
bußen nicht aus.
Eine falſche Entſchuldigungs-Urſache kann nur eine ſolche ſein,
deren Unrichtigkeit derjenige, welcher ſie vorſchützte, kannte; Irrthum und
Verſehen werden hier alſo nicht mit Strafe bedroht. d) — Die Faſſung
der auf die Sachverſtändigen ſich beziehenden Beſtimmung des Abſ. 2.
wurde mit Rückſicht auf die verſchiedenen Vorſchriften der einzelnen noch
geltenden Prozeßordnungen gewählt. e)
§. 110.
Wer ohne Erlaubniß die Königlichen Lande verläßt und ſich dadurch dem
Eintritt in den Dienſt des ſtehenden Heeres zu entziehen ſucht, ingleichen ein
beurlaubter Landwehrmann, welcher ohne Erlaubniß auswandert, wird mit
einer Geldbuße von funfzig bis zu Eintauſend Thalern oder Gefängniß von
Einem Monate bis zu Einem Jahre beſtraft.
Das Vermögen des Angeſchuldigten iſt inſoweit, als es nach dem Ermeſſen
des Richters zur Deckung der den Angeſchuldigten möglicherweiſe treffenden
höchſten Strafe von Eintauſend Thalern und der Koſten des Verfahrens er-
forderlich iſt, von demſelben mit Beſchlag zu belegen.
c) Kommiſſionsbericht zu §. 94. (106.)
d) Vgl. oben S. 45. 46.
e) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 97. (109.)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/285>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.